19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.03.07 / Für einen guten Eindruck / "Knigge, die nächste Generation" führt Jugendliche in die Etikette ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-07 vom 03. März 2007

Für einen guten Eindruck
"Knigge, die nächste Generation" führt Jugendliche in die Etikette ein
von Rebecca Bellano

Gespannte Neugier leuchtet in ihren Augen, ihr Rücken ist gerade gestreckt, ihr weißer Pullover mit der dezenten Kette strahlt Eleganz aus. Aufmerksam beobachtet die 17jährige Scharouna die anderen jungen Leute, die sich am Empfang des Hotels "Vier Jahreszeiten" in Hamburg versammeln. Mit ihnen wird sie die nächsten viereinhalb Stunden zusammen verbringen und den Kurs "Knigge, die nächste Generation" besuchen. Ihr zwei Jahre jüngerer Bruder Haaron sieht das Ganze um sich herum offenbar gelassener. Mit leicht hängenden Schultern sitzt er da wie ein typischer Jugendlicher, der weiß, daß er sich eh nicht gegen das auf ihn Zukommende wehren kann.

Doch dann werden die zehn Kursteilnehmer aufgerufen und in einen Raum gebeten und dort blickt auch Haaron interessiert um sich - und sein Blick trifft auf vier weitere Jungen und fünf Mädchen im Alter von 11 bis 18 Jahren. Während die Kursleiterin Meike Slaby-Sandte sich bei ihren Zuhörern vorstellt und diese sich vorstellen läßt, achtet Veranstalterin Ilse Neumann darauf, daß die Jugendlichen mit Getränken versorgt werden. Unauffällig wuseln zwei Auszubildende um die jungen Leute herum und erfüllen deren Wünsche.

Inzwischen blicken alle zehn Jugendlichen aufmerksam in die Runde. Zufälligerweise besuchen alle von ihnen Gymnasien, doch wer meint, daß es sich hier nur um Kinder reicher Hamburger handelt, der irrt.

Meike Slaby-Sandte sieht vor allem bei der Mittelschicht ein wachsendes Interesse, ihrem Nachwuchs eine gute Ausbildung angedeihen zu lassen. Und so ist auch diese Gruppe durchmischt. Während ein Geschwisterpaar mit seinen Eltern derzeit im Fünf-Sterne-Hotel logiert, wurde ein Mädchen von ihrer Mutter mit einem alten VW-Kombi vorbeigebracht. Da der Kurs mit 150 Euro pro Person nicht gerade günstig ist, ist der Preis für manche abschreckend, doch schon als die Schüler erzählen, wer sie zu dem Kurs veranlaßt hat, wird schnell deutlich, daß die Eltern in den seltesten Fällen die Finanziers sind: Oma war's!

Und tatsächlich, vor allem die Großelterngeneration habe ein Interesse daran, ihre Enkel an Etikette heranzuführen, dies stellt die Sales-Managerin des "Vier Jahreszeiten", Ilse Neumann, schon seit längerem fest. Überhaupt bemerke sie, daß Benimmregeln, die lange Zeit als altmodisch betrachtet worden seien, wieder im Kommen seien. Ein Blick auf die Publikationen der letzten Jahre bestätigen ihren Eindruck. So wurde das Buch "Manieren" von Asfa-Wossen Asserate zum Bestseller, das Magazin "Focus" ruft eine Renaissance der Etikette aus und die Kaufhäuser verzeichnen ein steigendes Interesse an eleganter Abendgarderobe. Man zieht sich also wieder fein an und sitzt aufrecht am Tisch; was vor kurzem noch als bieder und altmodisch galt, entwickelt sich zum Trend.

Und so erarbeitet Meike Slaby-Sandte mit den Jugendlichen, worauf beim ersten Eindruck geachtet wird, wie man aufzutreten hat und wie man sich und andere vorstellt. "Alter steht vor Geschlecht", so die junge Mutter, die seit Jahren für das Hotel "Vier Jahreszeiten" diese Kurse durchführt. Auch sei es wichtig, wenn man zwei sich Unbekannte einander vorstelle, diese auch mit einem Nebensatz kurz zu beschreiben, damit die beiden sich Fremden einen Anhaltspunkt erhalten, worüber sie sich unterhalten können. In Rollenspielen spielen die Jugendlichen einige Szenen durch und lachen über ihre eigenen kleinen Fehler.

Erfreut betrachtet Ilse Neumann ihre Schützlinge und erinnert sich an so einen Jugendlichen, der in Freizeitklamotten im Hotel vorbeikam, um sich mit einem auf kariertem Papier handgeschriebenen Brief um einen Ausbildungsplatz zu bewerben. Gerade in Zeiten knapper Ausbildungsplätze sei ein derartiges Verhalten nicht hinnehmbar, doch viele Kinder würden in ihrem Zuhause gar nicht mehr lernen, wie man sich benehme, da schon ihre Eltern keine Ahnung davon hätten.

Nachdem einige standardmäßige Umgangsformen in Gruppen ausgearbeitet wurden, geht es weiter an die Bar. Natürlich sind vor allem die Jungen Feuer und Flamme, als es darum geht, daß sie nach der vielen Theorie einen Cocktail mixen dürfen - natürlich alkoholfrei. Gemeinsam wird sich zugeprostet und Meike Slaby-Sandte erklärt, warum neben den Gemüsedips und Erdnüssen kleine Löffelchen liegen. "Nie mit den Finger reingreifen, das ist unhygienisch", so die Dozentin.

Währenddessen sind die fünf Mädchen schon in Gespräche untereinander vertieft. Die 13jährige Natalia erzählt, daß sie sich nicht getraut hat, jemandem zu erzählen, daß sie den Knigge-Kurs besucht, da einige Klassenkameraden bestimmt blöd geschaut hätten. Auch die neben ihr sitzende Anabelle hat das Thema nicht an die große Glocke gehängt.

Von der Bar geht es weiter in den Speisesaal. Hier lernen die Jugendlichen einen Tisch zu decken. Ein Auszubildender des Hotels zeigt ihnen, wie man Servietten falten kann, danach erklärt Meike Slaby-Sandte, wofür die verschiedenen Bestecke gedacht sind, und dann geht es los. Die Suppe wird gereicht und das Brot leicht mit Butter bestrichen.

"Die Gläser am Stiel anfassen, nicht am Kelch", werden gleich mehrere Jugendliche aufgeklärt. Die Mädchen stellen zwischendurch mehrere Fragen, zum Beispiel wie man Lippenstiftflecken am Glasrand vermeiden könne. "Mit der Zunge den Glasrand leicht befeuchten", so die Kursleiterin, allerdings sieht das wenig elegant aus und so geht das Ganze im Gekicher unter.

Da die Jugendlichen von heute nicht nur selbstbewußt, sondern auch verwöhnt sind, hatten einige schon vor dem Essen bekundet, keinen Fisch zu mögen, doch nun haben sich fast alle bereit erklärt, diesen zumindest zu probieren. Den guten Willen zeigen ist auch eine Form des Anstands.

Beim Essen verläßt auch den Letzten die Anspannung, und die Jungen beginnen, sich in ihren Jackets wohl zu fühlen. Zwischendurch gibt Meike Slaby-Sandte immer wieder ein paar Tips und Hinweise, die fast überwiegend auf Interesse stoßen.

Am Ende des Nachmittags eint die zehn Jugendlichen ein gemeinsames Erlebnis. Allerdings teilen sich Jungs und Mädchen in zwei Lager: Während die Jungs die Zeit in der Bar und das Essen am besten fanden, sind die Mädchen von dem Kurs im ganzen positiv überrascht, den sie sich nicht so locker-lustig vorgestellt hatten.

Mit einem "Diplom", das den Besuch des Knigge-Kurses bestätigt, verlassen sie gegen 19 Uhr das Hotel. Vermutlich wird dieses "Diplom" der einen oder anderen Bewerbung als Anlage beigelegt werden, denn der erste Eindruck zählt.

Die nächsten Knigge-Kurse finden am 23. Juni sowie am 2. und 3. November statt. Informationen: "Raffles Hotel Vier Jahreszeiten", Neuer Jungfernstieg 9-14, 20354 Hamburg, Telefon (0 40) 34 94 31 83.

Fotos: "Was ist ein Windsor?": Mit leichter Hand und guter Stimmung wird Krawattenbinden geübt; "Nie in die Erdnußschälchen reingreifen!": Ein kleines Löffelchen am Schalenrand hilft; "Von außen nach innen": Welches Besteck zuerst?; "Mit Liebe": Tischdekoration ist wichtig.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren