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27.01.07 / Ein bißchen Kalter Krieg / Rußland liefert zum Ärger der USA Raketen an den Iran

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-07 vom 27. Januar 2007

Ein bißchen Kalter Krieg
Rußland liefert zum Ärger der USA Raketen an den Iran
von Hans Heckel

Die Gefahr eines internationalen Atomkrieges halten viele Experten mittlerweile wieder für so hoch wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Ins Zentrum der Befürchtungen

rücken dabei immer wieder besonders der Iran und Nordkorea. Während das Regime von Pjöngjang jedoch weithin isoliert ist, entwickelt sich Persien zum Scheitelpunkt einer sich zuspitzenden Kontroverse zwischen den Atommächten USA und Rußland.

Ungeachtet westlicher Proteste setzt Moskau die Auslieferung von Flugabwehrraketen an Teheran fort. Es handelt sich um insgesamt 29 "Tor-M1"-Flugabwehrkomplexe, von denen jeder einzelne mit acht "Sam"-Raketen bestückt ist. Sie können ankommende Flugzeuge ab einer Distanz von 25 Kilometern aufspüren und ab einer Entfernung von zwölf Kilometern in bis zu 6000 Metern Flughöhe abschießen.

Moskau betont, daß die Raketen, deren Lieferung im Dezember 2005 mit Teheran vereinbart worden war, keine Nuklearwaffenträger seien und so auch nicht unter das (von Rußland unterstützte) UN-Embargo fielen. Außerdem bedrohten sie wegen ihrer geringen Reichweite keine Nachbarländer.

Die USA und Israel sehen das anders. Zwar könnten die Raketen keine anderen Länder treffen, wohl aber die persischen Nuklearanlagen, in denen nach Auffassung von Washington und Tel Aviv Vorbereitungen zur Fertigung iranischer Atombomben laufen, gegen westliche Luftangriffe schützen. Die gelieferten Raketen sind nach russischer Darstellung imstande, sogar amerikanische Tarnkappenbomber vom Typ "Stealth" aufzupüren, die für gewöhnliches Radar unsichtbar sind. Die USA und Israel halten sich die Option eines Angriffs auf die iranischen Atomanlagen offen.

Moskaus Lieferung steht womöglich in direktem Zusammenhang mit der Aufstellung eines amerikanischen Raketenabwehrsystems in Polen und der Tschechei. Washington beteuert, daß diese ausschließlich als Schutzmaßnahme gegen etwaige iranische Fernwaffenangriffe gegen die europäischen Verbündeten gedacht seien. Rußland aber ist nicht bereit, das zu glauben. Das US-System sei "eine reale Gefahr für uns", ließ ein ranghoher Militär in Moskau verlauten.

So befinden sich die einstigen Hauptkontrahenten des Kalten Krieges abermals in einem, wenn auch bislang vergleichsweise überschaubaren, Wettrüsten. Ein Kuhhandel wie seinerzeit bei der Kuba-Krise ist indes nicht in Sicht. 1962 zogen die USA ihre (veralteten) "Jupiter"-Raketen aus der Türkei ab als Gegenleistung dafür, daß die Sowjetunion ihre Systeme von Kuba wieder zurücknahm. Sind die "Tor-M1"-Komplexe jedoch erst im Iran, kann Moskau nicht mehr so ohne weiteres über sie verfügen wie seinerzeit über die Waffen auf der Karibikinsel.

Ohnedies betrachtet Moskau die US-Expansion in dem gesamten, strategisch wichtigen und für die Energieversorgung der Welt unverzichtbaren Raum vom Persischen Golf bis weit nach Zentralasien mit äußerstem Unbehagen. Alte Einkreisungsängste tauchen wieder auf - da das Polarmeer kein Hindernis für moderne Waffensysteme ist, sieht sich Rußland in allen Himmelsrichtungen von amerikanischen Stützpunkten und Verbündeten umzingelt. Bei dem Willen, diesen Ring zu durchbrechen, ist der Kreml daher nicht wählerisch.

Von ferne betrachtet erscheint die Außenpolitik des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad durchaus erfolgreich. Unverkennbar ist es ihm gelungen, die latente Rivalität zwischen Moskau und Washington für seine Zwecke zu nutzen. Indes ist der Staatschef auch ein Getriebener, was die Lage nur noch explosiver macht. Der Druck kommt, von der Weltöffentlichkeit kaum zu Kenntnis genommen, von innen.

Ahmadinedschads Reise nach Lateinamerika, der dort einige Gegner der USA hofierte, wurde weltweit eher oberflächlich als weiterer außenpolitischer Coup des islamistischen Präsidenten verbucht. Im Iran selbst jedoch wird der Nutzen solcher Ausflüge offen und erstaunlich aggressiv bezeifelt. Die reformorientierte persische Zeitung "Etemad Melli" schimpfte nach dem Besuch: "Während uns die USA mit einer großen Luftstreitmacht umringen und Condoleezza Rice die Nachbarländer des Iran besucht, trifft sich der iranische Präsident mit den Freunden Fidel Castros ... Glauben Sie, daß Leute wie Hugo Chávez, Rafael Correa und Daniel Ortega die strategischen Verbündeten des Iran sein können? Die linken Freunde sind gut für Kaffeehausdebatten, aber nicht, um unsere Belange bei der Sicherheit, der internationalen und der Wirtschaftspolitik zu sichern."

Venezuelas linker Präsident Chávez und seine nicht minder roten, gerade erst ins Amt gelangten Amtskollegen Correa (Equador) und Ortega (Nicaragua) hatten mit Ahmadinedschad einen vor allem symbolischen Pakt gegen den "US-Imperialismus" geschlossen, dem kaum konkrete gemeinsame Aktionen folgen dürften.

Die Unzufriedenheit mit dem Präsidenten reibt sich aber nicht allein an außenpolitischen Eskapaden. So unterzeichneten 150 von insgesamt 290 Parlamentsabgeordneten eine Resolution, in welcher sie Ahmadinedschad die galoppierende Inflation von 15 Prozent vorhalten. Zudem bemängeln die Parlamentarier, daß der Staatschef trotz der hohen Ölpreise, die viel Geld in die Staatskasse spülen, das Haushaltsdefizit nicht in den Griff bekomme. Ahmadinedschad ist Gefangener seiner eigenen Versprechungen sozialer Wohltaten, die den Finanzrahmen sprengen, ihm aber die Unterstützung der unteren Schichten bringen wie etwa billige Kredite an junge Familien. Die Einführung eines Mindestlohns führte gar zum Aufruhr, weil die Bäcker des Landes infolge der gestiegenen Lohnkosten die Brotpreise dramatisch anhoben.

Für die USA sind dies gute Nachrichten. Jüngste Truppenverlagerungen - wie die Entsendung eines weiteren Flugzeugträgers - zielen nach Meinung von Beobachtern darauf, Ahmadinedschad (am besten mit Hilfe eines unzufriedenen iranischen Volkes) zu Fall zu bringen.

Foto: Auf Suche nach Verbündeten: Mahmud Ahmadinedschad in Nicaragua. Aber auch Rußland ist ihm milder gestimmt als dem Westen lieb ist.

 

Zeitzeugen

Ruhollah Khomeini - Der 1900 in Khomein geborene Ayatollah wurde zur Führungsfigur der Islamischen Revolution. Nach dem Sturz des Schahs war er bis zu seinem Tod 1989 als Oberster Rechtsgelehrter Staatsoberhaupt der Islamischen Republik Iran.

Mahmud Ahmadinedschad - Der 1956 geborene promovierte Bauingenieur stammt aus einfachen Verhältnissen. Bescheidenheit und Volksnähe gehören denn auch ebenso zum Image des seit 2005 amtierenden Präsidenten wie religiöse Radikalität und (verbale) Attacken gegen Israel und die USA. Entschieden vertritt er den bei seinen Landsleuten populären Standpunkt, daß auch ihr Land ein Recht auf die friedliche Nutzung der Atomkraft habe. Daß er die Atombombe wolle, bestreitet er, wird ihm aber unterstellt.

Mohammed Reza Pahlavi - Nachdem die Engländer in Zusammenarbeit mit den Russen seinen Vater gestürzt hatten, bestieg der Iraner 1941 den Pfauenthron. Er setzte die väterliche Politik einer Trennung von Kirche und Staat fort. Sein erstes Exil 1953 wurde zum Schlüsselerlebnis. Danach errichtete er eine Diktatur. Mit Hilfe der Öleinnahmen und der USA versuchte er, sein Land zu einer modernen Großmacht zu machen. Modernisierung und Wohlstand erreichten jedoch breite Teile der Bevölkerung nicht. 1979 ging er abermals ins Exil, wo er 1980 starb.

Soraya Esfandiary Bakhtiari - Die 1932 in Isfahan geborene Deutsch-Iranerin heiratete 1951 Schah Reza Pahlavi. Obwohl die beiden als Traumpaar galten, ließ er sich von ihr 1958 aus Gründen der Staatsräson scheiden, da sie keine Kinder bekam. Sie starb 2001 in Paris.

Schapur Bachtiar - Um die Revolution abzuwenden, ernannte der Schah 1978 den gemäßigten Oppositionellen zum Regierungschef. Der Versuch scheiterte jedoch. Kurz nach dem Schah wurde auch der Ministerpräsident von der Islamischen Revolution hinweggefegt. Im französischen Exil wurde Bachtiar eine Führungsfigur der iranischen Opposition. Möglicherweise kostete ihn das das Leben. 1991 wurde er mit seinem Sekretär in seiner Wohnung ermordet.


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