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24.02.07 / "Papa, wo wohnt der liebe Gott?" / Kinder beschäftigen sich früh mit religiösen Themen - Atheisten sollten ihren Nachwuchs nicht mit ihrem Nicht-Glauben überfordern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-07 vom 24. Februar 2007

"Papa, wo wohnt der liebe Gott?"
Kinder beschäftigen sich früh mit religiösen Themen - Atheisten sollten ihren Nachwuchs nicht mit ihrem Nicht-Glauben überfordern
von Anja Schäfer

Viele Kinderfragen bringen Erwachsene aus dem Konzept. Besonders häufig kommt dies vor, wenn es um religiöse Themen geht und Eltern sich auf diesem Gebiet unsicher fühlen. Was passiert, wenn Oma stirbt? Wer hat die Welt gemacht? Wo wohnt Gott? "Unabhängig von ihren eigenen Überzeugungen sollten Eltern diese Fragen ernstnehmen und konkret darauf eingehen", sagt Friedrich Schweitzer, Professor für Praktische Theologie an der Universität Tübingen.

Ratlose Eltern tun gut daran, die Frage "Wo wohnt Gott?" zunächst einmal als interessant zu loben. Danach könnten die beiden zusammen über das Thema nachdenken, unter Umständen auch in Büchern nachschauen oder andere Leute befragen. "Häufig haben Kinder auch eigene Ideen und suchen nach Bestätigung", sagt Schweitzer. Der Theologe erfuhr von einem Kind beispielsweise, daß Gott in einer kleinen Hütte auf den Wolken lebe.

So wie Eltern ihre Kinder vor brutalen Nachrichtenbildern schützen, dürfen sie ihnen auch bei religiösen Themen nicht alles zumuten. "Erwachsene sollten Kinder zum Beispiel nicht mit ihren eigenen Ansichten und Zweifeln überfordern", warnt Schweitzer. Wenn ein sechsjähriges Kind nach Gott frage, sollte auch ein Atheist nicht rücksichtslos antworten. Eine Aussage wie "Gott gibt es nicht" könnten Kinder kaum verarbeiten.

Eltern müssen also bei jeder Frage neu abwägen. "Niemand braucht den überzeugten Christen zu spielen, wenn er es nicht ist", sagt Schweitzer. Andererseits sollten auch Atheisten das Interesse ihres Kindes an transzendentalen Fragen fördern. Damit es die Chance habe, sich in diesem Bereich zu entfalten, sollte man es mit religiösem Wissen ausstatten. Hierzu gehörten die Vorstellungen und Bräuche des Christentums ebenso wie die anderer Religionen.

"Religiöse Fragen stellen Kinder meist ab etwa vier Jahren", sagt Roland Rosenstock, Professor für Religionspädagogik an der Universität Greifswald und Vater von drei Kindern. In diesem Alter seien Kinder weniger an den religiösen Konzepten einer bestimmten Kirche oder Glaubensgemeinschaft interessiert als an der Erfahrung von Sicherheit und Geborgenheit.

"Kinder erleben die Welt ganz anders als Erwachsene", erläutert Rosenstock. Aus ihrer Sicht könnten zum Beispiel Tiere sprechen, Bäume handeln, kämpften gute Mächte gegen böse. "Deshalb brauchen Kinder einen Beschützer, wenn sie allein sind", sagt der Greifswalder Theologe. Dies könne beispielsweise ein Teddy sein, möglicherweise aber auch ein Engel oder der liebe Gott.

Damit Kinder überhaupt über solche Themen sprechen können, benötigten sie ein Repertoire an Bildern und Geschichten. "Hier bieten sich biblische Erzählungen an", sagt Schweitzer. In der Geschichte vom Guten Hirten gehe ein Schaf verloren und werde nach langer Suche wiedergefunden. "Oft erkennen sich Kinder darin selbst wieder oder finden eine Projektionsfläche für ihre Sehnsucht nach Geborgenheit", erläutert der Tübinger Theologe.

Roland Rosenstock kann das bestätigen: "Erwachsene fragen bei Bibelgeschichten meist, ob diese sich wirklich so zugetragen haben." Kindern hingegen sei das egal. Ihnen komme es beispielsweise bei der Erzählung von David und Goliath vor allem darauf an, daß auch ein schwacher Mensch einen vermeintlich Starken besiegen kann. "Die Zeit des Zweifelns und Hinterfragens von religiösen Vorstellungen kommt im Jugendalter von allein", ist sich Rosenstock sicher.

Auch durch Rituale erfahren Kinder das Gefühl von Liebe und Schutz. In vielen Familien werde etwa vor dem Einschlafen eine Geschichte vorgelesen und über den Tag gesprochen. "Oft können Kinder gut in einem Gebet ausdrücken, was für sie an diesem Tag schön war oder was sie belastet hat", sagt der Theologe. Die Geborgenheit in Gott, die das Gebet oder auch ein Segen darstelle, würden viele Kinder und auch Eltern positiv erleben.

Wenn es um Sterben und Tod geht, gerieten Eltern immer wieder in Erklärungsnot. Auch bei "den letzten Dingen" sollten Erwachsene zunächst nach den Vorstellungen des Kindes fragen. "Häufig müssen Kinder bedrohliche Phantasien loswerden", erläutert Rosenstock.

Außerdem könnten Erwachsene auf diese Ideen eingehen und daraus Erklärungen entwickeln, die dem Kind in dessen Unsicherheit und Trauer helfen.

"Kinder interessieren sich meist für Körper und Seele", sagt der Greifswalder Theologe. Sie möchten etwa nach dem Tod der Großmutter wissen, wie sie gestorben ist und was jetzt mit ihrem Leichnam geschieht. Deshalb sei es empfehlenswert, Kinder zu einer Beerdigung mitzunehmen.

Doch wie erklärt man ihnen, was mit dem passiert, was den geliebten Menschen ausmacht? Auch wer nicht an ein Leben nach dem Tod glaubt, sollte ein Kind nicht mit dieser Ansicht überfordern. "Viele Kinder empfinden die Vorstellung als tröstend, daß die Seele ihrer Oma nun bei Gott lebt", sagt Rosenstock.

Erwachsene sollten bei solchen Themen keine besonderen Skrupel entwickeln. "Denn auch Eltern, deren eigene religiöse Lebenslinie abgebrochen ist, können sich auf die Fragen ihrer Kinder einlassen", sagt Schweitzer. Er sieht in der Unsicherheit der Eltern sogar die Chance, daß sie sich zusammen mit ihren Kindern auf die Suche machen und bestimmte Themen neu entdecken.

Foto: Direkter Kontakt mit dem Christentum: Sternensinger in Bamberg


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