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20.01.07 / Der alte Ungeist lebt / SED-Erben contra Biermann: Mit faulen Ausreden gegen die Ehrenbürgerschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-07 vom 20. Januar 2007

Der alte Ungeist lebt
SED-Erben contra Biermann: Mit faulen Ausreden gegen die Ehrenbürgerschaft
von Peter Westphal

Die gesamtdeutsche Bedeutung des Dichters und Liedermachers Wolf Biermann sollte normalerweise außer Frage stehen. Der Schriftstellers Jurek Becker nannte die Ausbürgerung Biermanns im Jahre 1976 den "Anfang vom Ende der DDR". Schauspieler Manfred Krug bekannte bei seiner Ausreise aus der DDR, daß Biermann eine Art zweites Massenmedium gewesen sei, ein zusätzliches Radio-, Fernseh- und Theaterprogramm der DDR.

"Ein schauerliches Schauspiel" hingegen, um den ehemaligen Kulturstaatsminister Michael Naumann zu zitieren, findet derzeit hinter den Kulissen des Berliner Rathauses statt. Dort wird gerade das geschichtspolitische Verständnis der rot-roten Koalition auf die Probe gestellt, nachdem man ihr die Gretchenfrage gestellt hatte. Die lautet: Wie hältst du es mit Biermann? Der Vizepräsident des Abgeordnetenhauses und langjährige kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Uwe Lehmann-Brauns, hatte den Vorschlag eingebracht, Wolf Biermann die Ehrenbürgerwürde der deutschen Hauptstadt zu verleihen. "Mit seinem Mut", so Lehmann-Brauns, habe Biermann "der DDR die intellektuelle Glaubwürdigkeit genommen."

Die Ehrenbürgerwürde könnte jetzt ein Stück Wiedergutmachung leisten und eine Versöhnungsgeste der Stadt sein. Nach der deutschen Vereinigung hatte Biermann noch einmal vergeblich versucht, in seine vormalige Wohnung an der Chausseestraße 131 zurückzukehren, wo er bis zu seiner Ausbürgerung gelebt hatte. Die Wohnung war seinerzeit zur bekanntesten Privatadresse der DDR avanciert. Die Rückkehr scheiterte. In seiner ehemaligen Wohnung residiert heute ausgerechnet Hanno Harnisch, ehemals Pressesprecher der PDS und heute Feuilletonchef des einstigen SED-Zentralorgans "Neues Deutschland". Dieser war in den 70ern für die Stasi tätig gewesen, als IM "Egon" hatte er Biermanns Umfeld bespitzelt. Der Dichter äußerte später denn auch, daß er vor seiner Wohnung "alle zehn Meter einen ehemaligen Spitzel und alle elf Meter einen alten Freund" treffe.

Seine "vertrauten Feinde" finden sich noch immer in der Linkspartei/PDS. Die sperrt sich bislang vehement gegen einen Ehrenbürger Biermann. Heute stören sich die Dunkelroten angeblich an seiner Unterstützung für den Irakkrieg. "Als Friedenspartei" habe man deswegen "sehr viel Skepsis", argumentiert die Sprecherin der Linkspartei/PDS-Fraktion, Kathi Seefeld. Wenn diese ausgestellte "Sachlichkeit" keine unfreiwillige Komik ist - bei einer Partei, die sich dem Kampf gegen das bestehende Gesellschaftssystem verschrieben hat. Für "Zeit"-Herausgeber Naumann ist das Argument lächerlich: Wollte man die politischen Äußerungen Biermanns zum Maßstab machen, "würden vermutlich die meisten Dichter ihrer Ehrungen verlustig gehen", gerade auch unter Berlins Ehrenbürgern. Infam und ehrabschneidend erscheint die Ablehnung des parlamentarischen Geschäftsführers der Berliner SPD-Fraktion Christian Gaebler. Der behauptete, bisherige Ehrenbürger hätten mehr für die Stadt bewegt als Biermann. Daran hegen Kritker mit Blick auf die Liste der aktuellen Ehrenbürger berechtigte Zweifel, so bei dem kommunistischen Publizisten Wieland Herzfelde, der als Präsident des weitgehend gleichgeschalteten PEN-Zentrums der DDR von 1959-1970 eher Argumente für eine Streichung aus der Ehrenbürgerliste liefert. Doch dessen Titel wurde 1992 bestätigt, weshalb er nun Gesamtberliner Ehrenbürger ist.

Angesichts des bockigen Widerstands sieht sich inzwischen selbst die Bundespolitik genötigt, den Berlinern auf die Sprünge zu helfen. So äußerte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), die Ehrenbürgerschaft sei eine längst überfällige "Geste der demonstrativen Wiedereinbürgerung eines deutschen demokratischen Republikaners in die Hauptstadt". Anfang dieser Woche lud Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) den Dichter und Liedermacher zu einem Gespräch ins Kanzleramt. Die anhaltende Debatte um die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an einen Mann, der derart für die Freiheit der Kunst stehe, sei "eine kulturpolitische Blamage für den Berliner Senat", so Neumann. Wolf Biermanns Verdienste als politischer Dichter und Sänger seien unbestritten. Wie kaum ein anderer Künstler habe er mit seinen Liedern, Versen und Essays die gesellschaftlichen Debatten in Ost und West über Jahrzehnte geprägt. In Ost-Berlin sei seine Adresse in der Chausseestraße für viele Künstler und Intellektuelle Treffpunkt und Institution zugleich gewesen.

Die anstehende Entscheidung über die Ehrenbürgerschaft Wolf Biermanns hat eine geschichtspolitische Dimension: Votiert die Linkspartei/PDS dafür, stößt sie die alten Stasi-Kader und das ewiggestrige SED-Klientel vor den Kopf. Kann sich der Senat hingegen nicht zum 115. Berliner Ehrenbürger Wolf Biermann durchringen, wäre dies ein fatales Signal für die Geschichtshoheit in der deutschen Hauptstadt. "Die Verweigerung", so Michael Naumann, "wäre wie die Goldrahmung der Ausbürgerung" von 1976. Damals hatte Lyriker Biermann seine legendäre "Ballade vom preußischen Ikarus" geschrieben.

Die nächste Sitzung des Kulturausschusses am 22. Januar wird voraussichtlich darüber entscheiden, ob das Berliner Abgeordnetenhaus, das heute im alten Gebäude des Preußischen Landtags residiert, den großen deutschen Dichter abstürzen läßt.

Foto: "Preußischer Ikarus": Zum 30. Jahrestag seiner spektakulären Ausbürgerung aus der DDR 1976 verlieh Bundespräsident Horst Köhler dem Dichter und Liedermacher Wolf Biermann vergangenen November im Schloß Bellevue das Bundesverdienstkreuz.


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