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10.03.07 / Die Nächte blieben schlaflos / Die Fluchtszenen machten durch ihre Eindringlichkeit betroffen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-07 vom 10. März 2007

Die Nächte blieben schlaflos
Die Fluchtszenen machten durch ihre Eindringlichkeit betroffen

Skepsis war angesagt: "Die Flucht" war als "historischer Zweiteiler" avisiert, zugleich aber als Spielfilm mit fiktiver Handlung, in deren Mittelpunkt eine Frau im Zwiespalt der Gefühle steht, die sich aber den harten Forderungen, die Krieg und Flucht stellen, unterordnen müssen. Gegenüber anderen Verfilmungen, die auf historischen und damit länger zurückliegenden Vorgängen beruhen, ist es fraglich, ob man diesen Spielfilm so apostrophieren kann, denn - wie auch die Drehbuchautorin und Produzentin Gabriela Sperl ausführt - behandelt er ein Thema, das in fast jede deutsche Familie hineinreicht. Die Härte des Geschehens, die vor allem die ostpreußische Bevölkerung traf, hat das Leben vieler Vertriebener bestimmt und ist auch nach 67 Jahren noch spürbar. So gesehen sind wir, die in das Thema durch das eigene Erleben eingebunden sind, Zeitzeugen und müssen zwangsläufig den Film aus diesem Blickwinkel betrachten. Daß er in uns Emotionen weckt, die im Alltag nur unterschwellig vorhanden sind, ist selbstverständlich, auch daß diese zu unterschiedlichen Beurteilungen führen müssen. Obwohl ich mich bemüht habe, den Spielfilm als solchen zu bewerten, gelang es mir nicht, meine Empfindungen zu unterdrücken, wollte es wohl auch nicht. Die Nächte blieben schlaflos.

Zu gravierend waren die Eindrücke, die vor allem durch die Fluchtszenen entstanden, die durch ihre Eindringlichkeit betroffen machten. Anders als reine Dokumentarfilme, die durch Kommentare erläutert werden, ist es hier das direkte Geschehen, das auch die Zuschauer berührt, die sich bisher mit dem Thema Flucht nicht auseinandergesetzt haben, nicht konnten oder wollten. So gesehen hat ein Spielfilm wie dieser auch Informationsgehalt, mag er durchaus an manchen Stellen zu Widersprüchen reizen. Darüber kann und wird diskutiert werden, auch über manche Unstimmigkeiten und Anachronismen, die sich wohl in jeder so enorm aufwendigen Produktion ergeben. Das Land hat jedenfalls mitgespielt: Am beeindruckendsten ist die Flucht über das zugefrorene Frische Haff mit Schneesturm und Einbruch des Fluchtwagens, die grausame Kälte, der Angriff der russischen Tiefflieger, der Tod in der endlosen Eisweite - das ist großartig gefilmt.

Und gespielt. Man muß dem Film zugestehen, daß er sehr gut besetzt ist bis in die kleinsten Nebenrollen. Was man als Vertriebener, der sein eigenes Schicksal gespielt sieht, befürchten mußte, trat nicht ein: Die Akteure wirkten jedenfalls in den Fluchtszenen authentisch. Vielleicht, weil sich Schausteller wie Statisten beim Dreh im eisigkalten Litauen der Härte des östlichen Winters stellen mußten. Wie die Hauptdarstellerin Maria Furtwängler, die bei den sie fast überfordernden Strapazen am liebsten aus dem Treck ausgeschert wäre, aber so der Rolle der Lena eine noch stärkere Glaubwürdigkeit verleihen konnte. Für sie die herausforderndste Aufgabe in ihrem bisherigen Schauspielerleben, die von ihr eine gewisse Gratwanderung verlangte. In ihrer Rolle als ledige Mutter aus einem alten Adelsgeschlecht, die den vorgegebenen Konventionen nachgibt und den ihr vorbestimmten Mann heiraten will, sich aber dann in einer emotionalen Verbindung mit einem französischen Kriegsgefangenen zu verstricken scheint, war ein Abdriften ins Klischeehafte zu befürchten. Konzessionen, die eben an einen Spielfilm mit starkem Unterhaltungswert - und hohen Produktionskosten - gemacht werden. Maria Furtwängler, schon vom Typ her die Idealbesetzung, wirkte am stärksten in jenen Situationen, die Verantwortung und einen kühlen Kopf verlangten. Vor allem das Abblocken der Gefühle, das die Menschen in den schwersten Stadien der Flucht zeichnete, bringt sie hervorragend zum Ausdruck. In einer zusammenbrechenden Welt, in der die Menschen alles verlieren, was ihr Leben bestimmt hatte: Heimat und Habe, historisch Gewachsenes, Geborgenheit, Unversehrtheit an Leib und Seele, Idole, die für sie glaubhaft gewesen waren. Was bleibt, was kommen könnte, will der Film an seinem Ende aufzeigen, das aber gegenüber den starken Szenen aus dem Endkampf um Ostpreußen, zu denen auch die erschütterndste - die Vergewaltigung der flüchtenden Frauen durch die russischen Horden - gehört, abrupt abfällt. Die Handlung erscheint zu komprimiert und dürfte für manchen Zuschauer, der sich bisher nicht mit dem Titelthema beschäftigt hat, schwer verständlich sein. Immerhin, und das bleibt unbestritten, wird durch das hier voll eingesetzte Instrumentarium, über das eine solch aufwendige Spielfilmproduktion verfügt, dieses bisher von den Medien weitgehend gemiedene Kapitel deutscher Geschichte Millionen von Menschen vor Augen geführt, die sich sonst nicht für dieses Thema interessiert hätten. Wie Gabriela Sperl sagt: "Die Zeit ist da, die Dinge offen auszusprechen." Es dürfte viel gesprochen werden! Ruth Geede

"Der Film ist besser als sein Ruf. Er ist kein Ersatz für die Realität und spiegelt nur Bruchteile der Wahrheit wider, denn die persönlichen Erlebnisse fehlen ja. Diese sind bei jedem Menschen unterschiedlich. Leid ist stets individuell. Solche Tragödien brennen sich in die Seele und nur selten weichen sie dem Vergessen" (Christa Pfeiler-Iwohn)

"Ein aufwühlender Film. Hervorragend in Konzeption und Darstellung mit künstlerischer Leistung bis ins Detail, bewirkt er das Nichtvergessen. Der Schmerz des Verlassens der Heimat sitzt immer noch tief. Mag er dazu beitragen, daß die Erinnerung an die Kultur und Landschaft bei der nachfolgenden Generation erhalten bleibt." (Christian Papendick)

"Klar ist mir, daß der Spielfilm, in den viel Herzblut reingesteckt wurde, nicht das wirkliche Ausmaß unserer Vertreibung und die unermeßlichen Leiden von Frauen und Kindern auf dem Fluchtweg aufzeigen konnte. Ich hoffe, daß eine unbefangene, offene Diskussion über unser Schicksal in der Öffentlichkeit möglich wird." (Anita Motzkus)

"Ein beeindruckender Film. Gut, daß das Thema einem breiten Publikum so realistisch vermittelt wird. Kleine Unstimmigkeiten in den Darstellungen können der Regie verziehen werden. Allerdings fällt auf, daß sich die historische Beratung offenbar mit den Verhältnissen auf einem adligen Gutshof in Ostpreußen nicht besonders gut auskennt." (Hans Graf zu Dohna)


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