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16.12.06 / Heiße Kufen / Ausstellung über die Freuden des Winters

© Preußische Allgemeine Zeitung / 16. Dezember 2006

Heiße Kufen
Ausstellung über die Freuden des Winters

Es geht auch ohne Winterreifen: Bevor der Winter wieder mit Schnee und Eis zuschlägt, können sich die Besucher im Germanischen Nationalmuseum schon einmal auf die kommenden Winterfreuden einstimmen. Derzeit beleuchtet das Museum anhand von historischen Schlitten, Gemälden, Graphiken und Plakaten sowie kunsthandwerklichen Arbeiten des 16. bis 20. Jahrhunderts die Kulturgeschichte eines Gefährts. Dabei geht es um die standesgemäße Repräsentation, aber auch um den Schlitten als Transportmittel und als Utensil der Sport- und Freizeitkultur.

Über Jahrhunderte war der Schlitten in Mittel- und Nordeuropa das wesentliche Transportmittel in den Wintermonaten. Seit dem späten Mittelalter entwickelte es sich auch zu einem Vehikel für Vergnügungsfahrten gesellschaftlicher Eliten. Stadtpartien und Landausflüge in vornehmen Kufengefährten waren fester Bestandteil der luxuriösen Kultur von Adel und Patriziat.

Die Ausstellung zeigt, wie Prachtschlittenfahrten besonders im 17. und 18. Jahrhundert als öffentliche Belustigungen in Residenzen und Reichsstädten abgehalten wurden. Neben festlichen Umzügen veranstaltete der Adel mit solchen Fahrzeugen Jagdausflüge, Lustfahrten in die Umgebung und "Ringelstechen". Zu Ehren hoher Gäste fuhr man bei Hof, aber auch in reichen Städten Schlittenparcours.

Figuren- oder Bilderschlitten, von denen die Ausstellung einige prachtvolle Exemplare zeigt, bildeten bis ans Ende des 18. Jahrhunderts unverzichtbare Requisiten festlicher Umzüge und Ausfahrten im Winter. Oftmals aufwendig gestaltet, waren sie daher Teil der Hofkunst, spielten aber auch in der Kultur städtischer Oberschichten eine wichtige Rolle. Virtuose Schnitzerei wie Bemalung und ideenreiche Bildgestalt der Vehikel hatten Bedeutung und gesellschaftliche Stellung ihrer Besitzer widerzuspiegeln. Entwurf und Herstellung übertrug man daher oft Hofbildhauern oder anderen renommierten Künstlern. Seit der Renaissance lag das gestalterische Hauptaugenmerk der meist einspännig geführten Renn- oder Karussellschlitten auf dem Sitzkasten. Beliebt waren die Ausformung als Tierkörper, die Verzierung mit Grotesken und die Kufenbekrönung mit mythologischen oder allegorischen Figuren.

Ein weiteres Thema der Ausstellung ist das Rodeln, eine seit dem 16. Jahrhundert nachweisbare Art des Schlittenfahrens. Bis heute ist es das Kindervergnügen der kalten Jahreszeit schlechthin geblieben. Drüber hinaus entwickelte es sich zu einer beliebten Wintersportdisziplin. Aufgrund der Entfaltung des Wintersports im 20. Jahrhundert sind Schlitten und Darstellungen des Schlittenfahrens heute auch Synonyme für körperliche Aktivität und modernes Freizeitvergnügen im Winter. Die Tourismusindustrie setzte das Bild des Schlittens daher symbolisch ein: Es steht für aktive Erholung, mondänes Lebensgefühl und vielversprechende Erlebniswelten im Schnee. Die Ausstellung zeigt auf, wie sich die Werbung in zunehmendem Maße das Kufenfahrzeug in seiner Sinnbildhaftigkeit zunutze macht. Als altmodisches, himmlisches Gefährt von Weih-nachtsmann und Santa Claus beispielsweise transportiert es die Verzauberung einer hoch technisierten Realität in der weihnachtlichen Festzeit. Der Schlitten wird zum Sehnsuchtsmotiv und zur sentimentalen Metapher für längst vergangene Kindheitsträume und eine heile Welt. gnm

Die Ausstellung "Heiße Kufen - Schlittenfahren: Repräsentation, Vergnügen, Sport" ist im Germanischen Nationalmuseum, Kartäusergasse 1, 90402 Nürnberg, dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 21 Uhr geöffnet, Eintritt 4 / 3 Euro, bis 27. Februar 2007.

Foto: Der Berg ruft: Werbeplakat für den Wintersportort St. Moritz im Jahr 1938 (Foto: J. Musolf / GNM)


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