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17.02.07 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-07 vom 17. Februar 2007

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

unermüdlich ist Herr Alfred Albrecht in der Familien- und Heimatforschung tätig, aber auch er muß wie wir feststellen, daß die Zeitspanne immer größere Lücken reißt. Wir sind für ihn wieder einmal die letzte Hoffnung, ein Familienbild zu vervollständigen - möge es gelingen. Es geht um Erika Grete Felchner aus dem masurischen Dorschen, Kreis Lyck, * 24. April 1927 in Trotzigsberg, Kreis Sensburg. 1943 hat Erika Felchner ihr Pflichtjahr angetreten, wahrscheinlich bei einer Familie Peters in der Kaiser-Wilhelm-Straße 36 in Lyck, in der sie die vier Kinder im Alter zwischen vier und zwölf Jahren betreute. Mit dieser Familie ging sie dann gemeinsam auf die Flucht, die sie nach Mecklenburg vermutlich in den Raum Malchin-Stavenhagen führte. Von dort soll die Familie später allein in den Westen gegangen sein. Was ist aus Erika Felchner geworden? Ein gerettetes Foto zeigt ein schlankes, hochgewachsenes Mädchen mit schmalem Gesicht und kurzen dunkelblonden oder braunen Haaren. Es ist nun der Wunsch des Suchenden in Erfahrung zu bringen, wo die Nachkommen der Familie aus Lyck leben, um sie nach dem ehemaligen Pflichtjahrmädchen befragen zu können. Bei den von ihr betreuten Kindern handelt es sich um vier Mädchen, deren Vornamen nur vage angegeben werden können: Frauke - Franka - Ruth? Sie dürften sicherlich durch Heirat andere Namen tragen, und es ist auch fraglich, ob sie diese Zeilen lesen. Aber vielleicht helfen alte Lycker oder Freunde der Familie weiter. (Familien- und Heimatforschung Alfred Albrecht, Kurt-Bennewitz-Straße 35 in 04838 Eilenburg, Telefon 0 34 23 / 65 93 77.)

Da hat unsere Ostpreußische Familie wieder einmal gespurt: Zur Frage unseres Lesers Michael Magdziok nach dem Geburtsort seines Großvaters kamen so viele Zuschriften, daß ich geradezu überwältigt war. Aber nicht nur die Anzahl überraschte, sondern vielmehr noch die präzisen Aufzeichnungen, die beweisen, wie intensiv sich unsere Leser und Leserinnen mit dem Suchwunsch beschäftigten - wobei ich bewußt die männlichen Schreiber zuerst nenne, denn sie waren diesmal weit in der Überzahl. Es ging um den Ort Hindenburg im Großen Moosbruch, in dem der Großvater des Suchenden, Herbert Magdziok geboren wurde - vermutlich, so hätte der Enkel schreiben sollen, denn es stellte sich durch unsere Leser heraus, daß es sich nicht um das ostpreußische Hindenburg, sondern um die in Oberschlesien gelegene Industriestadt handelt. Ich war auch beim Bearbeiten des Falles etwas stutzig geworden, da der Schreiber erwähnt hatte, daß sein Urgroßvater aus Klein Zabrze stammte, das angeblich bei Hindenburg im Kreis Labiau gelegen haben soll. Den Namen konnte ich in meinen Ortsverzeichnissen nicht finden, deshalb nahm ich an, daß er fehlerhaft geschrieben war, vielleicht war er nur mündlich weitergegeben worden - na, und was da manchmal bei unseren alten ostpreußischen Ortsnamen herauskommt, haben wir schon oft genug erfahren müssen. So aber klang der Name polnisch und paßte damit überhaupt nicht in die Landschaft. Trotzdem kam ich nicht auf die Idee, daß das oberschlesische Hindenburg gemeint war, weil die Herkunftsorte anderer Vorfahren, die Herr Magdziok ebenfalls suchte, in Ostpreußen lagen. Es gibt auch noch weitere Orte dieses Namens in Pommern und bei Wittenberge. Aber nun steht kraft der Bemühungen unserer Leser einwandfrei fest, daß es sich um das oberschlesische Hindenburg handelt, das bis 1915 Zabrze hieß, dann in Hindenburg umbenannt wurde wie drei Jahre später auch der Ort Groß Friedrichsgraben I im Großen Moosbruch. Seit 1945 trägt die oberschlesische Industriemetropole wieder den polnischen Namen. Aber was ist nun mit "Klein-Zabrze"? Das konnten die meisten Leser trotz emsiger Bemühungen nicht ausmachen, vermuteten, daß es sich um einen nichtamtlichen, volkstümlichen Namen handelte - aber dann gab es doch die richtige Lösung. Jürgen Erdmann fand im Internet die Geschichte des Ortes von 1305, aus der hervorgeht, daß mit der Gründung der Kohlengrube im Jahre 1790 deren Arbeiter in Klein-Zabrze angesiedelt wurden. 1905 wurden die verschiedenen Dörfer zur Gemeinde Zabrze vereint. Auch Günther Lotzkat fand in seinem Andrees-Atlas von 1893 die Orte Alt- und Klein-Zabrze als Vorläufer des späteren Hindenburg. Da muß Herr Magdziok also in Oberschlesien weiter suchen. Hilfestellung gaben ihm schon unsere so emsigen Aufspürer, die auf die Forschungsmöglichkeiten bei den Mormonen (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage) hinwiesen. Herr Hans-Georg Baltrusch hat sogar von einer CD (Family History Library Catalog) einige Listen mit Mikrofilmnummern ausgedruckt, die für die Forschungen an den Lesegeräten der Genealogischen Forschungsstellen der Mormonen von Bedeutung sein können. Herr Lotzkat gab konkrete Hinweise auf die Forschungsstelle in Hannover, da Herr Magdziok in Niedersachsen wohnt. Ich danke vorerst allen Weichenstellern, die halfen, die richtige Spur zu finden.

Mit der Internierungszeit in Dänemark befaßt sich Frau Margot Spitzeder geborene Scharffenberg. Sie bittet alle Flüchtlinge, die bis 1948 im Lager Rom / Nordjütland leben mußten, sich an sie zu wenden. Frau Spitzeder, eine Königsbergerin, hat übrigens in ihrer Geburtstadt eine unerwartet positive Erfahrung machen können. Sie fand im Stadtarchiv von Königsberg Unterlagen aus dem Jahr 1907 über ihren Großvater, darunter die Ernennungsurkunde zum Superintendenten von Königsberg Land mit der Kirche in Quednau. Erstaunt war sie, daß sie nach Angaben der Russen die erste Deutsche gewesen sei, die dort nach Unterlagen geforscht hat. (Margot Spitzeder, Am Heiligen Rain 25 in 61440 Oberursel, Telefon 0 61 71 / 46 00, Fax 0 61 71 / 95 95 27.)

Alte Fotos sind gerade für uns Heimatvertriebene mehr als eine Erinnerung, mehr als ein Dokument. Sie sind ein Stück wiedergefundene Kindheit, Jugend, Familie, sind erhaltene Heimat, die auch nach Jahr und Tag sichtbar wird. Sie haben bewahrt, was verloren schien und geben es uns zurück. Unsere Ostpreußische Familie ist da schon oft zu einer überraschenden Vermittlerin geworden, auch ich habe so manches Stück "bewahrte Vergangenheit" wiederbekommen. Aber in der kleinen Geschichte, die unsere Leserin Ingrid Scheuer erzählt, spielen wir nur eine Nebenrolle. Ich will sie aber doch bringen, wenn auch etwas gekürzt, weil sie so gut in diesen Rahmen paßt. Sie beginnt im Herbst 1943 in Trankwitz im samländischen Ostpreußen. Aber lassen wir Frau Scheuer selber erzählen, die damals noch Ingrid Erdmann hieß und elf Jahre alt war.

"Meine Mutter hatte zwei Arbeitspferde vom Gestüt Romanowski in Königsberg gekauft, ‚Kugel' und ‚Lore', eine trächtige Schimmelstute. Ich war ganz aufgeregt und wartete sehnsüchtig auf das Fohlchen, aber das sollte erst im Herbst kommen. Da Lore Bewegung brauchte, durfte ich sie reiten, natürlich ohne Sattel, ich war ja ein ostpreußisches Bauernkind. Wunderschön war es auf dem runden Rücken unseres Pferdes, und ich war gespannt, was die Trankwitzer Kinder sagen würden. Etwa zwei Kilometer war ich geritten, als die Stute stehen blieb. Da half kein Zureden, keine Bewegung mit den Zügeln oder Beinen, sie stand. Die Gute wollte zurück in den Stall. So blieb mir nichts anderes übrig, als nachzugeben und den Heimweg anzutreten. Am 19. März 1944 wurde das ersehnte Fohlchen geboren. Es war ein Stutfohlen und bekam den Namen ‚Liane' - er mußte mit L anfangen nach dem ersten Buchstaben im Namen der Mutter. Wäre es ein Hengstfohlen gewesen, hätte der Name mit G beginnen müssen. Denn der Vater war ‚Großfürst' - das müßte schon ein tolles Pferd sein, das solch einen großartigen Namen hatte."

Ingrid Scheuer erzählt dann, wie das Fohlen von den Kindern verwöhnt wurde, ausgelassen herumtobte, viel Schabernack machte, und auf der Fohlenschau eine glänzende Beurteilung bekam. "Wie glücklich und stolz ich war, kann wohl jeder Pferdeliebhaber verstehen!" Das verstand auch eine 17jährige Königsbergerin, Gisela Arndt, deren Mutter und zwei Brüder bei den Scheuers einquartiert waren. Sie selber mußte in Königsberg bleiben, kam aber an den Wochenenden - zu Fuß am Landgraben entlang - nach Trankwitz. Sie liebte und fütterte auch das Fohlen, dem dann leider etwas sehr Trauriges geschah: Die Mutterstute erkrankte und starb. Ein großer Verlust für die Familie, vor allem aber für das Fohlen, von dem dann - wie von allen Tieren, Haus und Hof - die Familie Abschied nehmen mußte, als am 29. Januar 1945 der Russe vor Trankwitz stand. Hier hätten eigentlich Ingrids Erinnerungen an die geliebten Pferde enden müssen - aber jetzt, nach 62 Jahren, wurden sie wieder auf unverhoffte Weise lebendig. Es geschah auf einem Ostpreußentreffen in Meiningen, das Frau Scheuers Freundin Inge Mordhorst leitete. Als der Name "Trankwitz" fiel, sagte eine Königsbergerin: "Da war doch meine Mutter einquartiert! Ich erinnere mich, daß mein kleiner Bruder dort in die Jauchegrube gefallen war. Und dann gab es auch ein kleines Fohlen, von dem müßte ich noch Aufnahmen haben." Als Frau Scheuer davon erfuhr, wußte sie sofort: Das mußte Gisela Arndt sein. Und diese hatte tatsächlich in ihrer Handtasche aus dem brennenden Königsberg und auf der Flucht zwei Fotos mit den Trankwitzer Pferden gerettet. Für sie eine liebe, sorgsam bewahrte Erinnerung, für Ingrid Scheuer aber viel, viel mehr. Was sie empfand, als sie Fotos in den Händen hielt, beschreibt sie so:

"Ich war außer mir. Mit der Lupe suchte ich millimeterweise die Bilder ab, um ja noch mehr Einzelheiten zu erkennen. Wie konnte das nur geschehen? Es soll niemand sagen, daß es keine Wunder gibt! Und dann las ich noch in der ‚Ostpreußischen Familie' den Bericht über das neue Ermländer-Gestüt, in dem der edle Hengst ‚Großfürst' erwähnt wird: Lianes Vater! Manchmal denke ich, daß alles nur ein Traum ist. Ich bin sehr dankbar und glücklich darüber, daß mein Wissen über die Kinderzeit in Trankwitz nach über 60 Jahren so präsent ist. Geist und Sinne werden immer wieder neu geweckt, um unsere geliebte ostpreußische Heimat nicht zu vergessen!"

Ich finde, das ist ein wunderbares Schlußwort.

Eure Ruth Geede

Fotos: Erika Grete Felchner aus Dorschen, Kreis Lyck; Frau mit Pferd in Trankwitz, Kreis Samland


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