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24.02.07 / Aufführung nie erlebt / Ein Italiener würdigt eine vergessene Oper von Otto Besch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-07 vom 24. Februar 2007

Aufführung nie erlebt
Ein Italiener würdigt eine vergessene Oper von Otto Besch

Der Komponist Otto Besch (1885-1966) war einer der letzten vortrefflichen und vielseitigen Vertreter jener jahrhundertealten europäischen Musiktradition, die mit dem Zweiten Weltkrieg fast verschwunden ist", sagt Artemio Focher, Germanist und Musikwissenschaftler an der Musikwissenschaftlichen Fakultät der Universität Pavia (Sitz in Cremona). "Besch hat etwa in den Jahren 1940 bis 1945 eine Oper geschrieben, die von seinem Landsmann E. T. A. Hoffmann handelt. Der Titel lautet ,E. T. A. Hoffmann, Eine phantastische Oper in 2 Aufzügen, 5 Bildern'; das Libretto wurde von Besch mit der Hilfe des Dichters Franz bei der Wieden verfaßt", erläutert Focher und bedauert, daß dieses vollendete Werk des Königsbergers heute als Manuskript vergessen in der Münchner Staatsbibliothek liegt. "Besch selbst starb, ohne eine Aufführung seiner Oper erlebt zu haben."

"In der Oper spielen E. T. A. Hoffmann und einige Figuren aus seinen Novellen eine Rolle", berichtet Focher, der sich eingehend mit Komposition und Textbuch beschäftigt hat. "Der Autor selbst gibt in der Vorrede des Textbuches seine Quellen aus Hoffmanns Schriften an, die ,in freier Dichtung zusammengefügt' wurden: ,Die Irrungen', ,Die Abenteuer der Sylvesternacht', ,Doge und Dogaressa'. In die Handlung einbezogen werden auch Persönlichkeiten aus Hoffmanns Bamberger und Berliner Zeit. Die Schauplätze der Handlung liefern Berlin und Venedig, der Zeitpunkt ist um 1815 / 16 angesiedelt. Das Venedig-Bild des Librettos zeigt jedoch eine Rückblende in die Zeit der Renaissance."

In einem Aufsatz, den Artemio Focher für die "Nuova Rivista Musicale Italiana" (N. I - 2006, S. 27-45) schrieb und in dem er das Textbuch analysiert, wird zuerst Otto Besch in einer detaillierten Biographie vorgestellt und eine Einführung in seine Oper gegeben. Dann untersucht der Autor die einzelnen Aufzüge der Oper und die charakterisierenden Elemente der Handlung, indem er auch einige genaue Informationen und Erklärungen verwendet, die dem Libretto beiliegen und sehr wahrscheinlich von Besch selbst und von Erwin Kroll, dem Königsberger Musikhistoriker und Freund, stammen. Insbesondere analysiert Focher die Besch'sche Charakterisierung Hoffmanns, die er als originell und sehr interessant beurteilt.

Schließlich vergleicht Focher die Gesamtkonzeption der Oper mit "Hoffmanns Erzählungen (Les Contes d' Hoffmann)" von Jacques Offenbach, "da, der formalen Anlage und Struktur nach, das Libretto Beschs zweifellos mit dem der ,Contes' verwandt ist". "Vieles wurde von der französischen Vorlage übernommen, das meiste ist aber originell, und das Libretto Beschs zeigt viele essentielle Unterschiede zu dem Libretto der ,Contes' von Jules Barbiers." Und Focher zitiert Erwin Kroll: "Fernab von französischem Opernglanz offenbart sich [...] ein deutscher Hoffmann."

Artemio Focher hat sich unter anderem auch mit Ludwig van Beethoven befaßt und einige Werke ins Italienische übersetzt und herausgegeben. Außerdem hat er alle Beethovenschen Texte von Friedrich Grillparzer gesammelt, übersetzt und herausgegeben sowie ein Buch über Beethovens letzte Tage, Tod und Beerdigung geschrieben ("L. van Beethoven. 26-29 marzo 1827"). Ein Buch über Geige und Geiger in der deutschen Literatur stammt ebenfalls von Focher ("Sotto il tiglio accordai il violino. Violino e violinisti nella letteratura tedesca"), auch Aufsätze über Grillparzer, Anette v. Droste-Hülshoff und E. T. A. Hoffmann sowie viele literarische oder musikwissenschaftliche Texte, die er ins Italienische übersetzte. o-n


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