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27.01.07 / Kreuzworträtsel / Im Banne eines gefährlichen Hobbys

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-07 vom 27. Januar 2007

Kreuzworträtsel
Im Banne eines gefährlichen Hobbys
von Frieda-Louise Drent

Anfangs freute Liselotte sich darüber, daß ihr Mann Kurt endlich ein Hobby entdeckt hatte, das ihm Spaß machte: Das Lösen von Kreuzworträtseln. Da konnte sie aber noch nicht ahnen, daß diese Beschäftigung in eine regelrechte Sucht ausarten sollte. Seit sie und Kurt nach seiner Pensionierung andauernd zusammen waren, fühlte Liselotte sich, ehrlich gesagt, ab und zu ziemlich eingeengt. Statt sich ihren Tag wie vorher nach ihrem Sinn einteilen zu können, mußte sie jetzt immerfort Rücksicht auf ihren Gatten nehmen, der regelmäßig etwas essen oder trinken wollte oder sie sonst irgendwie mit Beschlag belegte und dabei nicht auf den Gedanken kam, ihr im Haushalt ein wenig zur Hand zu gehen. Sie durfte schon dankbar sein, wenn er gelegentlich (nach wiederholtem Bitten) den Rasen mähte. Ja, sie hatte sich die Zeit des Rentnerdaseins eigentlich ganz anders vorgestellt.

Jetzt hatte er sich mit einem Stoß Rätselhefte eingedeckt und kam fast gar nicht mehr in Bewegung - und dachte auch nicht mehr dauernd ans Essen und Trinken. Das war für Liselotte zwar zunächst etwas ruhiger, aber allmählich fing sie doch an, sich über ihren kaum noch ansprechbaren Ehepartner aufzuregen. Ein halbwegs vernünftiges Gespräch war nicht mehr möglich und sogar während der Mahlzeiten war er noch manchmal mit seinen Rätseln beschäftigt. An gemeinsame Konzert- oder Theaterbesuche, Treffen mit Freunden und dergleichen war gar nicht mehr zu denken. Kurz, Liselotte hatte überhaupt nichts mehr von ihrem Ehemann.

Fieberhaft überlegte sie, wie sie ihn von seiner Sucht abbringen könnte. Alle möglichen Tricks wandte sie an, um ihn von seinen Rätseln wegzulocken. Vergebens! Schließlich versuchte sie es mit einer Reise. Mit großer Mühe gelang es ihr, Kurt zu einer zehntägigen Urlaubsreise nach Italien zu überreden.

Leider ließ Kurt aber auch in Italien nicht von seinen Kreuzworträtseln ab. Statt sich an den Ausflügen und Besichtigungen zu beteiligen, richtete er sich schön gemütlich mit seinen Rätselheften auf der Hotelterrasse ein. "Geh du nur allein, Lotte! Ich bleibe lieber hier! Viel Spaß auch!"

"Wenn du denkst, daß du immer so weitermachen kannst, dann irrst du dich gewaltig, mein Lieber! Ich werde nach diesem Urlaub meine Konsequenzen ziehen!" "Ja, ja ... Ist gut ..." Wie üblich hörte er ihr gar nicht zu.

Verzweifelter als sie in Urlaub gefahren war, kam Liselotte zurück nach Hause. Sie verstand einfach nicht, wie es zu dieser grotesken Situation kommen konnte. Immerhin hatten sie und Kurt sich doch einmal sehr geliebt, und sie konnte doch auch auf eine durchweg glückliche Ehe zurückblicken. Sollte das alles denn nun auf eine so absurde Weise zu Ende gehen?

Schließlich sah Liselotte nur noch einen Ausweg: Sie stürzte sich - ebenfalls ins Rätselraten!

Kurt freute sich sehr, als er nach einigen Stunden endlich bemerk-te, daß seine Gattin offenbar dem selben Hobby verfallen war. Aber da war ihm natürlich noch nicht bewußt, daß von nun an in ihrem Haushalt nichts, aber auch wirklich gar nichts mehr funktionieren sollte. "Sag mal, Lotte, gibt's heute eigentlich nichts zu essen?"

"Hmm ... wie? Ach, mach' dir doch bitte selbst irgendwas, ja? Es paßt mir im Moment gar nicht! Vielleicht machst du auch gleich was für mich, mein Schatz? Das ist lieb!"

Das kam ihm zwar sehr ungelegen, aber am Ende siegte doch der Hunger.

In den nächsten Tagen wurde bei Lotte und Kurt nur noch das wirklich Allernötigste erledigt, und auch das nur so flüchtig wie möglich, damit es gleich wieder mit den Kreuzworträtseln weiter- gehen konnte. Vernünftige, schmackhafte und gesunde Mahlzeiten - wie sonst üblich - gab es nicht mehr. Stattdessen nahmen sie zum ersten Mal in ihrem Leben öfter einen Pizzaservice in Anspruch! Nach einer guten Woche - Kühlschrank, Keller und Schränke waren leer, frische Wäsche war nirgends mehr zu finden - erhob Kurt sich eines Abends plötzlich, legte sein Rätselheft beiseite und stellte sich vor seine Frau, die scheinbar völlig in ihr Kreuzworträtsel vertieft war. Mit einer auffallend zärtlichen Gebärde nahm er ihr das Heft aus den Händen.

"Genug, meine liebe Lotte! Deine ,Therapie' hat gewirkt! Du hast mir eindrucksvoll die Augen geöffnet! Es war auch wirklich zu albern, wie ich mich angestellt habe! Kannst du mir verzeihen? Ich gelobe auch Besserung, Ehrenwort!"

Eine herzliche Umarmung folgte diesen Worten.

"Komm! Ich lade dich zum Essen ein! Beim Griechen? Hast du Lust?"

Und ob sie Lust hatte! Zum ersten Mal seit seiner unseligen Rätselleidenschaft verbrachten sie einen wunderschönen Abend zusammen. Beim köstlichen Essen planten sie, wie sie ihr künftiges Leben gestalten wollten. Vieles wollten sie gemeinsam unternehmen. Und der Haushalt sollte nicht mehr ausschließlich Liselottes Aufgabe sein.

"Aber ab und zu wollen wir auch ein Kreuzworträtsel lösen, nichtwahr, Kurt?"

"Natürlich, meine Liebe! Wenn es nur nicht in eine Sucht ausartet!"


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