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20.01.07 / Mit der Familie in die Heimat / Alfred Hoyer reiste mit den Seinen dorthin, wo vor 62 seine Flucht begann

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-07 vom 20. Januar 2007

Mit der Familie in die Heimat
Alfred Hoyer reiste mit den Seinen dorthin, wo vor 62 seine Flucht begann

In den letzten Tagen des Januar 1945 mußte Alfred Hoyer als Fünfjähriger seine Geburts- und Heimatstadt Königsberg zusammen mit seiner Mutter und zwei kleineren Brüdern verlassen. Über Pillau gelang ihnen damals die Flucht per Schiff nach Mecklenburg und ein Jahr später nach Dürwade bei Eckernförde. Sein halbes Leben lang reifte der Wunsch in ihm, einmal die Heimat besuchen zu dürfen - um dann schließlich doch noch in Erfüllung zu gehen. Mit einer neunköpfigen Reisegruppe aus Familienangehörigen unternahm man von Berlin-Tegel aus eine Flugreise nach Ostpreußen. Eine Woche lang sind sie von Königsberg aus über 1200 Kilometer durch Ostpreußen gefahren und haben nach den Spuren der Eltern und Großeltern gesucht, begleitet von der Reiseleiterin Irina Otchichenko aus Königsberg, die dort auch geboren ist.

Nach einem knapp einstündigen Flug landeten sie in Königsberg. Auch wenn dieser internationale Flughafen noch viel zu wünschen übrig läßt, war für einige von ihnen bereits der Augenblick recht ergreifend, als sie erstmalig nach über 61 Jahren wieder ostpreußischen Boden betraten. Dort wurden sie von ihrer Reiseleiterin in Empfang genommen und in das Hotel Sambia in Cranz gefahren. Ein erster Spaziergang über die Strandpromenade weckte bei Hoyer verschollene Erinnerungen an Badeausflüge mit der Mutter von Königsberg nach Cranz.

Der zweite Tag führte Hoyer und die Seinen über Königsberg nach Heinrichsdorf im Kreis Bartenstein. Dort besuchten sie die ehemalige Schule; diese war allerdings unbewohnt und abbruchreif. Der Hof der Großeltern und Eltern einiger Reiseteilnehmerinnen war leider vom Erdboden verschwunden. So wurde auf dem Grundstück ein Picknick abgehalten und an sie gedacht. Ein Besuch im nahegelegenen Friedland galt der um 1300 errichteten gotischen Kirche. Der orthodoxe Priester geleitete die Deutschen durch das im Stadium der Renovierung befindliche Gotteshaus und zu dem außerhalb der Kirche liegende alte Taufbecken, in dem zumindest eine Reiseteilnehmerin im Jahre 1941 getauft worden ist. Von der Kirchturmspitze genossen sie einen nachdenklichen Blick über die Heimat. Ein herrliches Feuerwerk vor dem Hotel Sambia in Cranz beendete diesen erlebnisreichen Tag.

Der dritte Tag führte die Familie zunächst in die mit deutscher Hilfe neu errichtete evangelisch-lutherische Auferstehungskirche in Königsberg. Die geplante Teilnahme an einem Gottesdienst mußte aus Zeitgründen leider ausfallen. Über die Wegstrecke, die Hoyer mit seiner Familie Ende Januar 1945 mit einem Lastkraftwagen von Königsberg aus gefahren ist, ging die Fahrt dann zunächst nach Pillau. Besonders ergreifend war für Hoyer der Moment, als er mit den Seinen dort auf der Mole stand, von der aus seine Mutter mit seinen Brüdern und ihm mit viel Glück auf einem Schiff nach Mecklenburg geflüchtet ist. Am Tag ihrer Reise wurde die "Wilhelm Gustloff" auf der Ostsee torpediert und riß Tausende von Flüchtlingen in den Tod. Erinnerungen an eine Nacht auf Stroh und an große Menschenmengen wurden wieder wach. Nachdem die Reisegruppe am Strand von Pillau Bernstein gesucht hatte, besichtigte sie in Palmnicken die Bernsteinfabrik und besuchte dann das Ostseebad Rauschen, auch heute wieder ein lebhaft genutzter Badeort der Region.

Der Königsberger Dom, das zehn Kilometer östlich der Pregelmetropole gelegene Neidtkeim und Aarau am Pregel waren die Ziele am vierten Tag der Reise in die Vergangenheit. Auch wenn die Gärtnerei Pohl in Neidkeim vom Erdboden verschwunden war, konnten die Reisenden doch das Grundstück eindeutig identifizieren und nach Spuren aus alten Zeiten suchen. Nicht zuletzt für die drei Töchter war es ein bewegender Moment, auf dem Gelände der ehemaligen elterlichen Gärtnerei zu stehen und die Gedanken in die Vergangenheit schweifen zu lassen. In Rodmannshöfen wurde das ehemalige Haus einer Tante besucht, welches von einem alten ehemaligen russischen Tierarzt bewohnt wird. Bedauernswert der Zustand des Grundstückes und des Arztes. In Aarau am Pregel besuchte man die alte Kirche, die derzeit mit Hilfe eines Hamburger Kuratoriums renoviert wird und die ehemalige Anlegestelle für die Ausflugsschiffe von Königsberg. Auch hier hat die Natur den Menschen besiegt. Ein Besuch des renovierten Königsberger Domes und des Kant-Museums stand am Ende dieses Tages. Der Weg zum Dom war geprägt durch unansehnliche Plattenbauten und aufgerissene Straßen.

Bei strahlendem Sonnenschein genoß die Familie einen wunderschönen fünften Tag auf der Kurischen Nehrung. Der herrliche Sandstrand erinnerte die Deutschen an den Lister Bogen auf Sylt. Der singende Sand, die tanzenden Bäume, der Besuch der Vogelwarte in Rossitten, ein erfrischendes Bad in der Ostsee und ein Picknick in den Dünen waren unvergeßlich schöne Augenblicke auf dieser Reise.

Labiau, Hindenburg und die Elchniederung waren am sechsten Tag die Reiseziele. In Hindenburg am Friedrichsgraben ließ die Familie sich von einer älteren Bewohnerin mit einem Boot zu dem Geburthaus der Großmutter von drei Reiseteilnehmerinnen übersetzen. Nach einer ausführlichen Besichtigung des Hauses fuhr sie weiter nach Hohenbruch / Lauknen. Während der Bombenangriffe auf Königsberg hat Hoyer dort mit seiner Familie zeitweise bei der Großmutter gewohnt. Nach dem Besuch ihres Hauses, einem Picknick auf dem Gelände der zerstörten Kirche und einer Visite des Ökologischen Zentrums eines Deutschen aus Berlin fuhren sie über abenteuerliche Wege weiter nach Klein Heinrichsdorf in der Elchniederung. Auch dieses ehemals von mehreren hundert Menschen bewohnte Dorf der Familie ist bis auf ein einziges Haus völlig vom Erdboden verschwunden. Nach einem Besuch der noch heute in Betrieb befindlichen Schule in Groß Friedrichsdorf ging es dann über Kreuzingen und Tapiau zurück nach Königsberg.

Den krönenden Abschluß der Reise bildete am siebten Tag eine ausführliche Stadtrundfahrt durch das alte und neue Königsberg. Nach jeweils kurzer Rast vor den ehemaligen Krankenhäusern St. Elisabeth und Katharinen, wo zwei der Reiseteilnehmer das Licht der Welt erblickt haben, folgte ein Besuch der ehemaligen Katharinenkirche, heute ein Konzertsaal, und der Selkestraße. Für Hoyer war es ein unvergeßlicher Augenblick, wieder vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie zu stehen. Weiter führte der Weg am Pregel entlang durch den Hafen und vorbei an zum Teil wieder sehenswert restaurierten alten Häusern im nordwestlichen Teil der Stadt. Nach den teilweise unansehnlichen Plattenbauten in der Innenstadt eine wirklich schöne Erfahrung. Ein weiterer Halt folgte am renovierten Hauptbahnhof. Von dort hatte Hoyers Mutter Ende Januar 1945 zunächst versucht, mit ihren drei Kindern nach Westen zu fliehen. Auch hier holten Hoyer die Erinnerungen ein. Leider war der Weg in den Westen damals bereits abgeschnitten, so blieb nur die Flucht von Pillau über die Ostsee. Während ein großer Teil der Gruppe nach einem sehr guten Mittagessen am ehemaligen Hansaplatz die Zeit für einen ausgiebigen Einkaufsbummel durch die modernen Einkaufszentren der Stadt nutzte, genoß Hoyer alleine einen Spaziergang um den schönen Schloßteich und überquerte dort die Brücke, die ihm aus frühen Kindertagen in Erinnerung war. Aus Zeitgründen offen blieb leider der Besuch des Tierparks.

Am achten Tag hieß es, Abschied zu nehmen. Abschied von der Heimat Ostpreußen und von der Reiseleiterin, die sie eine Woche lang begleitet hatte. A. H.

 

Alfred Hoyers Gesamteindruck der Reise in die Vergangenheit

Viele unvergeßliche Momente werden uns weiter begleiten und sicherlich zu einem zweiten Besuch von Königsberg veranlassen. Die dort lebenden Menschen waren durchweg freundlich, keine Spur von Feindlichkeit gegenüber Deutschen. Wie uns erzählt wurde, ist das Interesse der Russen an der Geschichte dieses über Jahrhunderte von Deutschen besiedelte Landes außerordentlich groß. Überrascht hat uns insbesondere die Information, daß an den Schulen über die deutsche Vergangenheit des nördlichen Ostpreußens unterrichtet wird und sogar regelrechte Wettbewerbe zur deutschen Geschichte stattfinden. Königsberg haben wir von zwei Seiten erlebt. Sicherlich wurde der überwiegende Teil der Innenstadt durch die Bombenangriffe im Sommer 1944 weitgehend zerstört und durch unansehnliche Plattenbauten ersetzt. Allerdings haben wir mehr als nur Kanaldeckel vorgefunden. So imponierten insbesondere der renovierte Hauptbahnhof, die Stadttore und viele sanierte alte Häuser im nordwestlichen Stadtgebiet. Die deutsche Vergangenheit ist meines Erachtens noch überall präsent. Bei meinem Spaziergang um den Schloßteich und über die erste Brücke, die mir aus der Kinderzeit in Erinnerung geblieben ist, konnte ich anhand der alten Stadtkarte eine Reihe alter Gebäude erkennen, zum Beispiel das Stadthaus, das Gewerkschaftshaus und das Städtische Krankenhaus. Viele Autofahrer führen im Nummernschild den Namen Königsberg und in unserem Hotel wurde das Bier einer heimischen Brauerei unter der Marke Königsberg verkauft. Ähnliche Bemühungen würden in der Bundesrepublik Deutschland unweigerlich mit dem Etikett Revanchismus belegt werden. Weniger erfreulich und durchweg bedauernswert ist der Zustand des ländlichen Teils der einstigen Kornkammer Ostpreußen. Die Felder waren bis auf wenige Ausnahmen weitgehend unbewirtschaftet und versteppt, die ehemaligen Dörfer zum großen Teil vom Erdboden verschwunden, die restlichen Gebäude meist verfallen.

Es stellt sich die Frage, was könnte man tun, um eine Verbesserung der Lebensbedingungen für die Menschen im nördlichen Ostpreußen zu erreichen?

Mein Vorschlag an die russische und die deutsche Regierung: Überwinden wir endlich die schreckliche Kriegszeit und bauen wir Brücken aus der langen gemeinsamen Geschichte beider Völker in eine gemeinsame Zukunft. Sicherlich wäre es an der Zeit, auch einmal darüber nachzudenken, wie das Unrecht gegenüber den vertriebenen Deutschen und ihren Nachkommen wenigstens teilweise gelindert werden kann.

Deutsche und Russen haben einen schrecklichen Krieg durchlebt und die Unterdrückung durch die Diktatoren Hitler und Stalin ertragen. Gemeinsam sollten wir deshalb nach geeigneten Möglichkeiten suchen, auch die vertriebenen Deutschen und ihre Nachfahren in geeigneter Form an dem Wiederaufbau ihrer Heimat mitwirken zu lassen, sofern es deren Wunsch ist. Ein erster Schritt und ein Zeichen des guten Willens wäre es, der Stadt ihren alten Namen zurückzugeben und Ostpreußens ehemaligen Bewohnern ein unbegrenztes Dauervisum einzuräumen.


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