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03.03.07 / Neuer Kolumbus / Autor entdeckt Amerika

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-07 vom 03. März 2007

Neuer Kolumbus
Autor entdeckt Amerika

Der US-amerikanische Kolumnist und dreifache Pulitzer-Preisträger Thomas L. Friedman zog 2004 aus, um Indien zu entdecken. Doch wie 1492 sein Vorgänger Christoph Kolumbus entdeckte er nicht das, was er erwartete: Während Kolumbus statt Indien Amerika erreichte, fand Friedman in Bangalore die USA. Abgesehen davon, daß überall US-amerikanische Firmenlogos prangten, mußte der Autor erleben, wie hochmotivierte Inder per E-Mail die Steuerunterlagen von US-Amerikanern zugesandt bekommen, deren Steuererklärungen sie dann mit ihrem Hochschulwissen für einen Bruchteil des Geldes ihrer amerikanischen Kollegen erledigen. Während Call-Center-Jobs in den USA ein äußerst schlechtes Prestige genießen und auch zudem ungenügend bezahlt sind, würden sich junge Inder darum reißen, einen dieser Jobs zu bekommen. Angeblich würden inzwischen 350000 Inder in Call-Centern arbeiten, von denen ein Großteil US-amerikanische Kunden bediene. Sie würden etwa 600 Euro verdienen und, um die US-Kunden nicht zu verunsichern, unter falschem, amerikanischem Namen von Indien aus mit den Amerikanern telefonieren. Überhaupt würden immer mehr Dienstleistungsberufe nach Indien und auch China abwandern, so Friedman, der anhand zahlreicher Beispiele eine Entwicklung beschreibt, die offenbart, wie schnell die Globalisierung voranschreitet.

Um den Lesern die Angst zu nehmen, schildert er aber auch, wie sich das Wirtschaftsleben schon immer verändert hat. Wo früher in den USA beispielsweise einst ein wichtiges Zentrum des Walfangs war, von dem fast alle Einwohner lebten, ist jetzt die Marine der wichtigste Arbeitgeber, wo früher Textilindustrie dominierte, sind jetzt Versicherer angesiedelt. Durch moderne Informationstechnologie und ein ausgeklügeltes Transportsystem sei die Konkurrenz jedoch größer geworden, die Welt sei flach, denn nun könnten Menschen in Asien leichter die Jobs von Menschen in den USA erledigen, zumal viele dort inzwischen besser ausgebildet und motivierter seien als in Amerika.

Angesichts der vielen jungen Menschen, die auf das Gelände einer indischen Hochschule streben, wird dem Autor jedoch selbst Angst und bange. Schließlich habe er selbst zwei Töchter und wenn er bedenke, daß diese jetzt in Konkurrenz mit den unbezweifelbar opferbereiteren Asiaten ständen, dann würde seine Sorge keineswegs kleiner. Doch die Asiaten wollten die Westler durchaus nicht beherrschen, so Friedman, sie würden sie nur "die Treppe hinauftreiben", sprich ihnen mehr Leistungen entlocken. Allerdings müßte der Westen da mitziehen, daß an dem nicht immer so ist, erläutert Friedman ausführlich.

"Die Welt ist flach - Eine kurze Geschichte des 21. Jahrhunderts" ist keineswegs ein Wirtschaftsschocker, der den Untergang der westlichen Welt angesichts der asiatischen Bedrohung heraufbeschwört, der Autor führt differenziert verschiedene Vor- und Nachteile an und geht dabei auf die unterschiedlichsten Aspekte ein. Bei allem bedient sich der Bestseller-Autor einer einfachen, bildreichen Sprache, so daß ihm der Leser leicht folgen kann. Seine häufig verblüffenden Erlebnisse, aber auch Erkenntnisse sind die Lektüre durchaus wert.

Faszinierend ist auch seine Analyse der arabischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Reaktionen auf die wachsenden Wirtschaftsräume in Asien, denn während der Westen sich immerhin teilweise der Konkurrenz stelle, würde auf den anderen Kontinenten Schockstarre oder Unverständnis herrschen. Provokant, aber erhellend! Rebecca Bellano

Thomas L. Friedman: "Die Welt ist flach - Eine kurze Geschichte des 21. Jahrhunderts", Suhrkamp, Frankfurt / M. 2006, geb., 710 Seiten, 26,80 Euro, Best.-Nr. 6083


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