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10.03.07 / Zerstörung der Gemütlichkeit / Das Vitra Design Museum zeigt auf einer Ausstellung die Entwicklung der "idealen Wohnung"

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-07 vom 10. März 2007

Zerstörung der Gemütlichkeit
Das Vitra Design Museum zeigt auf einer Ausstellung die Entwicklung der "idealen Wohnung"
von Silke Osman

Die Wohntrends 2007 sind vielseitig wie nie. Organische Formen, hochwertige Materialien, wandlungsfähige Wohnsysteme und originelle Ideen präsentierten die Hersteller auf der Möbelmesse in Köln. Lounges wie im Flughafen oder doch lieber Kuschelecken? Fließende Formen und flexible Gestaltung, Retro-Look und klassische Elemente - die neuen Polstermöbel bieten für jeden Geschmack etwas Besonderes. Nüchterne Coffee-Shop-Atmosphäre mit modernen Sitzbänken verbreitet das Gefühl, nicht wirklich zu Hause zu sein. Ob's gefällt? "Cooles Design" mit Beton oder Schichtholzplatten, dazwischen jede Menge intelligente Lösungen mit Holz, sollen vor allem junge Leute ansprechen. Der Clou: Tischplatten versehen mit dem Wunschmotiv des Kunden.

Auch die Lampen, hier vornehm "Leucht Objekte" genannt, zeigen Vielfalt: elegante Porzellan-Skulpturen, Leselampen, die sich mühelos in alle Richtungen drehen lassen, und stimmungsvolle Deckenleuchten, die an Blüten erinnern. Variable Möbel, dekorative Raumteiler, praktische Pflanzbehälter zeigen den Ideenreichtum heutiger Gestalter.

Einen Blick zurück in die Vergangenheit und somit auch in die Entwicklung der "idealen Wohnung" wagt das Vitra Design Museum in Weil am Rhein mit seiner aktuellen Ausstellung unter dem Titel "Die Zerstörung der Gemütlichkeit?" Gezeigt werden 140 Objekte, darunter Zeichnungen und großformatige Fotos damaliger Wohnungseinrichtungen und Ausstellungsinstallationen, Plakate, Kataloge und andere historische Dokumente aus Museumsarchiven. Dazu sind Möbel und Leuchten aus der Sammlung des Vitra Design Museums zu sehen, die in den jeweiligen Ausstellungen und Schauwohnungen präsentiert wurden. Von Jugendstil bis zum Deutschen Punk-Design, vom skandinavischen Einrichtungsstil zur Wohnlandschaft des Popzeitalters macht diese Ausstellung den Wandel der Wohnideale anhand von 16 ausgewählten internationalen Ausstellungen des 20. Jahrhunderts deutlich.

Begonnen hatte alles 1901 mit der Ausstellung "Ein Dokument Deutscher Kunst", der ersten bedeutenden deutschen Bauausstellung. Josef Maria Olbrich hatte in Darmstadt sieben Künstlerhäuser, Peter Behrens ein achtes errichtet, das jedes für sich ein Gesamtkunstwerk war, jeder Raum individuell gestaltet. Sechs Jahre zuvor war in Leipzig eine Mustermesse durchgeführt worden, ein neuer Messetyp, der den Menschen zum bewußteren Umgang mit den Dingen des täglichen Gebrauchs bringen sollte. Ästhetisch geformte, heute würde man sagen durchgestylte, Textilien, Möbel, Besteck, Glas, Geschirr sollten den Alltag erobern.

1908 erregte der Österreicher Josef Hoffmann nicht nur in seiner Heimat Aufsehen, als er auf der Kunstschau ein Landhaus errichten ließ, ausgestattet mit ornamentalen Tapeten und Teppichen sowie mit Möbeln aus Bugholz, einem Material, das wie Stahlrohr Gewicht und Masse der Möbel reduzierte und so zu einer "optischen Entrümpelung" führte.

"Kram von vergoldeten Konsolen, Kredenzen, Büfetts, Vitrinen und so weiter, was fangen wir heute damit an? Wir geben höchstens dafür viel Geld aus, sie versperren uns die Zimmer, das heißt der Architekt wird gezwungen, große Räume zu schaffen, und wir erhalten ein großes, nutzloses und teures Haus", sagte Le Corbusier, der 1927 für die Werkbund-Ausstellung "Die Wohnung" zwei Häuser der Stuttgarter Weißenhofsiedlung entworfen hatte.

Ob sich allerdings in den vergangenen 100 Jahren wirklich so sehr viel in den deutschen Wohnzimmern gewandelt hat, mag der Besucher der Ausstellung selbst entscheiden.

Die Ausstellung des Vitra Design Museums, Weil am Rhein, Charles-Eames-Straße 1, ist montags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr geöffnet, Eintritt 8 / 6,50 Euro, bis 28. Mai.

Foto: Schöner Wohnen vor 100 Jahren: Speisezimmer im Haus Behrens auf der Mathildenhöhe Darmstadt, errichtet von Peter Behrens anläßlich der Ausstellung "Ein Dokument Deutscher Kunst" im Jahr 1901 und Eingangshalle eines kleinen Landhauses, errichtet von Josef Hoffmann für die Kunstschau in Wien 1908


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