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03.03.07 / Zu selbstsicher / Michael Stürmer über die "Welt ohne Weltordnung" bleibt zu oberflächlich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-07 vom 03. März 2007

Zu selbstsicher
Michael Stürmer über die "Welt ohne Weltordnung" bleibt zu oberflächlich

Michael Stürmer ist das Gegenteil eines Gelehrten aus dem Elfenbeinturm. Er ist ein profunder Kenner der Geschichte und wurde von seinen linken Kontrahenten einst als "Nato-Historiker" diffamiert. Sein "schwerer Fehler": Wie seine universitären Kollegen Klaus Hildebrand und Andreas Hillgruber wollte er sich nicht dem Deutungsanspruch der Gesellschaftsgeschichte beugen. Stürmer war immer ein Realist und ein liberaler Konservativer. Selbstverständlich muß es seine zünftigen Kollegen verstören, daß er lange Zeit als Chef der "Stiftung Wissenschaft und Politik" erfolgreich war und dem Kanzler Helmut Kohl als Berater zur Seite stand. Stürmer ist kein Freund der fußnotengespickten Werke; sonst wäre er wohl nicht seit über 20 Jahren als Kolumnist für die "Neue Zürcher Zeitung", die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und "Die Welt" tätig.

Sein neues Werk kommt nicht so leicht daher, obwohl es - das ist man vom Autor gewohnt - leicht und locker geschrieben ist. Über eine solch elegante Feder verfügen eben ein Kocka, Mommsen oder Wehler nicht.

Stürmer gilt als Anhänger der realistischen Schule in der Außenpolitik, doch in "Welt ohne Weltordnung" präsentiert er sich eher als Vertreter der Kassandra-Schule. Man dachte eigentlich, daß Weltuntergangsstudien ein Privileg der Linken seien. Wer solche düsteren Bücher schreibt, will meistens vor Fehlentwicklungen warnen und greift dann ein wenig zu stark in die Tasten. Eine Frau, die Lippenstift und Rouge zu dick aufträgt, verliert an Attraktivität. Und ein Autor, der zu stark überzeichnet, schadet seinem ernsten Anliegen ebenfalls.

Natürlich liest man brillant geschriebene Werke konservativer Autoren mit Genuß. Man denke an die beiden Bücher Winfried Martinis aus den 50er Jahren. Fantastisch geschrieben, doch zum Glück haben sich die Prognosen zum Untergang der westlichen Welt nicht eingestellt. Stürmers knapp 200seitiges Werk läßt sich gut als Einführung in die internationale Politik lesen. Im ersten Kapitel berichtet er, wie der Kalte Krieg an sein Ende kam. Im zweiten Kapitel beschreibt er die Mächte ohne Gleichgewicht. "Europa steckt in der Krise", dekretiert der Autor, der - wir bewundern ihn dafür - völlig frei von (Selbst)-Zweifeln zu sein scheint und genau weiß, was Sache ist. Nur gemeinsam mit den Vereinigten Staaten habe der alte Kontinent eine Chance, der nach Ansicht von Stürmer aber auf dem absteigenden Ast ist. Es gehe erst wieder aufwärts, wenn die Europäer sich wieder klarmachten: "The world is still a dangerous place."

Rußland ist das "Imperium ohne Imperialmacht". Es ist ein unruhiges Reich, das seine neue Rolle noch nicht gefunden hat. Aber so viel ist offensichtlich: "Putin hält die Landkarte der Gegenwart nicht für das letzte Wort der Geschichte."

Während Stürmer bei Europa nur die negativen Punkte gelten läßt, schätzt er die Chancen Chinas überaus positiv ein. Für ihn ist das "Reich der Mitte" die kommende Großmacht. Sicher, der Einfluß Chinas wird steigen. Aber oft vergessen die so genannten "Experten", die das Land nur aus Büchern oder vielleicht gelegentlichen Besuchen kennen, daß es immer noch riesige Probleme und Defizite hat. Nur Amerika habe es in der Hand, wieder für Ordnung in der Welt zu sorgen. Doch ob es die USA wirklich mit den neuen Herausforderungen wie China, Indien, terroristischen Bedrohungen und Energiesicherung der westlichen Welt dauerhaft erfolgreich aufnehmen können, bleibe ungewiß. Überhaupt enttäuscht das Schlußkapitel mit dem Titel "Wer wird die Erde erben?" ein wenig. Von Stürmer hätte man eine Art positive Handlungsanweisung erwartet. Wie kann die Politik der westlichen Staaten in Zukunft aussehen, damit sie bei der neuen Weltordnung nicht unter die Räder kommen? Sätze wie "Freiheit bedarf der Sicherheit, sonst wird sie sich selbst zerstören. Sicherheit bedarf der Freiheit, sonst wird sie zum Selbstzweck" hören sich zwar gut an. Aber wirklich schlauer machen sie uns nicht. Michael Stürmer läßt uns etwas ratlos zurück. Ansgar Lange

Michael Stürmer: "Welt ohne Weltordnung - Wer wird die Welt erben?", Murmann Verlag, Hamburg 2006, 256 Seiten, 22.50 Euro, Best.-Nr. 6081


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