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02.12.06 / Deutschlands Vorkriegsflaggschiff / Vor 70 Jahren, am 8. Dezember 1936, lief bei den Deutschen Werken in Kiel die "Gneisenau" vom Stapel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 02. Dezember 2006

Deutschlands Vorkriegsflaggschiff
Vor 70 Jahren, am 8. Dezember 1936, lief bei den Deutschen Werken in Kiel die "Gneisenau" vom Stapel
von Manuel Ruoff

Mitte der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden die Panzerschiffe der "Deutschland"-Klasse (vergleiche PAZ vom 13. Mai) als Stolz der deutschen Seestreitkräfte von den beiden Einheiten der "Scharnhorst"-Klasse (vergleiche PAZ vom 30. September) abgelöst, die von der Panzerung her Schlachtschiffe, aber aus diplomatischer Rücksichtnahme auf Großbritannien hinsichtlich des Geschützkalibers nur Schlachtkreuzer waren. Wie so häufig bei Schwesterschiffen war das jüngere, modernere das etwas größere, und so wurde die "Gneisenau" von Beginn an als Flottenflaggschiff konzipiert. In dieser Eigenschaft nahm sie auch 1938 an der großen Flottenparade in der Kieler Bucht in Anwesenheit Adolf Hitlers und des ungarischen Reichsverwesers Admiral Nikolaus Horthy aus Anlaß des Stapellaufs des Schweren Kreuzers "Prinz Eugen" teil.

Gut zwei Monate nach der auf der Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven gebauten "Scharnhorst", am 8. Dezember 1936, lief die "Gneisenau" bei den Deutschen Werken in Kiel vom Stapel. Dabei rammte sie mit dem Heck die gegenüberliegende Kaimauer, nahm allerdings keinen nennenswerten Schaden. Die Taufrede hielt der Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Werner von Fritsch, die Taufe selbst nahm die Witwe des in der Schlacht vor den Falkland-Inseln mit seinem Schiff untergegangenen Kommandanten des Großen Kreuzers "Gneisenau", Kapitän Julius Mäerker, vor. Am 21. Mai 1938 erfolgte die Indienststellung.

Abgesehen von der schwachen Bewaffnung und dem im Vergleich zu den Panzerschiffen kleineren Aktionsradius hatten die beiden Einheiten der "Scharnhorst"-Klasse ein Manko, das ihre Seetüchtigkeit betraf. Der Bug neigte konstruktionsbedingt dazu, überspült zu werden. Dabei wurde der vordere Geschützturm derart in Mitleidenschaft gezogen, daß er sogar ausfiel. Deshalb wurde noch zu Friedenszeiten bei beiden Schiffen das Vorschiff verlängert und der gerade Vorsteven durch einen weit ausfallenden Atlantikbug ersetzt, ohne daß dadurch allerdings das Problem restlos beseitigt werden konnte. Dieses Manko blieb bis zum Schluß.

Da "Gneisenau" und "Scharnhorst" konventionellen Schlachtschiffen in ihrer Bewaffnung unterlegen waren, versuchten die Deutschen nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, fehlende Qualität durch Quantität zu kompensieren, sprich die beiden Schwesterschiffe gemeinsam einzusetzen.

Um die britischen Verfolger des im Südatlantik allein auf sich gestellten Handelsstörers "Admiral Graf Spee" (vergleiche PAZ vom 30. Juni 2001) abzulenken, täuschten "Gneisenau" und "Scharnhorst", unterstützt von den leichteren Einheiten "Bernd von Arnim", "Erich Giese" "Karl Galster", "Leipzig" und "Köln", die aufgrund schwerer See jedoch bald wieder entlassen wurden, einen Vorstoß in den Atlantik vor. Dabei stießen die beiden deutschen Großkampfschiffe am 23. November 1939 auf den die Island-Faröer-Enge kontrollierenden britischen Hilfskreuzer "Rawapindi". Der hoffnungslos unterlegene Brite wurde das erste Opfer der beiden deutschen Schiffe. Obwohl die gesamte englische Home Fleet daraufhin hinter ihnen her war, gelang ihnen die Rückkehr in die Heimat.

Im darauffolgenden Frühjahr nahmen "Gneisenau" und "Scharnhorst" am Unternehmen "Weserübung", der Besetzung Dänemarks und Norwegens, teil. Entsprechend ihrer Größe kam den beiden Schwesterschiffen dabei die Fernsicherung vor der norwegischen Küste zu. Gerne wird in der bundesrepublikanischen Geschichtsschreibung im Zusammenhang mit Norwegen und Dänemark von einem Überfall auf Neutrale gesprochen, dessen sich die Deutschen zu schämen hätten. Dabei wird geflissentlich verschwiegen, daß die Deutschen den Briten nur zuvorkamen. So kam es vor der norwegischen Küste denn auch zu einer Gefechtsberührung mit dem britischen Schlachtkreuzer "Renown", der zu Treffern auf beiden Seiten führte. Die "Renown" hatte zwar mit 38,1 Zentimetern ein größeres Kaliber als die beiden deutschen Kriegsschiffe, doch konnten diese ihr schließlich entwischen. Im Gegensatz zur "Scharnhorst" erlitt die "Gneisenau" jedoch einige schwerere Treffer, die auch Menschenleben kosteten.

Nach der Reparatur in Bremerhaven liefen die beiden Großkampfschiffe mit dem Schweren Kreuzer "Admiral Hipper" und den Zerstörern "Hans Lody", "Hermann Schoemann", "Erich Steinbrinck" und "Karl Galster" am 4. Juni 1940 zum Unternehmen "Juno" aus. Ziel dieses Unternehmens war es, die deutsche Infanterie an Norwegens Nordküste in deren Kampf gegen alliierte Landungstruppen durch den Angriff auf feindliche Seestreitkräfte und Transporter vor allem bei Harstad zu unterstützen. Als Folge der deutschen Westoffensive verlegten die Alliierten jedoch ihre Truppen von Norwegen nach Westeuropa. Als der deutsche Flottenkommandant am 7. Juni 1940 erfuhr, daß Harstad feindfrei war, verzichtete er selbständig auf das Einlaufen in den Hafen und befahl statt dessen die Jagd auf Geleitzüge. Man wurde fündig, und am 8. Juni 1940 versenkte die "Gneisenau" den feindlichen Tanker "Oilpioneer". Viel wichtiger war jedoch, daß der Verband auf den britischen Flugzeugträger "Glorious" stieß. Da es diesem nicht rechtzeitig gelang, Flugzeuge zu starten, und er nur von den beiden Zerstörern "Ardent" und "Acasta" geschützt wurde, wurden alle drei Opfer der Deutschen.

Erfolgreicher im Kampf mit der "Gneisenau" als die "Glorious" war das ebenfalls britische U-Boot "Clyde", welches am 20. Juni 1940 einen Torpedotreffer im Vorschiff landete, der das deutsche Schiff zu einem mehrmonatigen Werftaufenthalt in Deutschland zwang.

Am 22. Januar des darauffolgenden Jahres begann das Unternehmen "Berlin". Den Schwesterschiffen gelang der Vorstoß durch die Dänemarkstraße in den Atlantik, wo die beiden in den folgenden Wochen erfolgreich Handelskrieg führten. 22 Handelsschiffe wurden versenkt, von denen alleine 14 der "Gneisenau" zum Opfer fielen. Hinzu kamen drei Tanker, die als Prise in die Hände der Deutschen fielen und von denen einer sogar das deutsch besetzte Frankreich erreichte. Am 22. März 1941 beendeten die beiden Großkampfschiffe das Unternehmen mit dem Einlaufen in Deutschlands neuen Atlantikhafen Brest.

Die französische Hafenstadt war zwar noch fest in deutscher Hand, doch waren die dort liegenden deutschen Großkampfschiffe zunehmend britischen Luftangriffen ausgesetzt. Adolf Hitler befahl den Rückzug. Am 11. Februar 1942 begann das Unternehmen "Cerberus", der Durchbruch der in Brest liegenden deutschen Großkampfschiffe "Gneisenau", "Scharnhorst" und "Prinz Eugen" durch den Ärmelkanal (vergleiche PAZ vom 10. Februar 2001). Das verwegene Unternehmen glückte.

Am 12. Februar lief "Gneisenau" zwar auf eine Miene, aber ohne erkennbare weitere Folgen. Möglicherweise um sich Gewißheit zu verschaffen, kam das Schiff aber trotzdem nach der Fahrt durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal bei den Deutschen Werken in Kiel ins Dock. Hier kam es zu einer verhängnisvollen Unterlassungssünde. Entgegen allen Vorschriften wurden die Munitionsbestände vorher nicht von Bord genommen. In der Nacht vom 26. auf den 27. Februar 1942 wurde Kiel Opfer eines alliierten Luftangriffes. Dabei traf eine Bombe auch das Vorschiff der "Gneisenau" und leitete hier bei der Munition eine Kettenreaktion aus, die 112 Mann das Leben kostete und Vorschiff samt vorderem Drillingsturm derart schwer beschädigte, daß das mittlerweile zu Reparatur und Umbau nach Gotenhafen verlegte Schiff am 1. Juli 1942 außer Dienst gestellt wurde. Ein halbes Jahr später befahl Hitler den Abbruch aller dieser Arbeiten. Das Schiff wurde nun ausgeschlachtet. Der Rest wurde am 27. März 1945 vor die Hafeneinfahrt Gotenhafens geschleppt und dort als Blockschiff versenkt. Nach dem Krieg wurde das Wrack verschrottet - das traurige Ende des ehemaligen Flaggschiffes einer Großmacht.

Foto: Stapellauf der "Gneisenau": Das Großkampfschiff war mit dem hier zu sehenden ursprünglichen Vorschiff 229,8 Meter lang, 30,5 Meter breit sowie 31,5 Knoten schnell und hatte wie die "Scharnhorst" drei Drillingstürme des Kalibers 28 Zentimeter. (Archiv)


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