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17.02.07 / Inge, nicht Rosi! / Eine junge Liebe erblüht - oder auch nicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-07 vom 17. Februar 2007

Inge, nicht Rosi!
Eine junge Liebe erblüht - oder auch nicht

Sie waren die Straße hinaufgegangen, an der Ziegelei vorbei, auf deren langgestreckten Dächer der Schnee lag. Sie konnten hinter sich, wenn sie sich umwandten, die Kanalbrücke kaum noch sehen, denn es schneite. Es hatte den ganzen Tag geschneit. Die Straße an der Ziegelei war abschüssig. Ihr niedrigster Punkt lag etwa 20 Meter vor der Brückenauffahrt und ihr höchster bei der Tankstelle, die sie jetzt erreicht hatten. Sie sahen die Schneetürmchen auf den Zapfsäulen. Es dunkelte schon, und im Innern der Tankstelle, in der der Tankwart saß und in einem Buch las, brannte Licht. Sie zogen jeder einen Schlitten hinter sich her.

Nick wendete, und er fragte in den Schnee hinein: "Wann mußt du denn zu Hause sein?" "Um sechs", sagte das Mädchen. "Und du?" Er sah sie an, durch den Schnee hindurch, und er dachte: Sie ist genauso groß wie ich, aber sie ist ein Jahr jünger. Sie ist sehr hübsch. "Um sechs oder um sieben", sagte er. "Es ist egal, wann ich zu Hause bin." Das Mädchen hatte jetzt ebenfalls seinen Schlitten gewendet. Es trug einen grünen Rollkragen-Pulli, Jeans und derbe Schuhe. Auf ihre blonden Locken fiel langsam der Schnee und schmolz dann sehr schnell. "Fahren wir noch einmal?" "Klar doch!" sagte der Junge. "Nebeneinander - hörst du! Und diesmal, das kannst du glauben, bin ich der Schnellere!"

Sie sah, wie er Anstalten traf, einen Anlauf zu nehmen, um sich dann bäuchlings auf den Schlitten zu werfen und die abschüssige Straße, die sie eben heraufgekommen waren, wieder hinunterzurodeln. Die Skimütze des Jungen war weiß, naß und glitzerte. "Los!" rief das Mädchen und warf sich ebenfalls auf seinen Schlitten, zur selben Zeit wie Nick, und dann schossen sie die Straße hinunter. Sie sahen rechter Hand die Ziegelei vorüberfliegen, in der Ferne die Brückenauffahrt auf sich zukommen, und sie hörte ihn "Rosi" rufen und dann noch einmal "Rosi!" und "Mensch, Rosi, ich hab dich gern ..." Unten angekommen hielten sie Schlitten an Schlitten. Keiner war schneller gewesen als der andere. Über der Brücke sahen sie den Schnee wie Schleier dahinfegen. Hier unten fiel er behäbig in dicken Flocken auf Nicks Skimütze und auf ihr blondes Haar. "Hast du was zu mir herübergerufen eben während der Abfahrt?" fragte das Mädchen. "Nein - was zum Beispiel?" "Einen Namen vielleicht?" "Iwo!" sagte der Junge und zog seinen Schlitten herum. "Kann sein, daß ich etwas gedacht habe. Etwas zu laut vielleicht. Kann auch sein, daß du nur den Wind gehört hast ..."

Das Mädchen ging jetzt hinter ihm her. Sie zogen ihre Schlitten wieder die Straße hinauf, an der Ziegelei vorüber. Langsam holte das Mädchen den Jungen ein. "Aber nur noch einmal", sagte sie. "Nur noch eine Abfahrt. Ich muß noch meine Matheaufgaben machen." Inzwischen hatten sie die Tankstelle erreicht. Sie sahen die Schneetürmchen auf den Zapfsäulen, das Licht im Innern der Tankstelle und den Tankwart, der in seinem Buch las. "Sieh doch nur", sagte das Mädchen, "der liest ja immer noch! Vielleicht 'nen spannenden Krimi. Oder irgend so eine langweilige Liebesschnulze ..." "Hör mal", unterbrach Nick sie. "Was ich noch sagen wollte ... Ich hab' dich gern. Ehrlich - echt gern." Er ließ seinen Schlitten los, fand ihre Hände und spürte ihren Atem in seinem Gesicht. Und durch die blonden zerwehten Haare des Mädchens sah er drüben in der erleuchteten Tankstelle den Tankwart eine neue Seite seines Buches umschlagen.

Das fängt ja gut an, dachte das Mädchen. Rosi hat er gerufen, dabei heiße ich Inge! Willi Wegner


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