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27.01.07 / Dutschkes später Sieg / Abstimmung: Berliner Kochstraße soll den Namen des radikalen Studentenführers tragen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-07 vom 27. Januar 2007

Dutschkes später Sieg
Abstimmung: Berliner Kochstraße soll den Namen des radikalen Studentenführers tragen
von Peter Westphal

Na, ich glaube, ihr seid bescheuert!", so hätte Rudi Dutschke die Kampagne kommentiert, mit der die linke "Tageszeitung" (taz) die Umbenennung der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße in den vergangenen Monaten vorangetrieben hatte.

Das meint zumindest dessen Sohn Marek, der hierbei den Altlinken Christian Ströbele zitiert, mit dem zusammen er in den vergangenen Tagen noch einmal auf der Straße für die Umbenennung agitiert hatte - erfolgreich, wie sich zeigen sollte.

Der lange "Marsch durch die Institutionen" führte diesmal über die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Friedrichshain-Kreuzberg. Dort hatten Grüne und PDS im August 2005 den Antrag eingebracht, die Kochstraße fortan nach dem 1979 verstorbenen Führer der 68er-Bewegung Rudi Dutschke zu benennen.

Die BVV, die diesem Vorschlag mehrheitlich zugestimmt hatte, war dabei einer Marketing-Aktion des ebenfalls an der Kochstraße liegenden "taz"-Verlages gefolgt, dessen Gebäude mittlerweile als Rudi-Dutschke-Haus firmiert.

Darüber hinaus gibt es schon seit mehreren Jahren in Berlin-Dahlem, wo die Freie Universität zu Hause ist, einen Rudi-Dutschke-Weg.

Die im Bezirksparlament von Friedrichshain-Kreuzberg nur als Splitterpartei vertretene CDU hatte sich bis zuletzt gegen die Umbenennung zu wehren versucht. Durch ein von ihr initiiertes Bürgerbegehren war es am vergangenen Sonntag zu einem Bürgerentscheid gekommen.

Dieser kostete nicht nur 200000 Euro, sondern nahm den Dutschke-Gegnern auch die (vor-)letzte Hoffnung, die beschlossene Umbenennung der Kochstraße rückgängig zu machen.

Von den etwa 182000 Stimmberechtigten beteiligten sich etwa 30700 Personen an dem Bürgerentscheid; das waren 16,6 Prozent und somit nur wenig mehr als das nötige Quorum von 15 Prozent. Von ihnen votierten 57,1 Prozent für die Umbenennung, nur 42,9 Prozent waren für die Beibehaltung des Namens Kochstraße - damit hat die "taz" und die mit ihr verbündete Regierung des Stadtbezirks vorerst gewonnen.

Wie fragwürdig dieser "demokratische" Akt derweil ist, offenbart ein genauerer Blick auf das Abstimmungsverhalten. Denn im direkten Einzugsgebiet der betroffenen Straße votierten über 75 Prozent der Bürger gegen die Umbenennung. Deren letzte Hoffnungen ruhen nun auf einer Klägergemeinschaft, die vor Gericht die Straßenumbenennung verhindern will. Zu den hier vertretenen Anrainern zählt auch die "Axel Springer AG", deren Verlagsgebäude in unmittelbarer Nachbarschaft der "taz"-Adresse liegt. Die vor dem Hause des Medienkonzerns verlaufende "Axel-Springer-Straße", die ebenfalls erst vor einigen Jahren - in einem Senatsakt - ihren Namen bekam, würde künftig direkt auf die Dutschke-Straße treffen.

Dieses sinnfällige Zusammentreffen jüngster geschichtspolitischer Entwicklungen begeistert die Anhänger der Dutschke-Straße über alle Maßen. Symbolisch gesehen würde damit Axel Springer auf ewig seinem Widersacher Rudi Dutschke begegnen müssen.

Für die publizistische Linke ist diese gleichnishafte Rückeroberung des städtischen Raums ein verheißungsvoller Sieg im geschichtspolitischen Straßenkampf - heute, da der Häuserkampf des alten West-Berlin, das Besetzen von leerstehenden Häusern und deren gewaltsame Räumung durch die Polizei, schon längst der Vergangenheit angehört.

Dennoch wird diese nur zu gern beschworen: So wird im hauseigenen Café der "taz" am Abend des Bürgerentscheids auf die Niederlage von CDU und Springer freudig angestoßen - unter den Klängen von Ton, Steine, Scherben ("Macht kaputt, was euch kaputt macht!").

Daß hinter dem Glorienschein der Ikone Dutschke der Schattenriß des RAF-Terrorismus sichtbar wird, scheint dabei nicht zu stören. Im Gegenteil: Am Tresentisch liegt die Broschüre "Dutschke und Du" aus, auf deren Titelblatt für die Botschaft Beate Klarsfelds geworben wird: "Mord kann gerecht sein". Dutschke, der die Idee einer deutschen Stadtguerilla propagierte, war denn auch gedanklich nicht so weit von den RAF-Köpfen entfernt. Am Grab von Holger Meins sprach er den berüchtigten Satz "Der Kampf geht weiter", der in der Geschichte der Rote-Armee-Fraktion zum bestimmenden Mantra werden sollte.

Dem Vergessen übergeben wird die eigentliche Geschichte der Straße. Lediglich der U-Bahnhof "Kochstraße (Checkpoint Charlie)" sowie ein Rumpfstück der bisherigen Kochstraße, die es schon seit 273 Jahren gibt, dürften demnach noch den angestammten Namen behalten.

Dabei hat dieser eine Berechtigung wie nur wenige andere Straßennamen. Mit ihm wird der Bäckermeister Johann Jakob Koch geehrt, der um 1724 Vizebürgermeister von Berlin war und der durch seine Spenden den Bau dieser Straße überhaupt erst ermöglichte. Solches Engagement scheint nicht mehr zeitgemäß. Heute soll ein Mann geehrt werden, der im Kinderwagen neben seinem Kind Sprengstoff transportierte, sich für Sabotageakte "gegen Transport, Telekommunikation, Häfen und Eisenbahn" aussprach und zur "Konfrontation mit der Staatsgewalt" aufrief.

Foto: Geschichtspolitischer Straßenkampf: Marek Dutschke, Grünen-Politiker und Sohn des Studentenführers, feiert die Umbenennung der Kochstraße.


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