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13.01.07 / "Endlich wieder daheim" / Exponate der Ausstellung "Fragmente der Vergangenheit" verließen das Kulturzentrum Ostpreußen in Richtung Heimat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-07 vom 13. Januar 2007

"Endlich wieder daheim"
Exponate der Ausstellung "Fragmente der Vergangenheit" verließen das Kulturzentrum Ostpreußen in Richtung Heimat
von Manfred E. Fritsche

Gut ein halbes Jahr war der Apostel der Marienkirche aus dem ostpreußischen Marienburg zu Gast in der Bundesrepublik Deutschland - nun ist er unter strengen Sicherheitsvorkehrungen in seine Heimat zurückgekehrt.

Um 1340 wurde die Apostelfigur geschaffen, die neben wertvollen Gemälden eine der Hauptattraktionen der Ausstellung "Fragmente der Vergangenheit" des Marienburger Schloßmuseums war. Gut bewacht wurden die Kunstschätze nun wieder in das Schloßmuseum Marienburg zurück gebracht. Enrico Göllner vom Kulturzentrum Ostpreußen sowie der Journalist Manfred Fritsche begleiteten die Überführung.

Die Organisation der Fahrt hatte der Direktor des Kulturzentrums Ostpreußen Wolfgang Freyberg übernommen. Probleme gab es schon bei der Anmietung eines geeigneten Lastkraftwagens, denn für den in Weißenburg ansässigen Vermieter, der den Namen "Europa" in seinem Namen führt, endet der Kontinent trotz des Beitritts von Polen zur Europäischen Union nach wie vor in Frankfurt an der Oder. Ein anderer Verleiher konnte aber gefunden werden.

Bereits einen Tag nach Ausstellungsende reiste ein polnisches Team unter der Leitung der Konservatorin Jolanta Ratuzna von Marienburg nach Ellingen, um die 200 Exponate der Ausstellung sicher in die Transportkisten zu verpacken. Dies waren vor allem Exponate aus der Zeit des Deutschen Ordens, des Königlichen und des Herzoglichen Preußens, aus Westpreußen, der Zwischenkriegszeit und auch aus der Zeit nach 1945, Silber- und Goldschmiedearbeiten, Bernsteinkunst aus fünf Jahrhunderten, Gemälde und Grafiken, sakrale Plastiken und Medaillen, ein Danziger Kabinettschrank aus Bernstein aus dem Jahre 1771, das Gemälde "Die Schlacht bei Tannenberg" des berühmten polnischen Malers Jan Matejko aus dem Jahre 1872, das Bildnis von Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg zu Pferde, das der deutsche Maler Alfred Tschautsch 1874 geschaffen hat, sowie letztendlich als größtes Kunstwerk die Apostelfigur mit Sockel und Baldachin aus der Schloßkirche St. Marien.

Die versiegelten Kisten wurden von den polnischen Museumsmitarbeitern auf den Lkw verladen und dieser wiederum versiegelt. Mit Bartek, einem polnischen Helfer auf dem Beifahrersitz, begann die Fahrt in Richtung Grenzübergang Frankfurt / Oder. Viele Kilometer vor dem Übergang stauten sich die Lkw auf der Autobahn, an denen vorbei fuhren wir auf der Pkw-Spur bis auf die Grenzbrücke vor, da wir wegen der wertvollen Fracht dort vorgemeldet waren. Dennoch gab es eine 20minütige Wartezeit, mit den in polnischer Sprache abgefaßten Begleitpapieren konnte der deutsche Grenzbeamte nichts anfangen und mußte seinen polnischen Kollegen zu Hilfe rufen.

Nur 50 Meter nach der Abfertigungsstelle wartete bereits das polnische Begleitkommando auf uns - zwei uniformierte und bewaffnete Beamte sowie ein Begleitbus. Bartek, der auf der deutschen Strecke mit uns gefahren war, wechselte in den Bus. Auf dem Beifahrersitz saß ab nun ein Wachmann mit einer Maschinenpistole in der Hand. Nach einem Tankstopp kurz nach der Grenze, bei dem die beiden Uniformierten mit ihren Maschinenpistolen unseren eher unauffälligen kleinen Lastwagen deutlich sicherten, bat man uns "nonstop" bis Marienburg zu fahren - immerhin 350 Kilometer auf polnischen Straßen. Die ersten 80 Kilometer waren auch kein Problem, auf der neu mit EU-Mitteln gebauten Straße 22 von Küstrin bis Landsberg an der Warthe konnte die Höchstgeschwindigkeit des Lkw genutzt werden. Danach aber folgten lange Alleen mit schmalen Fahrbahnen, gepflasterte Streckenstücke und geteerte Abschnitte mit tiefen Spurrillen.

Bei fortschreitender Dunkelheit fehlte dann zudem die Fahrbahnmarkierung, so daß es auf der engen Straße sogar zu einer Berührung mit dem Außenspiegel eines entgegenkommenden Lastwagens kam - ein Zeichen des Wachmannes: "Weiter - nicht anhalten". Wir durchquerten weit auseinander liegende, nahezu unbeleuchtete Ortschaften, in denen nach Einbruch der Dämmerung fast niemand mehr zu sehen war. Lediglich die vielen Grableuchten auf den Friedhöfen neben der Straße zeigten, daß die Gegend bewohnt ist. Nach sieben Stunden Fahrzeit, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 50 Stundenkilometern entspricht, kamen wir gegen 23 Uhr in der Stadt am Nogat, einem Mündungsarm der Weichsel, an. Direkt vor der rund um die Uhr mit einem Wächter besetzten Schloßpforte war für uns ein Parkplatz reserviert, auf dem der Lkw bis zur Rückfahrt verblieb.

Am frühen Morgen des nächsten Tages begannen die Mitarbeiter des Schloßmuseums, den Lkw zu entladen, während wir uns die Stadt ansahen. Leider ist neben dem Rathaus, dem Bahnhof, einigen Stadttürmen, der Kaserne und einigen Villen nichts aus der früheren Zeit der Stadt erhalten geblieben. Reges Leben herrscht auf dem Wochenmarkt, aber die Ladengeschäfte der fast 40000 Einwohner zählenden Stadt sind schwach frequentiert. Erfolglos blieb auch die Suche nach einem Lokal mit heimischer Küche, lediglich eine Dönerkneipe und eine Pizzeria sind auf der Hauptstraße zu finden.

Bereits am Morgen waren zahlreiche Busse mit Schulkindern am Schloß eingetroffen, um den auf 21 Hektar Grundfläche liegenden "größten Backsteinbau Europas" zu besichtigen Am Nachmittag fand für uns eine deutsche Führung durch die zum Weltkulturerbe der Unesco gehörende Anlage statt. Nur in den Buden rund um den Haupteingang sind Reiseführer in mehreren Sprachen, Ansichtskarten und Andenken zu bekommen - in der Stadt selbst sucht man solche Dinge vergeblich.

Die Marienburg entstand in der Zeit zwischen 1270 bis 1300 am Ufer des Nogat. Sie wurde vom Orden der Brüder vom Deutschen Haus St. Marien erbaut und nach ihnen benannt. Die politische Lage veranlaßte 1271 den Deutschen Orden, seinen Hauptsitz von Venedig nach Marienburg zu verlegen. 1410 nach der verlorenen Schlacht bei Tannenberg konnte die Burg noch erfolgreich verteidigt werden, aber 1455 wurden wegen Geldschwierigkeiten an die Söldner verpfändet. Diese verkauften sie dann direkt an den polnischen König.

Während des Dreißigjährigen Krieges 1626 und 1629 sowie im Schwedisch-Polnischen Krieg von 1656 bis 1660 wurde die Burg von den Schweden besetzt. Ab 1773 gehörte die Burg dann zur Provinz Westpreußen des Königreiches Preußen. Durch die Nutzung als Kaserne wurden viele Elemente der mittelalterlichen Architektur zerstört, und es gab für das Hochschloß sogar Abrißpläne. 1804 verbot König Friedrich Wilhelm III. die geplanten Abrißarbeiten. Ab 1817 fanden Rückbaumaßnahmen in den ursprünglichen Zustand statt. Nach rund 120 Jahren Restaurierung wurde die Burg im Zweiten Weltkrieg zu 60 Prozent zerstört. Nach dem Krieg wurde sie vom polnischen Staat wieder aufgebaut. Seit einigen Jahren ist auch die Marienkirche wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Diese wurde nicht renoviert, sondern bisher nur gegen Einsturz gesichert; das Ausmaß der Zerstörung wird auf eindringliche Weise dokumentiert. So wird es auch noch eine Weile dauern, bis der früher an der Nordwand der Kirche angebrachte Apostel von seinem Standplatz im Museums-trakt wieder an der originalen Stelle angebracht werden kann.

Für die Rückfahrt hatten wir uns den Grenzübergang Frankfurt / Oder ausgesucht. Viele Schilder auf der polnischen Seite zeigten, daß der Grenzübergang für Lkw über zwölf Tonnen gesperrt ist - wobei wir annahmen, daß dann unser Auto mit 7,5 Tonnen keine Probleme bereiten würde. Weit gefehlt - der polnische Grenzbeamte am Schlagbaum lächelte weise auf unseren Hinweis auf die zwölf Tonnen und nickte, der deutsche Zöllner bestand jedoch darauf, daß der Übergang grundsätzlich nicht von Lkw benutzt werden darf. Er lies uns auf der Brücke wenden und schickte uns zur Autobahn, wo wir uns dann in die lange Schlange der Lastwagen einreihen und etwa eine Stunde bis zum Passieren der Grenzlinie warten mußten.

Foto: Die Westseite der Marienburg: Dieses Baudenkmal ist immer wieder beliebter Anlaufpunkt von Fotografen.


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