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03.02.07 / Liebevoller Familienzwist / Deutsch-jüdische Auswandererin über ihre Zeit in Amerika

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-07 vom 03. Februar 2007

Liebevoller Familienzwist
Deutsch-jüdische Auswandererin über ihre Zeit in Amerika

In dem nun auch als Taschenbuch erschienenen, erfolgreichen Roman "Großmama packt aus" erzählt die Großmutter der Autorin, Elisabeth Rother, aus ihrem Leben. Angefangen bei ihrer Hochzeit mit Carl Rother, einem jüdischen Chirurgen, über die Flucht vor den Nationalsozialisten nach Amerika bis zur Geschichte ihrer Tochter Renate und ihrer komplizierten und undurchsichtigen Enkelin Irene. Als es in Deutschland für Doktor Rother zu gefährlich wird, verläßt er seine Heimat Leobschütz, da Elisabeths Brüder, alles Nazis, ihm keine Zuflucht gewähren wollen, und immigriert nach Amerika.

Bald darauf folgen seine Frau und Tochter Renate in die neue unbekannte Welt. Doch auch in dieser für sie alles andere als einfachen Lage verliert Elisabeth Rother weder ihren Humor noch ihren unerschütterlichen Glauben an Gott sowie ihre geheiligten moralischen Wertvorstellungen.

"Wir griffen nach unseren Koffern und schleppten sie in dieses große Unbekannte. Bis jetzt war ihr Gewicht für uns eine Quelle der Zuversicht gewesen. Unsere Besitztümer. Jetzt wurden sie zum Fluch ... Carl führte uns vom Hafen immer weiter bergauf in die Stadt. ,Uptown eben', sagte Renate. Ich segnete den Führer dafür, daß er uns nur einen Koffer pro Nase genehmigt hatte."

In diesem Roman prallen die Gefühlswelten und Verhaltensvorstellungen dreier Generationen erbarmungslos aufeinander. So kann die katholische, Geschlechtsverkehr verabscheuende Elisabeth, die Leidenschaft ihrer Tochter, Leichen zu sezieren, und ihre sexuelle Beziehung zu dem studierten chaotischen Dische nicht im geringsten nachvollziehen.

Auch ihre nicht sonderlich attraktive Enkelin Irene, auch "Yankee" genannt, die nicht gewillt zu sein scheint, irgendwelche Regeln zu akzeptieren, und immer nur mit ihrem sturen Kopf und abstrusen Ideen durch die Wand will, stellt Elisabeth immer wieder vor neue Rätsel. ",Bitte schickt Geld für Heimflug. Western Union Venedig. Alles Liebe Irene'. ,Irene' und das Wörtchen ,bitte' fielen uns gleich angenehm auf an diesem Telegramm. ,Alles Liebe' war eine Steigerung von ,bitte' - es bedeutete ,bitte, bitte'. Renate war ganz aus dem Häuschen vor Freude. So ist die Mutterliebe - mir geht es genauso ... Das Geld wurde abgehoben. Und dann hörten wir mehrere Monate lang nichts mehr ... Ich ahnte nicht, daß sie, statt nach Hause zu kommen, wieder in die Ferne zog, diesmal Richtung Süden, bis Nordafrika."

Unverständnis für das Verhalten des anderen und das deutliche Zeigen von Mißfallen der Familienmitglieder untereinander schaffen es jedoch nicht zu verbergen, daß Blut trotz allem immer dicker als Wasser ist und daß sich alle Angehörigen dieser Familie, auch wenn es nicht immer ganz offensichtlich ist, im Endeffekt sehr liebhaben.

Ein sehr interessanter Roman, dessen Handlung immer wieder ungeahnte Wendungen nimmt und bei dem es dem Leser überlassen bleibt, mit welchem Familienmitglied er sich am meisten identifiziert. A. Ney

Irene Dische: "Großmama packt aus", dtv, München 2006, broschiert, 379 Seiten, 9,50 Euro, Best.-Nr. 6044


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