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24.02.07 / Täglicher Kampf ums Überleben / Die Versorgungslage in Nordkorea bleibt angespannt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-07 vom 24. Februar 2007

Täglicher Kampf ums Überleben
Die Versorgungslage in Nordkorea bleibt angespannt
von Dietrich Zeitel

Am Freitag vergangener Woche demonstrierte Nordkoreas Diktator Kim Jong-Il der Welt, was er unter einer standesgemäßen Geburtstagsfeier versteht. Auf dem zentralen Platz der Hauptstadt Pjöngjang wurden zu seinem 65. Geburtstag wahrscheinlich staatlich organisierte Jubeltänze aufgeführt, mit denen der "unbesiegbare brillante Kommandeur" erfreut werden sollte. Dieser ließ südkoreanischen Medienberichten zufolge zur Feier des Tages verkünden, daß die Nordkoreaner einen Monat lang zusätzliche Lebensmittel erhalten sollen.

Der Geburtstag von Kim Jong-Il, der in seiner offiziellen Biographie den Tag seiner Geburt als "Ankunft des Erleuchteten" verklärt hat, gilt als einer der höchsten Feiertage in Nordkorea. Kim Jong-Ils großzügige Extra-Lebensmittelrationen dürften im unmittelbaren Zusammenhang mit der gerade erzielten Übereinkunft zum nordkoreanischen Atomprogramm stehen. Nordkorea hat Mitte letzter Woche im Rahmen der "Sechs-Länder-Gespräche" einem Ausstieg aus seinem Atomprogramm zugestimmt. Im Gegenzug erhält das Land unter anderem Wirtschafts- und Energiehilfen. Daß Kim Jong-Il diese Übereinkunft gesucht hat, um den grassierenden Energie- und Lebensmittelmangel in Nordkorea zu lindern, dürfte allerdings eine Fehlinterpretation sein. Dem roten Diktator gehe es wohl vor allem darum, so Georgi Bulytschow, Direktor des "Zentrums für moderne koreanische Studien" der Russischen Wissenschaftsakademie, gegenüber der Presseagentur "RIA Novosti", die Sicherheit seines Landes und damit seines Regimes durch Normalisierung der Beziehungen zu den USA und Japan zu erhöhen. Kim Jong Il hat bereits eine Reihe von bedrohlichen Krisen durchgestanden und dabei eine erstaunliche Überlebenskunst an den Tag gelegt. Krisenjahre waren 1994, als der Vater des heutigen Diktators, Kim Il Sung, der auch der Staatsgründer war, starb. Dann folgten eine gravierende Wirtschaftskrise durch den Wegfall des Handelspartners Sowjet-union und schließlich eine Hungerkrise. Viele, die das Regime in Pjöngjang, die erste kommunistische Familiendynastie der Welt, bereits abgeschrieben hatten, mußten sich eines Besseren belehren lassen. Zu einem wirkungsvollen Instrument der Beeinflussung hat sich vor allem die von Kim Il Sung entwickelte "Juche"-Ideologie (nach anderer Transkription: Dschutsche) entwickelt, die suggeriert, daß die Nordkoreaner "kraft ihres Willens" den Bedingungen der Umwelt überlegen seien. Allerdings, und dies ist die entscheidende Einschränkung, der einzelne kann diese Fähigkeit nur im Kollektiv mit einem "Führer" an der Spitze erlangen. Diese Staatsideologie, symbolisiert durch einen Obelisken, der sich in jedem Dorf und jeder Stadt findet, soll die Autarkie des Landes und die Wachsamkeit gegen äußere und innere Feinde verbürgen.

Im Kern bedeutet "Juche" nichts anderes als die Überwindung von Hunger und Not mittels Selbstbeeinflussung. Die staatliche Propaganda bemüht sich, diese Not als ausländische Medienlüge hinzustellen. Nichtsdestoweniger ist die Mangelernährung in vielen Teilen Nordkoreas ein spürbares Faktum, das vielfältige Gründe hat. Zum einen liegt der überwältigende Anteil der Ackeranbauflächen der koreanischen Halbinsel in Südkorea. In Nordkorea kommen widrige klimatische Bedingungen erschwerend hinzu. Negativ wirkt sich auch der auf Kim Il Sung zurückgehende monokulturelle Reisanbau aus, der besser angepaßte Getreide-sorten verdrängt hat. Und natürlich drücken die in jedem sozialistischen Land auftretenden Folgen der Kommandowirtschaft auf die Produktivität, nicht allein auf die der Landwirtschaft. Auch die übrige Wirtschaft darbt unter dem Regiment der Funktionäre, es gibt kaum exportfähige Produkte. Der daraus resultierende Devisenmangel hat zu einem schmerzhaften Rückgang an Düngemitteln geführt, weil harte Währung für den Import fehlt.

Nahrungsmittel sind streng rationiert, ihre Zuteilung unter anderem an die "politische Verläßlichkeit" geknüpft. Wie viele Nordkoreaner und vor allem auch Kinder in den letzten Jahren an Hunger und den damit verbundenen Mangelerscheinungen beziehungsweise Krankheiten verstorben sind, kann nur gemutmaßt werden, verläßliche Statistiken fehlen. Die Schätzungen reichen von mehreren Hunderttausend bis zu zwei oder drei Millionen. Grundversorgung, so schreibt zum Beispiel Henrik Bork, Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung", in einem Reisebericht, gebe es in Nordkorea nur in einer Hinsicht, und zwar in Gestalt der "täglichen Portion Gehirnwäsche", für die die überall im Lande umherfahrenden Propagandawagen sorgten.

Die Nomenklatura, also die in der Kulissenstadt Pjöngjang ansässigen Kader, bewegen sich zwischen Prunkbauten, Villen und Segelbooten in einem hermetisch abgeriegelten Teil der Hauptstadt. Einen aufschlußreichen Eindruck dieser Stadt verschafft via Internet im übrigen "Google Earth", wo detaillierte Satellitenbilder der ganzen Welt zu sehen sind, so auch von Pjöngjang. Die Kader verlassen ihre Büros kaum. Sie haben, wie Bork betont, kaum eine eigene Anschauung von der Not im Lande.

Das Überleben vieler Nordkoreaner stellen mittlerweile vor allem die privaten Gemüsegärten sicher, die inzwischen zum unverzichtbaren Bestandteil der Ernährung geworden sind. Deren Produkte dürfen mit Erlaubnis der Partei seit geraumer Zeit auch auf Bauernmärkten verkauft werden.

Ob der jüngste Verhandlungserfolg zu einer Entspannung der Lebensverhältnisse in Nordkorea führen wird, darf bezweifelt werden. Die Nordkoreaner werden wohl auch in Zukunft um das Nötigste kämpfen müssen, begleitet von den monotonen Parolen der Propagandawagen.

Foto: Seltener Anblick: Volle Stallungen gibt es nur noch für den "Erleuchteten".


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