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27.01.07 / "Die zahme, die wilde, die sanft säuselnde und die krachende Reklame"

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-07 vom 27. Januar 2007

"Die zahme, die wilde, die sanft säuselnde und die krachende Reklame"

Schläft ein Lied in allen Dingen, die da träumen fort und fort, und die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort." Diese romantischen Zeilen des Dichters Joseph von Eichendorff mögen einmal auf etwas ganz Banales bezogen werden: die Werbung. Denn auch dort wirkt das richtige Wort am richtigen Ort oft Wunder. Auf Plakaten zum Beispiel. Wer vermag sie sich aus dem Bild unserer Städte überhaupt noch wegzudenken, mögen sie manches Mal auch noch so marktschreierisch daherkommen. Schon 1887 beschwerte sich Rudolf Cronau in seinem "Buch der Reklame", daß man ihr auf Schritt und Tritt begegne, überall sei sie zugegen, "die zahme, die wilde, die sanft säuselnde und die krachende Reklame, die stetige, die umherfliegende, die umherfahrende, die umhergetragene". Mit der Erfindung der Lithographie durch Alois Senefelder 1796 war es preiswert geworden, Werbematerialien zu verbreiten.

Bald nahm die wilde Plakatkleberei derart überhand, daß in Berlin die sogenannte "Preßverordnung vom Juli 1849" jeglichen Plakatanschlag untersagte, es sei denn, die Plakate enthielten Mitteilungen der Regierung. Schon 200 Jahre zuvor war man in Frankreich durchaus beunruhigt durch wilde Plakate, da man politische Unruhen befürchtete. Per königlichem Dekret wurde in solchen Zeiten die Plakatierung verboten und 1654 sogar mit der Todesstrafe belegt.

Öffentliche Bekanntmachungen und private Meinungsäußerungen sind jedoch beileibe keine Erfindung unserer Zeit. So fand man bei den Ausgrabungen in Pompeji und Herculaneum Wände, auf denen in roter und schwarzer Farbe amtliche Bekanntmachungen zu lesen waren. Einigen Bürgern schien das zuviel. So las man auf verschiedenen Wänden diesen Text: "Wand, ich bewundere dich, daß du noch nicht zusammengebrochen, soviel ödes Geschwätz bist du zu tragen verdammt."

Wände mußten ab dem 1. Juli 1855 weniger herhalten, zumindest in Berlin. Dort nämlich hatte Ernst Litfaß die Erlaubnis erhalten, die ersten Anschlagsäulen zu errichten. Gleichzeitig erhielt er die alleinige Konzession für den Plakatanschlag, der in seiner freien Form insgesamt verboten wurde. So neu war die Idee der Anschlagsäule nicht, denn bereits 1660 waren sogenannte Klebesäulen in Dresden bekannt. Und in London hatte George Samuel Harris schon 1824 eine Plakatsäule entworfen, die sich mechanisch drehte und auf einem Wagen durch die Stadt gezogen werden konnte. Der Clou: Sie konnte von innen beleuchtet werden. Ernst Litfaß aber hatte in Deutschland mit seinen bald nach ihm benannten Säulen Erfolg, und noch heute stehen sie an fast jeder Straßenecke, beklebt mit mehr oder weniger schönen Plakaten. (os)


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