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09.12.06 / Barfuß in Istanbul - Ging der Papst nach Canossa?

© Preußische Allgemeine Zeitung / 09. Dezember 2006

"Moment mal!"
Barfuß in Istanbul - Ging der Papst nach Canossa?
von Klaus Rainer Röhl

Ist der Papst nach Canossa gegangen? Ist das Oberhaupt der katholischen Kirche in Istanbul gegenüber dem Islam eingeknickt? Hat er wirklich seine Regensburger Rede so lange erklärt und ihre Wirkung bedauert, daß sein Verhalten während seiner Reise in die Türkei jetzt allgemein als Entschuldigung bei den durch seine Rede "beleidigten" Moslems ausgelegt werden kann? Wir alle, die in der Diskussion um Terrorismus und Islam noch zwei und zwei zusammenzählen können, waren in diesem Sommer dankbar für die erfrischend offenen Worte des Papstes in Regensburg, mit denen er etwas aussprach, was alle wußten, daß nämlich der Islam seit seiner Entstehung ein sehr bedenkliches Verhältnis zur Gewalt hat. Zur Gewalt vor allem gegen Andersdenkende. Klugerweise hat der Papst die schlimmen Erfahrungen gar nicht selber ausgesprochen, sondern nur einen byzantinischen Kaiser aus dem 9. Jahrhundert zitiert, der für die Nachwelt festgehalten hatte, daß durch den Propheten Mohammed immer nur Gewalt und nochmals Gewalt gepredigt und in seinem Namen ausgeübt worden sei. Wir haben damals vermutet, daß er damit die Frage an die ganze islamische Gemeinschaft auf der Welt stellen wollte: Wie haltet ihr's mit der Gewalt? Distanziert ihr euch, oder habt ihr klammheimliche Sympathien für die Mörder und Selbstmord-Attentäter mit religiösem Überbau? Die Frage ist aktuell und stellt sich jeden Tag an fast allen Orten der Welt: Gilt noch immer der Satz des Korans, daß die Welt in zwei Häuser aufgeteilt ist: In das "Haus des Islam" und das "Haus des Krieges" = die ganze übrige Welt? Ist noch immer das Endziel des Islam, in einem neuen Heiligen Krieg (Dschihad) die ganze Welt zu unterwerfen und ihre Bewohner entweder zum rechten Glauben zu bekehren oder als

Bürger zweiter Klasse zu unterdrücken? Die fanatischen Führer der radikalen Islamisten führen ja bereits diesen sogenannten Heiligen Krieg gegen die Ungläubigen, das heißt gegen uns, ob überzeugte Christen oder ganz Ungläubige. Die Proteste flammten überall da auf, wo Haßprediger sitzen und Moslems ihnen zuhören, das heißt eigentlich überall auf der Welt, außer vielleicht in China und Nordkorea, und nach einiger Zeit, wenn die Fernsehkameras ausgeschaltet wurden, flammten sie auch wieder ab, jederzeit abrufbar. Inzwischen aber näherte sich der Termin eines schon lange vereinbarten Besuchs des Papstes beim Oberhaupt der 300 Millionen starken orthodoxen Christen in der Welt, dem Patriarchen Bartholomäus I. Der Grieche sitzt aus unerfindlichen, jedenfalls nicht leicht zu erklärenden Gründen immer noch in Istanbul, fast wie ein Gefangener unter Hausarrest, obwohl die Griechen schon lange aus dieser Stadt vertrieben worden sind, nämlich 1453. Da fiel die Hauptstadt des 1000jährigen byzantinischen Reiches in türkische Hand. Mit Konstantinopel fiel die letzte Bastion des Abendlands und die berühmteste Kirche der Christenheit, die "Hagia Sophia", wurde zur Moschee umgebaut. Für die heutigen Griechen heißt die Stadt immer noch "Konstantinopel".

Es blieben freilich noch Hunderttausende Griechen in der Stadt, die nunmehr Istanbul hieß, und sie wurden auch geduldet. Erst 1922 wurde die ganze Bevölkerungsgruppe vertrieben, unter Umständen, die genauso abstoßend und grausig waren wie die Vertreibung der Ostpreußen, Schlesier, Pommern und Sudetendeutschen aus ihrer Heimat später: ein Vertreibungsverbrechen. Wie die Vertreibung der Deutschen verbunden mit Mord, Plünderung und Vergewaltigung. Ein paar tausend letzte, in der Stadt verbliebene Griechen wurden 1956 unter schlimmen, regelrechten Pogrom-Ausschreitungen vertrieben, nur der Patriarch durfte, in einem streng abgeschirmten und kontrollierten Gebäude bleiben, aber sein auf der Insel Chalki befindliches Priesterseminar ist bis heute geschlossen, er darf schon seit 1972 keinen Priester-Nachwuchs mehr ausbilden und führt ein ziemlich klägliches Dasein, geduldet, alimentiert aber auch kontrolliert vom türkischen Staat. Der Oberhirte der griechisch-orthodoxen Weltreligion wird ständig überwacht. Soviel über die viel gerühmte religiöse Toleranz des Islam. Diesem Patriarchen Bartholomäus I. wollte Papst Benedikt im Sinne der immer wieder versuchten Annäherung der zwei christlichen Konfessionen einen offiziellen Besuch machen. Der Papstbesuch in Istanbul wurde nach der Regensburger Rede des Papstes plötzlich in Frage gestellt, der türkische Premier Erdogan drohte, das Staatsoberhaupt des Vatikanstaates nicht zu empfangen, und die Radikalen bereiteten Proteste vor. Es war schon eine besondere Besuchsreise, nicht zu vergleichen mit den sonstigen Papstbesuchen bei den christlichen Gemeinden im Ausland. Denn die gläubigen Katholiken, die bei Papstbesuchen auch in nicht-christlichen Ländern wie China, immer noch nach Millionen zählend, würden hier in Istanbul nur ein paar Hundert Gläubige zusammenbringen. Doch der Papst bestand, auch nach der massiven Stimmungsmache gegen ihn, auf diesem Türkei-Besuch, und Erdogan mußte sich schließlich herablassen, ihn offiziell zu begrüßen, und von den geplanten Demonstrationen war plötzlich keine Rede mehr, wenn man von einem Aufmarsch einer islamistischen Zwei-Prozent-Partei einmal absieht. Für die Riesenstadt Istanbul unbedeutend. Große massenhafte Volksaufwallungen werden dortzulande entweder vom Staat organisiert oder einfach untersagt. Man hatte ein schönes, jedermann anrührendes Besuchsprogramm vereinbart, bei dem jeder auf seine Kosten kam: Besuch in der einst Kirche der Christenheit, der "Hagia Sophia" (Heiligen Weisheit), die heute ein Museum - und viel besuchte Touristenattraktion ist. Aber bitte keine Gebete in der einst größten Kirche der Christenheit für den Papst. Vielleicht hat er heimlich gebetet. Dafür eine offizielle Messe in der immer noch großen und repräsentativen christlichen Heilig-Geist-Kirche mit den wenigen Katholiken von Istanbul und den griechischen Glaubensbrüdern. Besuch beim Patriarchen. Alle waren zufrieden. Und so wurde es am Ende gar als ein Triumph für Erdogan hingestellt, der während eines vertraulichen Gesprächs mit Benedikt XVI. sogar dessen Befürwortung des EU-Beitritts der Türkei herausgehört haben wollte.

Wer hat nun gewonnen? Ist der Papst eingeknickt? Ging er nach Canossa, wie einst ein deutscher König, barfuß im Schnee zwölf Stunden vor der Weltöffentlichkeit wartend und eine Versöhnung erpressend? Hat der Papst seine Regensburger Rede bedauert? Oder sich am Ende sogar entschuldigt? Hat er es vielleicht sogar mit der Angst gekriegt, angesichts der wütenden Protestdemonstrationen in der ganzen islamischen Welt? Unwahrscheinlich. Ein so zielbewußt und sicher zur fast absoluten Macht aufgestiegener Intellektueller wie Joseph Ratzinger macht nichts aus Furcht und schon gar nicht aus Versehen. Ich bin der Ansicht, daß unser guter deutscher Hirte aus der Flakhelfer-Generation schon Gründe gehabt hat für seinen Auftritt in Istanbul, Gründe, die eher real und konkret sind. Sie haben viel mit der Stärkung des Patriarchen und der Idee der Vereinigung der beiden christlichen Kirchen zu tun und wohl auch mit der amerikanischen Nato-Idee, die Türkei noch fester in ihr Bündnis einzubeziehen. Hatte nicht Condoleezza Rice einen Monat zuvor ihre Audienz beim Papst?

Die Auseinandersetzung mit dem militanten Islam aber muß weiter geführt werden, das weiß auch Kardinal Meisner, der bereits am Tag nach dem Papstbesuch von den Islamgelehrten "Korankritik", sprich kritische Beschäftigung mit der Schrift forderte. So wie es bei uns eine kritische Beschäftigung mit der Bibel gibt. Forschung, das ist in den Augen der herrschenden Imame Häresie, weil der Koran von Gott selbst den Menschen übergeben wurde. Islamforscher, die etwa nach den Quellen, den Manuskripten und der Überlieferung der Schrift fragen, sind in den Augen der Schriftgelehrten von Medina Gotteslästerer. Der Koran ist von Gott geschrieben. Was soll man dazu noch sagen? Mit wem reden? Vielleicht traut der Papst dem Christentum mehr zu, wenn die Kirchen in den islamischen Ländern geöffnet werden und Missionsarbeit möglich ist und nicht wie in einigen Ländern schwer bestraft wird. Vielleicht weiß der Papst mehr als wir. Über einen christlichen Fundamentalismus und seine Kraft zur Erneuerung. Tatsächlich ist die christliche Mission in Asien auf dem Vormarsch, in Afrika nicht, wo der Islam sich mächtig ausbreitet. Vielleicht irrt der Oberhirte aber auch. Groß ist nicht alles, was ein großer Mann tut. Eins ist aber sicher: Joseph Ratzinger ist nicht dumm. Und schon gar nicht feige. Etwas hat er sich zweifellos bei seinem Canossa-Gang gedacht.

Mein Vater hat mir einmal gesagt, was auch immer geschieht, die katholische Kirche hat 2000 Jahre alle ihre Gegner überlebt. Vielleicht ist es das. Vielleicht glaubt Benedikt XVI. an die Kraft der Erneuerung des Christentums. Wir aber, die wir dieses feste Zutrauen zur Erneuerung des Glaubens nicht haben, behalten die Regensburger Rede des Papstes und seine Warnung vor dem Islam, dessen Grundaussage die Eroberung der Welt mit Gewalt ist, in unserem Gedächtnis. Und in guter Erinnerung.

Foto: Friedenstaube freigelassen: Papst Benedikt XVI. in Istanbul


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