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03.03.07 / Wie das Strafen humaner wurde / Der Weg von der Abschreckung und Vergeltung als Vollzugsziel hin zur Resozialisierung ist lang

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-07 vom 03. März 2007

Wie das Strafen humaner wurde
Der Weg von der Abschreckung und Vergeltung als Vollzugsziel hin zur Resozialisierung ist lang
von Manuel Ruoff

Der Freiheitsentzug als Strafe ist eine relativ moderne "Erfindung". Im Mittelalter waren die Strafen vornehmlich peinlich, und zwar im doppelten Wortsinne. Sie bestanden in öffentlichen Demütigungen wie dem Stehen am Pranger und in Strafen, die Schmerzen, die Pein verursachten, sprich in Körperstrafen bis hin zur Tötung. Neben der Vergeltung gemäß dem alttestamentarischen Bibelwort "Auge um Auge, Zahn um Zahn" war dabei die Abschreckung

das primäre Motiv. Entsprechend grausam und schmerzvoll waren die Strafen einschließlich der Todesstrafe.

Wenn Personen inhaftiert wurden, dann nicht als Strafe, sondern um sie an der Flucht zu hindern, an der Flucht vor der ihnen bevorstehenden peinlichen Strafe, an der Flucht vor der Folter oder an der Flucht aus der Geiselhaft. Staatliche Geiselhaft war damals nicht unüblich. Wohl jeder, der etwas besser "Robin Hood" kennt, weiß um die Geiselhaft von König Richard Löwenherz im Heiligen Reich.

Freiheitsentzug als Strafe setzte sich erst durch, nachdem sich in Europa Staatsformen mit geschriebenem Recht herausgebildet hatten. Allerdings stand anfänglich auch hier wie bei den Körperstrafen das Motiv der Abschreckung im Vordergrund. Entsprechend hart war das Leben in dunklen Kellern und Verliesen. Ein weiteres Motiv war es - analog manchen Körperstrafen wie dem Händeabhacken bei Dieben -, die Delinquenten durch Wegschließen (zumindest für die Zeit ihrer Inhaftierung) an dem Begehen weiterer Verbrechen zu hindern. Anspruch auf Menschlichkeit wurde den Kerkerinsassen dabei nicht zugebilligt.

Das änderte sich mit dem Humanismus und der Aufklärung. Ein neues Motiv trat in den Vordergrund - die "Besserung", die Erziehung zu einem besseren, gottgefälligeren Leben. Nicht umsonst wurde nun der Kerker vom "Zuchthaus" abgelöst. Es ging nun nicht mehr darum, dem Delinquenten Böses anzutun, sondern um seine Beglückung, und das notfalls mit Gewalt. Dieser Motivwechsel hin zur Zwangsbeglückung kommt in den Worten über dem Portal des ersten Zuchthauses des europäische Kontinents in Amsterdam 1595 gut zum Ausdruck: "Ich räche nicht, ich zwing zum Gute hin. Zwar meine Hand ist hart, doch liebreich ist mein Sinn."

Um dem Stand des Besserungsprozesses des einzelnen besser gerecht werden zu können, wurde das sogenannte Stufen- oder Progressivsystem eingeführt, was zu einer Binnendifferenzierung bei der Behandlung der Inhaftierten führte. Um die Häftlinge von schlechtem Einfluß zu befreien, wurde des weiteren die Einzelhaft eingeführt. Ob das ein Segen war, ist allerdings bis heute umstritten.

Den vorläufigen Abschluß der Entwicklung bildet das Aufkommen der "Resozialisierung" als neuem primären Motiv. Hierbei geht es weniger um die Verbesserung des Charakters als darum, dem Verurteilten während und auch nach der Haft eine Stellung in der Gesellschaft zu ermöglichen, die ihn davon abhält, Verbrechen zu begehen. Was anfänglich nur das Ziel privater sogenannter Gefängnisvereine war, ist heute Staatsziel. So lautet das Vollzugsziel im ersten deutschen Strafvollzugsgesetz von 1977: "Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen."


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