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06.01.07 / Alles nur Zeugenbeseitigung? / Der Prozeß und die hastige Hinrichtung Saddam Husseins beflügeln Mißtrauen seiner Anhänger

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-07 vom 06. Januar 2007

Alles nur Zeugenbeseitigung?
Der Prozeß und die hastige Hinrichtung Saddam Husseins beflügeln Mißtrauen seiner Anhänger
von R. G. Kerschhofer

Saddam Hussein ist jetzt ein "Märtyrer" - nicht nur für irakische Sunniten, sondern für viele Araber in Ländern mit US-hörigen Regierungen und natürlich für die Palästinenser. Was an Bild- und Tonmaterial über die Hinrichtung publik wurde, wird diesen Nimbus weiter verstärken. Doch sogar jene, die über Saddams Tod gejubelt haben, verbinden damit keine Dankbarkeit gegenüber den Henkern und ihren Drahtziehern. Im Gegenteil, denn nach verflogener Euphorie wird ihnen die eigene Misere um so deutlicher bewußt.

Dazu kommt, daß die übrigen Verfahren gegen Saddam jetzt hinfällig sind. Für viele Opfer und Hinterbliebene bedeutet das, daß sie vergeblich auf die von Bush verheißene "Gerechtigkeit" hofften. Wem wohl werden sie dafür "dankbar" sein? Und daß die Hinrichtung just am ersten Tag des islamischen Opferfestes erfolgte, wird selbst von Saddam-Gegnern als Provokation empfunden: Dieses Fest ist das höchste des Jahres und hat einen versöhnlichen Charakter. Es erinnert daran, daß - so der Glaube - Abrahams Sohn vor der Opferung durch den eigenen Vater gerettet wurde.

Was auch immer man Saddam Hussein vorwerfen kann und wie auch immer man zur Todesstrafe selbst stehen mag, die Hinrichtung war also ein weiterer schwerer politischer Fehler. Doch warum wurde er trotzdem begangen? Ausgangspunkt war das krampfhafte Bemühen der Regierung Bush, den aus erlogenen Gründen 2003 begonnenen eigenen Angriff durch einen Kriegsverbrecherprozeß gegen die Besiegten nachträglich zu legitimieren, zugleich aber der Welt vorzumachen, daß das nicht auch wieder nur Siegerjustiz sei. Ein aussichtsloses Unterfangen, denn der Krieg war - anders als 1991 bei der Befreiung Kuwaits - nicht durch die Uno gebilligt. Und das internationale Tribunal in Den Haag konnte Bush erst recht nicht für seine Zwecke einspannen, weil er bekanntlich diesem Gerichtshof nicht das Recht einräumt, auch über US-Bürger zu urteilen.

So blieb nur der Schauprozeß vor einem irakischen Gericht. Was die USA von der Marionettenregierung des "befreiten" Irak halten, wird allerdings dadurch illustriert, daß Saddam die ganze Zeit in US-Gewahrsam gehalten worden war! Den Irakern wurde er immer nur leihweise für die Prozeßtage zur Verfügung gestellt - und dann am Schluß für die Drecksarbeit. Bezeichnend ist auch, daß die zwei gemeinsam mit Saddam zum Tod Verurteilten nicht hingerichtet wurden. Warum die auffällige Hast mit Saddam?

Das Dilemma lag darin, daß ein "gerechtes" Verfahren gegen Saddam eine ganze Reihe von Anschuldigungen in Anklagepunkte umsetzen mußte. Abgehandelt wurde dann aber nur ein einziger - ein vergleichsweise "harmloses" Massaker, eine lokale "Vergeltungsaktion" mit 148 Toten. Doch die weiteren Prozesse hätten der Weltöffentlichkeit unweigerlich die Komplizenschaft anderer Staaten und etlicher ausländischer Politiker verdeutlicht. Und so besehen, hat die flotte Hinrichtung eher den Charakter einer Zeugenbeseitigung.

Man denke an die jahrzehntelange Verfolgung der Kurden. Wichtigster Komplize war jeweils die Türkei, die auf Einladung Saddams wiederholt in den kurdischen Nordirak einrückte. Offiziell, um die dortigen Basen der PKK zu zerstören, inoffiziell aber auch, um für Saddam ein wenig aufzuräumen. Verwendet wurde dabei Nato-Material, und das von Saddam für denselben Zweck verwendete Gerät kam meist vom damaligen Ostblock.

Ungleich mehr Tote gab es im "ersten Golfkrieg" 1980 bis 1988, den Saddam mit offener Unterstützung durch den Westen und die "Ölscheichs" sowie mit eher zurückhaltender Unterstützung durch die Sowjetunion gegen den "Mullah-Staat" Iran begonnen hatte. Ein sinnloser, doch nicht ergebnisloser Krieg: Dank der massiven Waffenverkäufe in die ganze Golf-Region wurden Unmengen an Petro-Dollars "heimgeholt", und der Irak war letztlich pleite.

Zutage gekommen wäre wohl auch die westliche Mithilfe im Giftgas-Krieg gegen die Kurden und gegen den Iran. Und schließlich, daß Saddam 1990 durch irreführende Signale der US-Diplomatie in die Falle des Kuwait-Abenteuers gelockt wurde: Man hatte Saddam in der Erwartung bestärkt, daß man ihm - quasi als Belohnung für den Iran-Krieg - in Kuwait freie Hand lassen würde. Den Irakern schien das plausibel, denn damit wäre ohnehin nur die von den Briten nach dem Ersten Weltkrieg durchgeführte Ausgliederung Kuwaits rückgängig gemacht worden.

Aber die Hinrichtung Saddams - der angebliche "Meilenstein", wie aus dem Weißen Haus verlautete - bringt nicht einmal innenpolitische Vorteile für Bush. Mancher US-Bürger wird jetzt sogar darüber nachdenken, daß man in den USA jahrelang in der Todeszelle sitzen kann und, daß dann erst recht die Technik versagt. So besehen hatte Saddam Glück, denn in Bagdad kam mit dem Strang Altbewährtes zum Einsatz.

Foto: Anhänger Saddam Husseins: Erst einige Tage nach der Hinrichtung wurde Protest laut.


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