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09.12.06 / Durch Unschärfe an die Macht / Jürgen Rüttgers macht ein wenig auf sozial und stilisiert sich so selber zum Hoffnungsträger

© Preußische Allgemeine Zeitung / 09. Dezember 2006

Durch Unschärfe an die Macht
Jürgen Rüttgers macht ein wenig auf sozial und stilisiert sich so selber zum Hoffnungsträger
von Hans Heckel

In der Medienwahrnehmung gilt Jürgen Rüttgers als Repräsentant des linken CDU-Flügels, der mit seinen Vorschlägen zur Verlängerung des ALG-I-Bezugs für ältere Arbeitslose die Sozialdemokraten auf der roten Schiene überholen will. Sein schlechtes Ergebnis beim Dresdner Parteitag, nur knapp 58 Prozent der Delegierten gaben ihm die Stimme für einen Stellvertreterposten, scheint zu bestätigen, daß sich der NRW-Ministerpräsident in eine Abseitsposition bugsiert, ein Eigentor geschossen hat.

Der Eindruck täuscht gleich zweimal. Näher betrachtet redet der einstige "Zukunftsminister" im letzten Kabinett Kohl nämlich nicht weniger unscharf als seine Parteichefin und Kanzlerin. Ja, Deutschland brauche Reformen, so der gebürtige Kölner, nur müsse es dabei "sozial gerecht zugehen". Nichts anderes sagt Angela Merkel seit Jahren, ihre Unentschlossenheit zwischen "rechtem" und "linkem" Parteiflügel, zwischen den Marktliberalen und den Sozialpolitikern in der Union, ihre Zustimmung zu den Anträgen aus beiden Lagern in Dresden trägt längst den Namen "System Merkel".

Kritiker werfen ihr zu Recht vor, sich aus purem Machtkalkül bewußt bedeckt zu halten und inhaltliche Positionen nur halbherzig und insoweit mitzutragen, als sie es für ihren eigenen Machterhalt als zweckmäßig erachtet. Rüttgers hat diese erfolgreiche Strategie offenkundig für sich entdeckt und will sie übernehmen. Allerdings hat er auch erkannt, daß die sozialpolitische Linie zu mehr Sicherheit, mehr staatlichen Wohltaten im Volk derzeit höher im Kurs steht als marktliberale Reformideen. Daher verschiebt er seinen Akzent ein klein wenig in die linke Richtung. Er tut dies mit derselben Beliebigkeit, mit welcher die amtierende CDU-Vorsitzende Themen und Forderungen je nach eigenem Vorteil besetzt und vorantreibt. Dies zeigt deutlich: Jürgen Rüttgers hat, daran hat die Abstimmungsschlappe von Dresden nichts geändert, noch viel vor in der Bundespolitik. Er will ganz nach oben. Und er hat gelernt - sei es aus eigenem Erleben oder aus Anschauung anderer -, daß man nach oben nicht als einer kommt, der ohne Wenn und Aber mit bestimmten Inhalten identifiziert wird.

Diese bewußte Unschärfe macht ihn zum mittelfristig gefährlichsten Konkurrenten von Angela Merkel. Er wird lauern und auf Fehler der Regierungschefin warten. Inzwischen baut sich der 55jährige das Profil eines Hoffnungsträgers, der mit der denkbar breitesten Palette von Positionen bis weit ins SPD-Lager hinein imstande wäre, die CDU nach einem Scheitern der Großen Koalition wieder an jene "40 Prozent plus x" heranzuführen, welche für eine "Kleine Koalition" mit eindeutiger Unionsdominanz nötig wären. Ein skurriler Anfangserfolg: In einer von der NRW-SPD in Auftrag gegebenen Umfrage nach dem "beliebtesten SPD-Politiker" des Landes antworteten die meisten Nordrhein-Westfalen: "Jürgen Rüttgers".

Für die CDU wie für das Land ist dieser Weg mit Gefahren verbunden. Die Unterscheidbarkeit der großen Parteien fördert Rüttgers' Linie ebenso wenig wie die unklare Politik der Kanzlerin es tut. Die Mitglieder laufen davon, der Unmut über das Parteiensystem, ja laut Umfragen sogar über die Demokratie an sich, steigt an. Wobei einschränkend hinzugefügt werden muß: Mit der "Demokratie", mit der laut jüngsten Umfragen rund die Hälfte der Deutschen nicht mehr viel anfangen können, meinen die Befragten sicherlich die derzeitige Praxis der Politik und kaum das demokratische System an sich.

Die Degradierung von Inhalten zur taktischen Manövriermasse jedenfalls schreitet mit Rüttgers voran, sie scheint das machttaktische Erfolgsrezept unserer Tage zu sein.


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