28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.02.07 / Kleine Franzosen aus Afrika / In Frankreich werden wieder mehr Kinder geboren, doch ihre Mütter sind selten Einheimische

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-07 vom 03. Februar 2007

Kleine Franzosen aus Afrika
In Frankreich werden wieder mehr Kinder geboren, doch ihre Mütter sind selten Einheimische
von Jean-Paul Picaper

Mit 2,07 Kindern pro Frau, so lautete im Januar die gute Nachricht, liegt die Geburtenfreudigkeit Frankreichs mit der des katholischen Irland an der Spitze in Europa. Im letzten Jahr wurden 830900 Kinder geboren, was seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr geschehen war.

Dabei war bis 1993 die Geburtenrate zurückgegangen. Aber die Maßnahmen, die damals beschlossen wurden, haben Früchte getragen. So zum Beispiel eine fiskalische Politik, der Ausbau von Teilzeitarbeit, die Kita-Grundschule ab zwei Jahren sowie zahlreiche Familienhilfen zu Hause, die es vielen Frauen ermöglichen, zu arbeiten und Mutter zu sein. Zwar gibt es immer weniger Eheschließungen, aber der 1999 (auch für Homosexuelle) gegründete "Solidarpakt" macht es Unverheirateten einfacher, Kinder zu bekommen. Jedes zweite Kind wird heute "unehelich" geboren.

Trotz einer für Europa vergleichsweise hohen Geburtenrate nimmt aber auch in Frankreich die Überalterung der Bevölkerung zu (bis 2030 wird die Zahl der über 65jährigen Menschen, derzeit 16,2 Prozent, um 60 Prozent steigen). Zudem bekommen die einheimischen Französinnen deutlich weniger Kinder als die Zuwanderinnen. Diese Erkenntnis wird allerdings nicht in den Vordergrund gerückt, zumal es in Frankreich verboten ist, die Bevölkerung nach ethnischen Vorgaben zu erfassen. Seltsam ist auch, daß die Zahl der Mütter abnimmt, während die der Geburten steigt. Hinzu kommt, daß Frauen ihr erstes Kind immer später bekommen: Während junge Mütter vor 20 Jahren im Durchschnitt 27 Jahre waren, sind sie heute 30 Jahre alt.

Laut dem Bevölkerungsexperten Gérard-François Dumont beträgt die durchschnittliche Zahl der Geburten bei den Französinnen, Zugewanderte inbegriffen, nur 1,8 Kinder pro Frau. In der Januarausgabe seiner Zeitschrift "Population et Avenir" ("Bevölkerung und Zukunft") bestreitet er, daß der Wert von zwei Kindern erreicht wird. Darüber hinaus, schreibt er, liege die Zahl der Kinder pro nordafrikanischer Frau bei 3,25, pro schwarzafrikanischer Frau bei 4,07, bei türkischen Frauen bei 3,35 und bei den Asiatinnen bei 2,83, also klar höher als bei den Stammfranzösinnen, die keineswegs mehr Kinder als ihre europäischen Nachbarinnen auf die Welt brächten. Laut Dumont ist die Hälfte der Geburtenzunahme auf die Zuwanderung zurückzuführen. Das "Statistische Nationalamt" (INSEE) gibt zu, daß zwölf Prozent der Geburten heute von ausländischen oder ausländischstämmigen Frauen stammen, während es 1996 noch 9,6 Prozent waren.

Dumont und andere Wissenschaftler widersprechen den ideologisch ausgerichteten Untersuchungen des INSEE und des staatlichen Instituts für demographische Studien INED. "Seit 25 Jahren werden die Franzosen zu der Frage der Migrationstrends belogen", schreibt Dumont. Die Bevölkerungsexpertin Michèle Tribalat greift in der Januarausgabe der "Revue générale de stratégie" den Direktor des INED, François Héran, an, der am 4. Januar in der linken Wochenzeitung "Le Nouvel Observateur" eine "neue Ära der Immigration" pries. Héran, Autor des Buches "Le temps des immigrés" ("Die Zeit der Einwanderung"), gibt zu, daß die Immigration "in einigen Jahren der Hauptmotor des Wachstums" sein wird und begrüßt das. Im Département der Seine-Saint-Denis, das Paris angrenzt, stellt sie einen "Rückgang der Jugend französischer Herkunft und ein unglaubliches Wachstum derjenigen ausländischer Abstammung" fest, so daß "sich ein Prozeß des Bevölkerungsaustauschs abzeichnet, der für Paris und dessen nahes Umland in seiner Ganzheit charakteristisch" ist. Michèle Tribalat meint, daß dieser Prozeß des Bevölkerungsaustausches viele Städte und Bezirke überrollt und lokale wie regionale Territorialteilungen bewirke und daß diese ethnischen Konzentrationen, die vor allem Ansammlungen moslemischer Bevölkerung schafften, zu "Enklaven führen könnten, in denen politische Forderungen nach Ausnahmerechten auf der Grundlage von ethnisch-religiösen Kriterien und generell nach Gleichbehandlungskriterien, die die gesamte französischen Gesellschaft verändern würden", entstehen würden.

Es wirkt schon wie eine Rückkehr nach Europa, wenn man von einer französischen Großtadt wie Paris, Lyon, Marseille oder Bordeaux nach Deutschland herüberfährt. Auf deutschen Straßen sieht man kaum dunkle und fast nur weiße Gesichter. Trotz der starken türkischen Präsenz fehlt in deutschen Städten die bunte ethnische Mischung, die für Frankreich zunehmend typisch wird. Das Straßenbild in Deutschland, in den skandinavischen Staaten, in den neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, besonders im Osten Europas, wirkt daher im Vergleich zu Frankreich beinah zu "eintönig".

Diese Eindrücke zeigen, daß Franzosen und Frankreich-Besucher sich allmählich an die ethnische "Mischung" gewöhnen und sich zunehmend mit einem exotischen Frankreich arrangieren.

Die ethnische Vielfalt ist politisch auch eindeutig gewollt. Schon Giscard d'Estaing, nach ihm Chirac und die linken politischen Kräfte sowieso wollten und wollen aus Frankreich ein bevölkerungsstarkes Land machen, das mehr Dynamik als die Partnerstaaten in Europa entwickelt. Da bot und bietet sich das unerschöpfliche Reservoir der ehemaligen Kolonien an. Warum nicht mit beiden Händen daraus schöpfen?

Wird Frankreich bald zu einem europäischen Brasilien? Diese Frage hat eine wissenschaftliche Antwort: Ab welcher kritischen Masse kippt eine Bevölkerung um und wird eine andere? Mit der Bevölkerung verändern sich auch Sprache und Kultur, denn Assimilation hat finanzielle und psychologische Grenzen.

Foto: Die Politik wurde familienfreundlicher: Staatspräsident Chirac ganz volksnah.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren