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30.12.06 / Wenn Beziehungskisten knirschen / Ein ganz persönlicher Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr

© Preußische Allgemeine Zeitung / 30. Dezember 2006

Wenn Beziehungskisten knirschen
Ein ganz persönlicher Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr

Herzhaftes Gelächter dringt durch das Café. Alte Damen zucken erschrocken zusammen. Die wenigen alten Herren, die es hierhin verschlagen hat, schmunzeln. Eine fröhliche Gesellschaft, mag der eine oder andere denken und sich an die eigene Jugend erinnern.

Fröhlich? Nicht immer war es ein fröhliches Jahr, auf das die fünf Frauen zurückblicken können. Bettina, Monika, Gitta, Susanne und Renate kennen sich schon eine kleine Ewigkeit. Nein, nicht aus der Schule, wehren sie ab, ein bißchen später war's schon. Außerdem haben sie sich nicht alle auf einmal kennengelernt. Susanne und Gitta allerdings kennen sich tatsächlich schon seit der Schulzeit, sie hatten sich zwar aus den Augen verloren, dann durch einen Zufall aber wieder zusammengefunden. Sie trafen sich immer wieder einmal zum Essen oder auch zum Frühstück in diesem kleinen Café. Susanne kennt Renate und Monika von der Arbeit und hat beide überredet, auch einmal zu diesen Treffen zu kommen. "Die Chemie zwischen uns stimmte einfach", sagt Susanne. Und auch Bettina, die zuletzt dazu kam, wurde ohne große Probleme in den Kreis aufgenommen.

Wieder erschallt das ansteckende Lachen. "Mensch, Gitta, die Leute gucken schon", Susanne ist es ein wenig peinlich, was ihre Freundin da anstellt. "Ach, soll'n sie doch! Weißt du noch damals in Berlin? Was haben wir da gegackert auf der Klassenfahrt." Gitta ist nicht aus der Ruhe zu bringen.

"So war sie immer schon", behauptet Susanne. "Na ja, sie hat ja auch gut lachen", meint Monika und blickt sich um, ob die Leute im Café tatsächlich auf sie achten. "Obwohl, wir sind keine Teenager mehr", wirft Bettina ein, die ebenfalls gern lacht, wenn auch nicht so laut und herzhaft. "Wieso eigentlich gut lachen?" fragt Gitta. Mit einem Mal ist sie ernst geworden.

Monika beugt sich vor und flüstert mit Verschwörermiene: "Der Kerl in deinem Haushalt hat sich doch verabschiedet." Dabei grinst sie. Gitta grinst ebenfalls: "Ja, hat er. Aber er kommt wieder, mindestens alle vier Wochen und dann bringt er auch seine Wäsche mit. Außerdem ist es kein ,Kerl', sondern mein Sohn. Er ist ausgezogen, weil er einen Studienplatz in Bayreuth gefunden hat." "Super", die Freundinnen freuen sich mit ihr. "Aber es ist doch komisch, auf einmal wieder allein zu sein", meint Monika, deren Tochter auch nicht mehr zu Hause wohnt. "Ach was", die Gitta lächelt. "Wir haben ohnehin nicht immer aufeinandergehockt. Als Tim älter wurde, hatte jeder seine eigene Sphäre. Wir sind gut damit hingekommen, wenn auch die erste Zeit als Alleinerziehende nicht einfach war."

Monika nickt zustimmend. Mit ihrer Tochter lief es nicht so problemlos, doch heute will sie nicht darüber reden. "Kinder, wißt ihr eigentlich, wie gut wir es dieses Jahr hatten?" Die andere blicken sie erstaunt an. "Gut, also ich weiß nicht", Susanne schüttelt den Kopf und blickt auf einmal nachdenklich in ihre Teetasse. "Na klar, gut. Denkt mal an den Super-Sommer, den wir hatten. Man mußte nicht mal in den Süden reisen, um die Sonne zu genießen. Wir haben fast jeden Abend gegrillt und neue Rezepte ausprobiert. Jetzt muß nur noch ein Super-Winter kommen mit viel Schnee und Eis, damit wir Schlitten fahren oder Eislaufen können."

"Und wovon träumst du sonst?" Renate ist bisher still gewesen, ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit, die Freundinnen mit ihrem Redefluß zu überschütten. "Du siehst schlecht aus", meint Bettina mitfühlend. "Hast du nicht gut geschlafen?"

Renate schießen die Tränen in die Augen. "Markus ist auch weg", schluchzt sie. "Wie, weg? Hat er dich etwa verlassen?" Die Freundinnen sind aufgeregt. "Verlassen, ja, aber nicht so wie ihr meint. Seine Firma hat ihm das Angebot gemacht, für ein Jahr nach Kanada zu gehen. Und da hat er ja gesagt. Ich kann das ja verstehen, Kanada, wer würde da nicht zugreifen, ich bitte euch. Aber ich, ich kann doch da nicht mitgehen. Was wird aus meinem Job? Die Firma gibt mir keine Auszeit von einem Jahr! Und ohne Job nach Kanada geht auch nicht."

Renate hat fast ihren alten Redefluß wieder gefunden. Sie ist kaum noch zu bremsen. "Und nun ist es aus ...", sie kämpft mit den Tränen. "Eine Beziehung auf solch eine Entfernung, das geht doch nicht, oder?"

Keine der Freundinnen weiß einen Rat. Nur Bettina meint zaghaft. "Abwarten." Dann lächelt sie. "Ja abwarten, vielleicht wendet sich ja doch noch alles zum Guten. Wenn ich so zurückblicke, muß ich feststellen, daß mein Jahr eigentlich ganz gut gelaufen ist. Ich habe zwar noch immer keinen neuen Job. Was hab' ich gesucht im Internet und im Anzeigenteil der Zeitungen. Nix is doch auch was. Wer will so'ne Olle wie mich noch haben ..."

Die anderen protestieren lautstark, doch insgeheim denkt jede, daß sie in ein tiefes Loch fallen würde, sollte sie ebenfalls arbeitslos werden. Ausgenommen vielleicht Renate, das "junge Huhn". Die ist mit Anfang 30 noch gut dran.

Bettina schmunzelt. "Nun ja, ich sitze nicht den ganzen Tag zu Hause und lege die Hände in den Schoß. Ich betreue jetzt eine alte Dame, die nicht mehr allein spazierengehen soll, sonst aber noch äußerst fit ist mit ihren 92 Jahren. Wir unterhalten uns über Gott und die Welt. Das ist auch für mich anregend. Ein toller Austausch."

"Ach Bettina, toll wie du das hinkriegst", Susanne blickt die Freundin bewundernd an. "Bei mir ist in diesem Jahr so vieles verquer gelaufen. Und dann ist meine Tante, mein Lieblingstante auch noch schwer krank geworden. Krebs. Ich besuche sie fast jeden Tag im Pflegeheim. Sie kommt allein nicht mehr zurecht. Dort wird sie ganz gut betreut, obwohl nur wenige Schwestern zur Verfügung stehen. Manchmal ist es schon ein Elend, mit ansehen zu müssen, was mit den alten Menschen geschieht. Da liegen sie meist mutterseelenallein in ihren Zimmern; kaum einer besucht sie. Sie können - oder wollen nicht mehr lesen, Sendungen im Fernsehen interessieren sie nicht. Es ist ein stilles Warten auf den Tod. Schrecklich. Was machen wir nur, wenn wir alt und klapprig werden?" Susanne blickt in die Runde. Ratlose Gesichter. Gitta, die Praktische, spricht als erste: "Nun mal langsam mit die jungen Pferde. So alt sind wir nun auch noch nicht. Allerdings kann schnell mal was passieren, man weiß ja nie. Was haltet ihr davon, wenn wir später zusammen in eine WG ziehen, in der sich jede um die andere kümmert?" Die Frauen sind perplex - eine WG? Wie soll das gehen? Die Fragen schwirren durcheinander. "Haaalt!" Es ist Susanne, die sich meldet. "Es war ja nur ein Vorschlag. Laßt uns darüber doch einfach mal nachdenken." Silke Osman


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