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24.02.07 / 60 Jahre und kein bißchen müde / Senioren-Models erobern nicht nur den Modemarkt, sondern auch die Werbebranche

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-07 vom 24. Februar 2007

60 Jahre und kein bißchen müde
Senioren-Models erobern nicht nur den Modemarkt, sondern auch die Werbebranche
von Corinna Weinert

Für die einen ist die Karriere mit 30 schon beendet, für die anderen fängt die Karriere mit 50 erst an. Senioren-Models liegen im Trend: Wer einmal als "Gesicht" entdeckt wurde, hat beste Chancen, in der Werbebranche noch ganz groß rauszukommen. Vorbei die Zeiten, als nur junge Menschen in Werbespots zu sehen waren. Weltweit setzt die Werbebranche mittlerweile auf Senioren, um die verschiedensten Produkte anzupreisen. "Mit der Schauspielerin Christel Peters als ,die Mutter aller Schnäppchen' wurde deutschlandweit offensiv im Fernsehen und in Zeitungen geworben, auch um ältere Menschen für eine Ware zu interessieren", sagt Jutta Schmid, die eine Veranstaltungs- und Modeagentur in Rödermark hat. Daß die Werbung auf Ältere setzt, hat aber nichts mit einem veränderten Schönheitsideal zu tun, sondern mit Glaubwürdigkeit. "25jährige Models für Cremes oder Öl gegen Falten, so was paßt einfach nicht, man nimmt ihnen nicht ab, daß sie eine Pflegeserie für die reife Haut verwenden", meint die Agenturchefin. "Ältere Models sind im Kommen, weil die Werbung die größte Gruppe der Bevölkerung nicht mehr ignorieren kann."

Ältere Menschen sind vor wenigen Jahren lediglich für Gebiß-Haftcreme und ähnliche Produkte eingesetzt worden, das hat sich grundlegend geändert. "Die Leute wollen typgerechte Personen für reife Frauen und Männer", erklärt Schmid. Verschiedene Erhebungen der vergangenen Jahre belegen, daß die Senioren eine attraktive, aber vernachlässigte Zielgruppe der Werbung sind. In der Reisebranche gehören ältere Menschen beispielsweise zu den wichtigsten Kunden, haben sie doch genügend Geld und Zeit, um den Winter im Süden zu verbringen.

Laut Marketing-Theorien kann man in der Werbung besser eine emotionale Beziehung zu Menschen der eigenen Altersgruppe aufbauen. "Der Endverbraucher sollte sich mit der Werbung identifizieren können", meint Schmid.

Viele ältere Menschen haben offenbar den Trend der Werbung erkannt und wollen als Senioren-Models ihr Glück versuchen. Christa Höhs, die 1994 die erste und einzige Agentur für Senioren-Models weltweit gründete, hat 900 Frauen und Männer zwischen 33 und 93 Jahren in ihrer Kartei. "In der Regel nehme ich Leute von 30 bis 85 Jahren auf", sagt die Agenturchefin. "Viele sind Profimodels, die schon als 16jährige angefangen haben und für die anderen Agenturen jetzt zu alt geworden sind, oder Schauspieler, die sich ins Privatleben zurückgezogen haben", erklärt Höhs. Das Geschlechterverhältnis beträgt bei den Senioren-Models zwei Drittel Frauen zu ein Drittel Männer.

Um als Seniorenmodel zu überzeugen, braucht man etwas anderes als Schönheit oder perfektes Styling. "Make-up ist nur ein Korsett", meint Höhs, die seit fast vier Jahrzehnten selbst in der Werbung tätig ist. "Ich habe gelernt, hinter die Fassade zu schauen, und zwar direkt in die Seele", fährt sie fort. "Gleichgültig, ob es sich um eine Werbung für Kosmetik, Lebensmittel oder Versicherungen handelt, entscheidend ist der Ausdruck, und der ist eine Sache der inneren Einstellung", weiß die Expertin. "Gefragt sind vor allem Frauen zwischen 45 und 65 Jahren mit blauen Augen und blondem Bubikopf", kann sie aus Erfahrung berichten, "natürlich, strahlend und sympathisch müssen sie rüberkommen, fotogen und vielseitig einsetzbar sein."

Die Agentur von Höhs vermittelt in alle Bereiche der Werbeindustrie, ausgenommen sind allerdings die Modebranche und Laufstegarbeiten. Apotheken, Autofirmen, Banken und Versicherungen, Kosmetikhersteller, Lebensmittelproduzenten, Weinhändler gehören zu den Kunden, die Senioren-Models über die Agentur für Fernsehwerbung, Großplakate, Poster, Postkarten oder Verkaufsförderungsmaterial buchen. Im Fernsehen laufen seit mehreren Jahren Werbespots, in denen Frauen aus der Agentur von Höhs zu sehen sind. Der für die "Nivea"-Produktelinie "Vital" vom Kosmetikkonzern "Beiersdorf" vor rund zehn Jahren gedrehte Spot war einer der ersten, der die ältere Generation präsentierte; die Darstellerin ist mittlerweile ein Star. Der "Odol"-Hersteller "GlaxoSmithKline" ließ sein Mundwasser ebenfalls durch ältere Menschen vorführen (zwei Frauen, ein Mohnbrötchen und ein Zahnfleischproblem). Die "Rügenwalder Mühle" setzte mit Oma Friederike und anderen Vertretern ihrer Generation ebenfalls frühzeitig auf die Überzeugungskraft der Senioren. Agenturchefin Höhs freut sich über den Erfolg ihrer Senioren. Bevor sich der allerdings einstellt, müssen immer wieder die Hürden der Castings überwunden werden. Eine kleine Investition vorab ist ebenfalls erforderlich: Die Models müssen sich eine Setkarte erstellen lassen. Hiermit stellt die Agentur die Models bei den Kunden vor. Rund 400 Euro kosten Aufnahmen und Setkartendruck. Die Tagesgage der Senioren-Models kann bis zu 2000 Euro betragen, "es hängt immer davon ab, wie bekannt man ist und ob die Veröffentlichung nur in bestimmten Gebieten, bundesweit, europaweit oder international erfolgt", erklärt Höhs. Als Höhs die Agentur vor 13 Jahren in München eröffnete, brachte der WDR Köln im Nachmittagsprogramm einen Bericht über die Arbeit der Werbeexpertin. "Die Resonanz war gewaltig", berichtet Höhs, die mittlerweile auch eine Partneragentur in Berlin gegründet hat. "Jedes Mal, wenn in den Medien etwas über die Agentur erschienen ist, melden sich etliche, die in die Kartei aufgenommen werden wollen."

Ein anderes Feld, das Senioren zunehmend erobern, ist der Laufsteg. Jutta Schmid organisiert seit 20 Jahren Modenschauen. "Oft wird bemängelt, daß die vorgeführte Konfektionsgröße nicht die der Zuschauerinnen ist", sagt die Branchenkennerin. "Immer mehr Firmen lassen daher ihre Mode von Menschen wie du und ich vorführen, weil sie wissen, daß das die Zuschauerinnen mit Größe 46 weit mehr zum Kauf inspiriert als eine 20jährige mit Größe 34", erklärt Schmid. Casting-Firmen suchen für den Laufsteg Frauen und Männer im mittleren oder durchaus im Seniorenalter, die so normal aussehen, wie jene Millionen von Menschen, die dem Mode- und Kosmetik-Markt bereits jetzt seine Hauptumsätze bescheren und künftig als Kunden immer wichtiger werden.

"Senioren auf dem Laufsteg", sagt Jutta Schmid, "gab es zwar schon immer, aber jetzt werden sie richtig rekrutiert und als professionelle Models aufgebaut. Falten und Fettpölsterchen sind dabei erlaubt, die Makel werden nicht versteckt."

Wie man sich auf dem Laufsteg gibt, können die Senioren-Models in spe lernen - zum Beispiel in der Modelschule von Astrid Bittner-Utsch. Die Inhaberin ist früher selbst auf dem Laufsteg unterwegs gewesen, heute bringt sie in ihren Kursen anderen bei, wie man sich bei Modenschauen bewegt, wie man geht, wie man sich schminkt. "Schritte, Körperhaltung, Drehungen und Lächeln, alles muß sitzen", sagt sie. Und sie weiß, wovon sie spricht: Auf Modenschauen in Mailand, New York und Paris ist sie gelaufen, kennt die Modebranche und ihre Macher. Die Nachwuchs-Models profitieren von mehr als zwei Jahrzehnten internationaler Erfahrung.

Das Laufstegtraining hat allerdings seinen Preis: 550 Euro kosten drei Tage Unterricht in der Modeschule, 950 Euro zahlt man für fünf Tage. "Das Nachfragepotential der Modehersteller ist groß", meint Bittner-Utsch, "und das Spektrum der verschiedenen Typen muß breit sein. Immer mehr Modeschauen werden auch für Über- und Untergrößen gehalten, um den Kundenbedürfnissen gerecht zu werden", erklärt die Modeexpertin.

Den Senioren-Models in spe geht es dabei nicht um die große Karriere oder Verdienst. "Es macht ihnen einfach Spaß, und es tut ihnen gut, noch gefragt zu sein", meint Schmid, "die meisten haben erfolgreich Beruf oder Familie gemanagt und wollen was Neues anfangen."


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