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24.02.07 / Das Matthiae-Prinzip

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-07 vom 24. Februar 2007

Das Matthiae-Prinzip
von Richard G. Kerschhofer

Der Reserveapostel Matthias wird nicht selten mit dem Evangelisten Matthaeus verwechselt. Deshalb läßt sich bei Ableitungen wie Mattheis, Mattes, Matz, Thieß, Teibes, Diepes, Tews, Hias, Hiesl und anderen kaum mit Sicherheit sagen, wer Pate gestanden ist. Zu den Namenspatronen selbst bietet immerhin der Bauernkalender eine Eselsbrücke: "Mattheis bricht's Eis, hat er keins, so macht er eins." Da das eben nur gegen Winterende passieren kann, muß Matthias gemeint sein, der am 24. Februar im Kalender steht, nicht wie Matthaeus erst am 21. September.

Doch vorweg zu einem anderen Heiligen: Im Jahre 304 wurde ein pensionierter römischer Offizier namens Florianus in der Enns ertränkt. Dem Ort seines Martyriums verdankt er, daß man ihn zum Landespatron von Oberösterreich machte, und seiner engen Beziehung zum Wasser, daß er auch Schutzpatron aller Feuerwehrleute wurde. Bekannt und beliebt ist der heilige Florian heute aber vor allem wegen des ihm unterschobenen Floriani-Prinzips: "Oh Du heil'ger Florian, verschon mein Haus, zünd's andre an." Das wesensverwandte "Matthiae-Prinzip" hingegen - Matthias ist A-Deklination, Genitiv daher "Matthiae" - findet offenbar weitaus weniger Beachtung. Schade, denn die Mattheis-Bauernregel zeugt nicht nur von sorgfältiger Naturbeobachtung, sie beschreibt ebenso - noch dazu überaus treffend - eine gar nicht seltene Form menschlichen Verhaltens.

Pikanterweise zählten gerade Floriani-Jünger zu den ersten, die das Matthiae-Prinzip anzuwenden lernten: Kommt es nicht gelegentlich vor, daß ein ehrgeiziger Feuerwehrmann den Brand selber legt, um sich dann beim Löschen hervortun zu können? Das Matthiae-Prinzip manifestiert sich also nicht etwa darin, daß man ein Problem herbeiredet, sondern daß man selber Hand anlegt oder die Voraussetzungen für das Entstehen genau jenes Problems schafft, als dessen eifrigster Bekämpfer man sich dann feiern lassen möchte.

Ein paar Beispiele: Wer sich im Kampf gegen den wirklichen oder angeblichen Treibhaus-Effekt auszeichnen will, muß Wasser- und Atomkraftwerke verhindern, denn die produzieren nicht die nötigen Treibhausgase. Und wer das Abbrennen der Tropenwälder verdammen will, muß den Import von Tropenholz verbieten, denn hätte dieses einen Handelswert, wäre es ja zu schade zum Verbrennen.

Oder etwa zum Thema Straßenverkehr: Wer beklagen will, daß Busse im Verkehr steckenbleiben, muß Busspuren anlegen, um damit den übrigen Verkehr so sehr zusammenzudrängen, daß es zum allgemeinen Stau kommt. Und wer gegen die Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr auftreten will, muß für geeignete Schikanen sorgen. Psychologen empfehlen etwa, Fahrbahnen nicht durch Poller oder Pfähle zu begrenzen, sondern durch rohe Felsbrocken. Das fördert zugleich jene allgemeine Verrohung, die man braucht, um sie medienwirksam zu beklagen, vor allem wenn man den privaten Waffenbesitz verbieten will.

Wer vom Anprangern der Fremdenfeindlichkeit lebt, muß dafür sorgen, daß es genügend Fremde gibt und daß man diese klar als solche erkennen kann. Da bei weitem nicht jeder Fremde aneckt, muß man vor allem Leute ins Land holen, die ein Mindestmaß an Irritation garantieren. Zugleich muß man ihnen nahelegen, sich nur ja nicht an hiesige Gepflogenheiten anzupassen. Im gleichen Aufwaschen entsteht meist auch die Grundlage für Rassismus, aus dessen Bekämpfung sich noch mehr Gewinn schlagen läßt.

Wie man sieht, benützen die wahren Matthiae-Meister bereichsübergreifende Mehrzweck-Strategien.

Ein Beispiel liefern auch die Verhinderer von Autobahn-Umfahrungen: Solange der Transit-Verkehr mitten durch die Stadt geht, sorgt er für die benötigte Abgas- und Lärmbelastung, während er zugleich ein Stimulans für die ebenso wichtige Fremdenfeindlichkeit ist. Das erklärt, warum sich die Bekämpfer dieser überhaupt nicht zusammenhängenden Erscheinungen aus ein und demselben Personenkreis rekrutieren.

Als geniale Doppelmühlen bewähren sich Einladungen an Leute wie Salman Rushdie: Falls ihnen bei uns "etwas passieren" sollte, wäre es eine Bluttat unter Ausländern. Wenn es aber unblutig abgeht, herrscht zumindest Unmut über protestierende Mohammedaner. Beides sorgt für Fremdenfeindlichkeit, und so kann man nachher auf jeden Fall Ausländer vor dieser in Schutz nehmen. Obendrein bleibt auch etwas an der intoleranten Geistlichkeit hängen, also vor allem an den christlichen. Und selbstverständlich an der Polizei - entweder weil sie versagt oder weil sie mit Sicherheitsmaßnahmen lästig fällt.

Wer sich gleichzeitig gegen Aggressivität, Fremdenfeindlichkeit, Erdöl-Importe, Budget-Defizite, Verkehrsüberlastung, Luftverschmutzung, Treibhaus-Effekt und Waldsterben profilieren will, muß sich für Mülltrennung engagieren: Denn je mehr Müllsorten zu trennen sind, um so eher gibt es Streit in der Familie - Generationen-Konflikt! - oder mit den Nachbarn - vielleicht Ausländer? - und um so mehr Müllwagen blockieren die Straßen. Je weniger Papier und Plastik im Restmüll verbleiben, um so geringer ist dessen Heizwert, und um so mehr Öl wird zur Verbrennung gebraucht. Getrennt Sammeln, vereint Deponieren ist allerdings eine nützliche, weil Methan produzierende Alternative. Weiters, je mehr Papier gesammelt wird, um so mehr Papier muß mit Subventionen exportiert werden, weil ja heimische Papierfabriken nicht soviel Altpapier brauchen oder weil sie es wegen der Umweltverschmutzung gar nicht verarbeiten dürfen. Und bei einem Überfluß an Altpapier rentiert es sich auch nicht, die Wälder zu durchforsten, was wieder dem Borkenkäfer nützt und auf diese Weise das Waldsterben nachzuweisen hilft.

Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen, nur eines muß unbedingt noch erwähnt werden, die Vergangenheitsbewältigung: Sie garantiert, daß Faschismus und Antisemitismus nie unter das zu ihrer Bekämpfung notwendige Existenzminimum absinken können.


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