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24.02.07 / Wenn Vater zweifelt / Politik hat es versäumt, die Gen-Abstammungstests gesetzlich zu regeln

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-07 vom 24. Februar 2007

Wenn Vater zweifelt
Politik hat es versäumt, die Gen-Abstammungstests gesetzlich zu regeln
von Sverre Gutschmidt

Eigentlich müßten Politiker offene rechtliche Fragen hassen - sie belegen mangelhafte Arbeit ihrerseits. In nachmittäglichen TV-Shows bekommen wir Zuschauer leicht eine Vorstellung von einem solchen Mangel. Ein Lieblingsthema der Laienschauspieler dort sind "Kuckuckskinder", also Vaterschaftstests. Eine junge Mutter plus mehrere mögliche Erzeuger oder ein zweifelnder Vater werden benötigt. Mit rechtlichen Hintergründen geben sich die Sendungen nicht ab. Die Botschaft ist: Fernsehen hilft aufklären und jeder darf das. Wie schnell und unkompliziert der Vaterschaftstest geht: Nach anfänglicher Speichelentnahme kommt bei Sendungsende das Ergebnis vom bestellten Labor, zünftige Ausraster auf der Bühne inklusive.

Schon vor über einem Jahr kündigte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) eine gesetzliche Regelung zu Vaterschaftstests an - heimliche Tests per Speichelprobe ohne Wissen des betroffenen Kindes sollten ausgeschlossen sein. Das Justizministerium unternahm aber nichts, wie der höchst reale Fall Frank S. zeigt. Der 37jährige Beamte scheiterte jetzt mit seiner Klage um seine Vaterschaft, die er bestreitet, vor dem Bundesverfassungsgericht (BVG). Er bleibt rechtlich Vater einer Tochter, auch wenn er es biologisch nicht ist.

Ein rein juristisches Problem - allerdings mit brisanten Alltagsfolgen. Es geht im Urteil darum, ob eine ohne Wissen von Tochter und Mutter durch den Kläger genommene Speichelprobe als Beweis gerichtsverwertbar sein darf. Sie darf nicht und das Laborgutachten daraus auch nicht, entschied das BVG. Erst die einfachen modernen DNA-Tests hatten dem Vater den heimlichen und für die Familie so vermeintlich wenig belastenden Test ermöglicht.

Trotzdem war der Unterlegene zufrieden: Das Gericht erteilte der Politik, genauer Zypries als zuständiger Ministerin, eine argumentative Ohrfeige. Der Gesetzgeber habe zu wenig getan, um Männer ihre Vaterschaft feststellen zu lassen. Ein neues Rechtsverfahren neben der Vaterschaftsanfechtung müsse her. Heimliche Tests blieben dagegen untersagt. Das Persönlichkeitsrecht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung wiege schwerer als das Recht des Mannes.

Überraschenderweise zeigte sich auch die Justizministerin höchst zufrieden. Sie startete sofort ein Ablenkungsmanöver. Natürlich habe man schon ein Gesetz in der Schublade. Vor allem aber soll es Strafen geben. Gefängnisstrafen für Väter, die heimlich aus Speichel genommene DNA-Proben in Labors testen lassen? - Seitdem diskutieren Medien und Politik darüber, ob ohne Wissen von Mutter und Kind Testende zu inhaftieren sind. Vom Versagen deutscher wie europäischer Politik spricht kaum jemand. Weder in Deutschland noch in den meisten anderen EU-Staaten haben die Gesetzgeber auf die seit über zehn Jahren bestehenden Testmöglichkeiten reagiert.

Es ist ein Thema, das viele Fragen aufwirft - zum Erbrecht, zum Sorge- und Umgangsrecht sowie nach der sozialen Absicherung von Vätern wie Kindern. So wie Kinder ein längst rechtlich vielfach bestätigtes Interesse haben, herauszufinden, wer die leiblichen Eltern sind, sollten Väter sich auch Gewißheit verschaffen dürfen, ob sie Erzeuger oder nur im sozialen Sinne Vater sind. Gerade wer es "nur" wissen will, ohne Konsequenzen, hat keinen legalen Weg. Früher war ein komplexes erbbiologisches Gutachten nötig, heute bedarf es rein technisch nur eines Wattestäbchens und einer Labor-adresse. Die Versuchung zum einfachen Weg ist groß.

Was bleibt einem Vater also als rechtlicher Weg? - Das rechtliche Verfahren, eine Vaterschaft feststellen zu lassen, ist komplex und selten von Erfolg gekrönt. Am Ende ist die Familie zerstört, das Vertrauen allseits dahin. Bekommt der Vater recht und ist nicht der Erzeuger, endet das Verfahren mit dem Verlust von Umgangs- und Sorgerecht für ihn. Auch sind die Konsequenzen - beispielsweise beim Erben sowie der sozialen Absicherung erheblich. Diese Vaterschaftsanfechtung läßt von der einst innigen Vater-Kind-Beziehung rechtlich kaum mehr als das Zeugnisverweigerungsrecht.

Die "Kooperationsgemeinschaft freier Sachverständiger für Abstammungsgutachten" gibt die Zahl der jährlichen Tests in Deutschland mit 50000 an. Dort geht man von 5000 heimlichen Tests aus. Bei gerade 20 Prozent der ohnehin Verdachtsfälle gebe es keine Verwandtschaft. Kuk- kuckskinder sind auch laut einer britischen Studie (1950 - 2004) selten. Bei 3,7 Prozent der betrachteten Untersuchungen gab es "Vaterschaftsdiskrepanzen".

Ein Randthema, das keine Aufregung wert ist, stellt der Klagefall Frank S. aber nicht dar. Männern bleibt nur eine offizielle Anfechtung. Sich ohne Belastung der Familie Gewißheit zu verschaffen, ist also bald strafbar. Wie eine solche Strafe durchgesetzt werden soll, ist fraglich. Briefe, E-Mails und Pakete, ausgetauscht mit ausländischen Labors, geben auch Sicherheit. Nachverfolgbar wäre das nur bei völliger Überwachung von Post und Telefon. - Ein Gesetz zur rechten Zeit wäre einfacher gewesen.

Foto: Auf Vatersuche: Gendiagnoselabors arbeiten mit Speichelproben

 

Zeitzeugen

Brigitte Zypries - Die seit 2002 amtierende Bundesjustizministerin will heimliche Vaterschaftstests unter Strafe stellen, was laut Umfragen eine deutliche Mehrheit der Deutschen ablehnt. Die 53jährige kam mit Kanzler Schröder 1998 nach Berlin, wo sie zunächst als Staatssekretärin im Bundesinnenministerium fungierte. Als Chefin des Justizressorts setzte sich die SPD-Politikerin besonders für das "Antidiskrimierungsgesetz" ein.

Frank S. - Der Niedersachse Frank S. hatte heimlich ein altes Kaugummi der Tochter seiner ehemaligen Lebensgefährtin untersuchen lassen, nachdem er sechs Jahre Unterhalt gezahlt hatte. Ergebnis: Das Mädchen ist nicht seine Tochter. Bis zum Erlaß eines Gesetzes muß er dennoch weiterzahlen, weil der heimliche DNS-Test nicht als Beweis zugelassen wird.

Hans-Jürgen Papier - Für die Politik war sein Urteil eine Ohrfeige: Verfassungsgerichtspräsident Papier (63) legte, wie schon so oft, eine Gesetzeslücke frei: Bis März 2008 solle die Politik ein Gesetz über genetische Vaterschaftstests erlassen. Der gebürtige Berliner hugenottischer Herkunft scheut sich nicht vor öffentlichen Mahnungen an die Politik und kritisierte 2005 "taktische Scharmützel" und "smarte Sprüche" statt verantwortungsvollen Handelns.

Anna Nicole Smith - Die US-Schaupielerin, die nur 39jährig am 8. Februar verstarb, hinterließ mit ihrer kaum sechsmonatigen Tochter einen grostesken Vaterschaftsstreit: Drei Männer, ihr letzter Lebensgefährte, ein vorheriger Freund und Prinz Frédéric von Anhalt wollen der Vater sein. Das Baby ist Erbe von Millionen, weshalb hinter dem Gerangel die pure Gier stecken könnte.

Kaspar Hauser - Die Frage nach seiner Herkunft wühlte seine Zeitgenossen um und weckt heute noch das Interesse der Wissenschaft: Kaspar Hauser (gest. 1833) tauchte als Jugendlicher 1828 in Nürnberg auf. Er war tief verstört und doch hoch begabt. Bald kursierten Gerüchte einer hohen Abstammung bis zu einer Vaterschaft Napoleons I. Hauser wurde, nachdem er mehrere Attentate überlebt hatte, 1833 unter mysetriösen Umständen ermordet.


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