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13.01.07 / Von "Alba" und "Beffchen" / Pfarrer Franciszek Czudek führte die "Alba" in Nikolaiken wieder ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-07 vom 13. Januar 2007

Von "Alba" und "Beffchen"
Pfarrer Franciszek Czudek führte die "Alba" in Nikolaiken wieder ein
von Fryderyk Tegler

"Warum tragen Pastoren in Masuren Spitzen?"

Erstens diese "Spitze" heißt in der Sprache der Kirche, aber auch im Volksmund, besonders dort wo sie von den Geistlichen getragen wird (zum Beispiel im Teschener-Gebiet, der Slowakei, im Baltikum, in den meisten skandinavischen Ländern, aber auch in manchen evangelischen Gemeinden in Holland und Polen, "Alba". Der weibliche Begriff kommt aus dem Lateinischem, wo er soviel wie weiße Perle bedeutet).

Wie ist diese Alba nach Nikolaiken gekommen? Kurz: durch den dortigen Gemeindepfarrer Franciszek Czudek! Pastor Czudek ist eine ganz besondere Persönlichkeit und ein sehr begabten Organisator, Prediger und Seelsorger. Sein Weg ins Pfarramt war sehr steinig und äußerst schwierig! Also Franciszek Czudek, Jahrgang 1942, geboren im Teschener-Gebiet, begann sein Studium der ev. Theologie Anfang der 60er Jahre in Warschau. Aber er hatte "kein Glück", mußte das Studium unterbrechen - und kam "zur Strafe und Umerziehung" in eine schlesische Kohlengrube - dort hatte er einen schweren Unfall, an deren Folgen er bis heute leidet, aber die Kommunisten haben ihn nicht freigelassen und er wurde nach Masuren geschickt, um dort staatliche Güter zu leiten. Es war eine Wanderung von einem Ort zum anderen, bis er dort seine spätere Ehefrau kennen- und lieben gelernt hatte. In den 80er Jahren durfte er Masuren verlassen, aber noch nicht in seine Heimat in Südpolen zurückkehren. So blieb die junge Familie in Warschau hängen. Schnell erkante man dort den außergewöhnlichen Menschen und Christen und holte ihn als Küster (Hausmeister und "Mädchen für alles") in die evangelische St. Trinitatis-Kirche im Zentrum von Warschau. Mir ist diese Kirche ganz besonders lieb - weil ich dort am 1. Adventssonntag 1972 von Bischof Prof. Dr. Wantula zum Pfarrer der Evangelischen Kirche, ordiniert wurde.

Franciszek Czudek, versucht trotz Familie und Beruf, zum zweiten Mal Theologie zu studieren - aber diesmal mit Erfolg. Am 15. Juli 1990 wird er zum Pfarrer der Ev. Kirche ordiniert! Seine erste Gemeinde wird Nikolaiken, wo er zuvor Vikar war. Bei Übernahme des neuen Amtes, in einer Gemeinde die (fast) tot ist, bittet Pfarrer Czudek den dortigen Kirchenvorstand, die weiße Albe zu tragen. Der Kirchenvorstand, der die Liebe und Sehnsucht seines Pfarrers zu seiner alten Heimat, (dem Teschener-Gebiet) kennt erlaubt ihm, diese zur Probe ein Jahr zu tragen. In dieser Zeit renoviert Pfarrer Czudek die Kirche, baut ein Gästehaus und fängt an, das Alten- und Pflegeheim "Die Arche" zu bauen. Es wächst das Gemeindeleben, und die "tote" Gemeinde wächst und gedeiht. Der dortige Kirchenvorstand verlängert seinem Pastor die Erlaubnis, die weiße Albe zu tragen; als ein Zeichen des Dankes, der Toleranz und des Vertrauens zu Pfarrer Czudek, der weiter baut in Nikolaiken, Ukta und anderswo.

Der schwarze Talar ist 1811 beziehungsweise 1817 durch den preußischen König Friedrich Wilhelm III. eingeführt worden und hat sich überraschend schnell auch weit über Preußen hinaus als gottesdienstliches Gewand der evangelischen Pfarrer durchgesetzt. Ein wesentlicher Grund dafür mag sein, daß auf diese Weise der Willkür und Uneinheitlichkeit selbst in den Gemeinden ein und derselben Stadt ein Ende bereitet wurde, zu der es infolge des weithin vorherrschenden Desinteresses an Formen im Blick auf den Gottesdienst gekommen war. Dennoch darf nicht übersehen werden, daß die Kabinettsorder und der Konsistorialbeschluß nicht erlassen wurden, um noch in Gebrauch befindliche Gewandung zu verbieten. Diese sollten vielmehr erhalten bleiben, wo sie noch getragen wurden. Praktisch aber hat der schwarze Talar im deutschen Sprachraum alle andere Gewandung verdrängt. Es ist heute für uns überraschend, daß der Talar nicht nur für die "evangelischen Geistlichen", sondern auch für Rabbiner und Juristen vorgeschrieben wurde. Es handelt sich dabei also keineswegs, wie bei den Gewändern zuvor, um eine rein gottesdienstliche Kleidung. Hier werden nicht nur Grenzen zwischen Religionen verwischt. Vielmehr werden die den Gottesdienst leitenden Personen verschiedener Religionen untereinander und zudem amtierenden Richtern und Staatsanwälten, das heißt Staatsbeamten, gleichgestellt. Wie erklärt es sich, daß eine königlich-preußische Anordnung nicht nur in anderen Staaten, auch Preußen keineswegs wohlgesonnenen, übernommen und angewandt, sondern daß diese Neuerung auch über alle theologischen und kirchlichen Unterschiede hinweg ohne Diskussion akzeptiert wurde? Dies ist wohl in erster Linie darauf zurückzuführen, daß Gestalt und Farbe dieses Gewandes dem Zeitgeschmack in einer so überzeugenden Weise entsprachen, daß dahinter alle Einwände zurücktraten. Am Anfang des 19. Jahrhunderts hatte sich im Blick auf die Farbe ein großer und tiefgreifender Wandel vollzogen. Farbe trat danach weitgehend zurück. Der herrschende Empire-Stil war ganz auf Weiß reduziert. In der männlichen Kleidung, besonders in der festlichen, wurde die Buntheit durch das nun als feierlich empfundene Schwarz ersetzt. Farbe hielt sich nur noch in der Tracht auf dem Lande, bei der einfachen Bevölkerung. So spielt also auch die standesmäßige Stellung des Pfarrherrn eine nicht unwesentliche Rolle bei der Akzeptanz. Sie entsprach dem damaligen Amtsbewußtsein und Standesdenken. Der schwarze Talar ist also zweifellos ganz aus dem modischen Zeitgeist heraus geschaffen und angenommen worden. Seine gottesdienstliche Wirkung wurde dabei weniger bedacht. Aber Bilder, die Luther im schwarzen Standeskleid darstellten, schienen den preußischen schwarzen Talar nachträglich historisch zu legitimieren. Verdrängt wurden aber jene zahlreichen Darstellungen, die Luther beim Gottesdienst das Alltagsgewand tragend darstellten, und an den spätantiken Gewändern hielt man auch dann fest, als sie sonst außer Gebrauch gekommen waren. So hatte man ein Untergewand und ein Obergewand, und wie im Alltag trugen die niedriger Stehenden nur das Untergewand. Dies war die Tunika, ein weißes Gewand aus Leinen, das schon die ersten römischen Bischöfe trugen. Dieses Gewand, das von den ersten Christen stets in weißer Farbe verwendet wurde und von daher den Namen Alba bekam (albus = weiß). Mit Sicherheit war dies auch das weiße Kleid, das die Neugetauften erhielten. Anwendung der Alba oder Nichtanwendung war zur Lutherzeit und danach frei, aber die Tradition, daß der Leiter des Gottesdienstes die Alba nur bei der Eucharistie trug, wurde bei den Lutheranern weithin beibehalten. Die Predigt allerdings hielt man, damaligem Brauch gemäß, im Standesgewand (Mönchskutte, Professorenschaube, Soutane). Berühmtes Beispiel ist Luther, der bis 1524 in schwarzen Augustinerkutte, danach in der ebenfalls schwarzen Professorenschaube predigte. Dieses Praxis führte in manchen Gemeinden zu der Gewohnheit, daß der Liturg erst nach der Predigt ein kurzes, weitgeschnittenes weißes Gewand überzog, den sogenannten Chorrock (Chorhemd). Dieses Gewand hatte sich aus der Alba entwickelt und übernahm bei den geistlichen auch den Namen Alba.

Wir in Ostpreußen, die wir in der Tradition der Altpreußischen Union aus dem Jahre 1817 stehen, haben eher eine gebrochenes Verhältnis zu der (weißen) Alba aus Leinen mit Spitze und lieben den schlichten Talar mit weißem Beffchen am Hals. Aber so wichtig sind die Kleider auch nicht. Es gibt einen Spruch: "Nicht Textilien, sondern der Text ist wichtig". Da es sich aber um einen Gottesdienst handelt, der als festliche Versammlung des Volkes Gottes handelt, sollte der Pfarrer auch festlich gekleidet sein und nicht nur im schwarzen Talar erscheinen, in welchem er Kranken- und Sterbebesuche macht und Trauerfeiern (Begräbnisse) hält.

Die Alba mit Spitze soll ewas Besonders sein und als liturgisches Grundgewand, das weiße Kleid der Getauften, nicht nur in Nikolaiken getragen werden.

Foto: Bekleidet mit "Alba" und "Beffchen": Pastor Fryderyk Tegler (links) und Pfarrer Franciszek Czudek.


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