20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
13.01.07 / Von Berlin bezaubert / "Berlinische Galerie" zeigt verschollen geglaubte Fotos der deutschen Hauptstadt aus den 30er Jahren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-07 vom 13. Januar 2007

Von Berlin bezaubert
"Berlinische Galerie" zeigt verschollen geglaubte Fotos der deutschen Hauptstadt aus den 30er Jahren
von Rebecca Bellano

Es ist fast ein kleines Wunder, an das keiner geglaubt hat, als sich 2004 bei einem Vortrag über Stadtfotografie im Rahmen des "Europäischen Monats der Fotografie" in Wien herausstellte, daß ein österreichisches Sammlerehepaar ganz besondere Fotografien von Berlin besaß.

Diese 78 Fotos, die von der deutschen Hauptstadt in den 30er Jahren gemacht wurden, hatte das Paar 1990 bei einem kleinen Antiquitätenhändler entdeckt, ohne sich damals über deren Wert bewußt zu sein. Die "Berlinische Galerie", Landesmuseum für moderne Kunst, Fotografie und Architektur, zeigte schnell Interesse an den Fotos des Avantgardekünstlers Sa-sha Stone, die er für das Buch "Berlin in Bildern" gemacht hatte.

Den Künstler, der 1895 unter dem Namen Aleksander Serge Steinsapir in St. Petersburg geboren wurde, zog es in den 20er Jahren erst nach New York, dann nach Paris und von dort in das aufstrebende Berlin. Berlin faszinierte den Fotografen, der mit dem Slogan "Sasha Stone sieht mehr" berühmt geworden war. Den Nachnamen Stone hatte er von seiner belgischen Ehefrau übernommen, mit der er in der deutschen Metropole bis 1932 auch ein Fotoatelier betrieben hatte.

Das Buch "Berlin in Bildern", das 1929 bei dem Wiener Verlag Dr. Hans Epstein erschien, entstand nach einem gemeinsamen Konzept mit dem Kunst- und Architekturkritiker Adolf Behne. Es sollte ein aktuelles Bild der sich rasant verändernden Stadt im Herzen Europas vermitteln. Damals galt Berlin als Hauptstadt des "Neuen Bauens".

Stone richtete sein Augenmerk bei den Fotos allerdings keineswegs nur auf die im Werden befindliche Moderne, seine noch bis zum 11. März in der Berlinischen Galerie als Leihgabe zu bewundernden Aufnahmen zeigen auch eine traditionelle Stadt.

Das besondere an Sasha Stones Arbeit sind jedoch die Menschen, die auf vielen Fotos zu sehen sind, denn Stone wollte nicht nur seelenlose Gebäude dokumentieren, sondern eine pulsierende europäische Großstadt mitten im Alltag zeigen.

Und so fotografierte er Passanten, Marktfrauen, die U-Bahn, das Heizkraftwerk und den Funkturm. Zwar zeigen einige der Aufnahmen auch den modernen Siedlungsbau, doch im großen und ganzen konzentrierte sich der Künstler auf die historische Mitte der Stadt.

Herausgekommen sind viele eindrucksvolle Fotografien, aber eben auch einige, deren Bedeutung sich auf den ersten Blick nicht sofort erschließen, da sie eben "nur" normale Dinge des täglichen Lebens abbilden. Doch nur dank Aufnahmen wie jenen von Sasha Stone, wissen die Menschen der Gegenwart überhaupt, wie damals das tägliche Leben aussah, denn schließlich haben zwei Weltkriege, die deutsche Teilung und die Wiedervereinigung das Gesicht der deutschen Hauptstadt während der letzten 80 Jahre mehr verändert als es im Laufe der Zeit sowieso schon üblich ist.

Die nun in der "Berlinischen Galerie" zu bewundernden Aufnahmen sind jedoch bedauerlicherweise sehr kleinformatig, da es sich um die originalen Druckvorlagen handelt. Auch der hohe, weiß gestrichene, sich in einem 1965 erbauten Lagerhaus befindliche Ausstellungsraum verkleinert die Fotos zusätzlich und beraubt sie so ihrer Wirkung.

Zudem ist es schade, daß der Ausstellungsbesucher nur etwas über den Künstler erfährt, wenn er das in der Mitte des Raumes präsentierte, gut 80jährige Buch über den Künstler anschaut und darin nachliest. Da nirgendwo darauf hingewiesen wird, daß in dem aufgeschlagenen Buch noch Informationen über den Künstler zu finden sind, werden viele Besucher vermutlich nur auf die nebenstehende Fotografie achten.

Schön wäre es auch gewesen, wenn eine Wand des großen Raumes dazu verwandt worden wäre, den Aufnahmen der Vergangenheit Fotos von der Gegenwart gegenüberzustellen. Wie sieht beispielsweise der Platz heute aus, den der 1940 auf der Flucht vor den Nationalsozialisten an Lungentuberkulose erkrankte und verstorbene Sasha Stone 1927 fotografiert hat? Und wo befindet er sich? Da sich viele Straßen und Plätze so sehr verändert haben, wäre es eine Hilfe und eine weitere Information für den Ausstellungsbesucher, denn so könnte er die ausgestellten Aufnahmen besser einordnen.

Derzeit hofft die "Berlinische Galerie", die historischen Bilder von Berlin erwerben zu können. Um diesen Ankauf zu finanzieren, wurde ein Kalender (19,80 Euro) produziert, in dem die publikationsgeschichtlichen und biografischen Hintergründe dieser abenteuerlichen Geschichte zusammen mit den Fotos abgedruckt sind.

Die Ausstellung "Sasha Stone - Berlin in Bildern" ist in der"Berlinischen Galerie", Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Alte Jakobstraße 124-128, 10969 Berlin, bis 11. März zu sehen, Telefon (030) 789 02 - 600, www.berlinischegalerie.de

Foto: Altes Museum Berlin um 1927/28: Eine der wiederentdeckten 78 Fotografien (Serge Stone)


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren