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03.03.07 / Jetzt heißt es Mann gegen Mann / Den USA bleibt in Bagdad nur noch der Häuserkampf - gehört wird auf den Rat eines Historikers

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-07 vom 03. März 2007

Jetzt heißt es Mann gegen Mann
Den USA bleibt in Bagdad nur noch der Häuserkampf - gehört wird auf den Rat eines Historikers
von Jörg Schmitz

Mit einem geordneten Rückzug erwirbt ein Feldherr selten historischen Ruhm. Zu Unrecht: Der Rückzug im rechten Moment beugt oft genug einer größeren Niederlage vor. Tony Blair hat dies begriffen.

Und so schrumpft die Koalition der Willigen. Auch in den USA wächst der Widerstand gegen eine Verlängerung der Truppenpräsenz im Irak. Doch für das Pentagon und die Bush-Regierung ist der Einsatz zwischen Euphrat und Tigris - der für die USA inzwischen schon länger dauert als der Zweite Weltkrieg - noch lange nicht vorbei. Im Gegenteil.

Die vor einigen Tagen gestartete Großoffensive amerikanischer und irakischer Truppen in Bagdad ist in vollem Gange. Die Offensive richtet sich gleichermaßen gegen sunnitische wie schiitische Extremisten. So sollen die täglichen Anschläge, Entführungen und Ermordungen in der Hauptstadt eingedämmt werden.

Wie viele Soldaten genau beteiligt sind, ist unklar. Und wie genau die Streitkräfte gegen die Extremisten vorgehen auch - militärische Geheimhaltung. US-Präsident George W. Bush hatte jedoch angekündigt, bis Ende Mai 21500 zusätzliche Soldaten in den Irak, insbesondere nach Bagdad, entsenden zu wollen.

Die Blaupause für diese Strategie liefert der Militärhistoriker Fred Kagan, Experte für sowjetische Militärgeschichte und napoleonische Schlachten. Im Straßenkampf, Mann gegen Mann, müsse die US-Armee "Bagdad säubern und halten".

In TV-Interviews wirkt der erst 36jährige Kagan fast wie eine Karikatur: zu beleibt, zu enger Anzug, zu große Brille und zu schnell zu verschwitzt im Scheinwerferlicht der Kameras. Ob dieser Apologet des Bush-Krieges eigentlich je selbst gedient hat. Hat er? "Nein!" Nie ein Gewehr in der Hand gehabt? "Nein, aber ich war zehn Jahre lang Dozent in West Point." West Point, das ist die Kaderschmiede der US-Armee. Kagan schaut sauer drein, zu oft hat er diese Antwort geben müssen.

Als "chicken-hawks", gleichsam als "feige Falken", wurden konservative Intellektuelle wie er schon vor vier Jahren geschmäht. Denn die allermeisten von ihnen, die damals in Washington das propagandistische Sperrfeuer für des Präsidenten Feldzug gegen Saddam Hussein leisteten, hatten nie selbst für die Nation im Dreck gelegen. Nicht mal im Manöver.

"Den Sieg wählen", nennt Kagan seine 47 Seiten starke Studie, die im Untertitel "einen Plan für den Erfolg im Irak" verspricht. Mancher Satz klingt, als sei er auf einem anderen Stern verfaßt worden: "Der Präsident muß einen persönlichen Aufruf an die jungen Amerikaner richten, sich als Freiwillige zum Kampf zu melden im entscheidenden Konflikt dieser Generation."

Seltsam klingt das Fazit seines Reports, geschrieben anno 2007, nach 47 Monaten Gefecht und mehr als 3000 gefallenen GIs: "Es ist Zeit für Amerika, in den Krieg zu ziehen und zu gewinnen." In seinem Büro hat der Militärhistoriker penibel ausgerechnet, wie viele zusätzliche Kampftruppen es dafür braucht: Bei ihm sind es mindestens fünf Brigaden, macht 35000 Mann, für mindestens 18 Monate.

Einwände der Generalität im Pentagon, die Armee sei längst überdehnt, wischt Kagan beiseite: Die Soldaten müßten eben drei oder fünf Monate länger ausharren im Feld. Am besten solle der Präsident schon jetzt sechs Verbände der Nationalgarde mobilisieren, vorsorglich für 2008 - Bush will das jetzt auch.

Doch am wichtigsten ist für Kagan ein Strategiewechsel: "Der Schutz der irakischen Bevölkerung war nie oberster US-Auftrag", bemängelt er, "das muß nun Priorität haben". Das sei "die höchste Pflicht eines Besatzers". Und nur in einem Klima relativer Sicherheit seien Sunniten und Schiiten zu Kompromissen fähig - Bush hat sich zu diesem Punkt noch nicht geäußert.

Selbst Skeptiker des Plans bescheinigen Kagan, er sei integer. Dieser Wissenschaftler, so bezeugt etwa Eliot Cohen von der Johns-Hopkins-Universität, habe Kurskorrekturen gefordert, als andere noch jubelten über die Siege von Amerikas schlanker High-Tech-Truppe in Afghanistan und im Irak. Kagan verlangte bereits damals mehr Soldaten zur Bekämpfung von Aufständischen. Auf Ex-Verteidigungsminister Rumsfeld hat sich Kagan eingeschossen. Der habe schon 2001 mit falschen historischen Analogien den Präsidenten in die Irre geführt und zu wenig US-GIs an den Hindukusch geschickt. "Und dann haben sie denselben Fehler im Irak wiederholt", sagt er.

Und jetzt, wo nur 21500 statt geforderter 35000 Mann in den Irak geschickt werden sollen? Wieder zu wenig Soldaten. Wäre ein Rückzug wie der der Briten nicht der bessere Weg? Kagan hört sich diese Fragen von TV-Journalisten an - und schweigt.

Foto: Tödliche Ausweiskontrolle in Bagdad: Jeder Fahrer könnte ein Selbstmordattentäter sein.


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