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10.03.07 / Die Angst vorm Leben / Junge Frau wandelt sich von einer grauen Maus zur selbstbewußten Person

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-07 vom 10. März 2007

Die Angst vorm Leben
Junge Frau wandelt sich von einer grauen Maus zur selbstbewußten Person

In "Unsichtbar" erzählt Ivana Jeissing aus dem Leben einer jungen Frau, die ihr Leben bisher damit verbracht hat, unauffällig, brav und fleißig - quasi "unsichtbar" zu sein.

Ganz nach dem Beispiel ihrer Mutter, die sich als redliche Ehefrau immer in den Schatten ihres erfolglosen Mannes stellte, um ihm die Schmach der Erkenntnis, daß sie besser sein könnte als er, zu ersparen. Jane Terry ist eigentlich eine hübsche und durchaus intelligente Frau, doch als nach all den Jahren des "Nicht-gesehen-werdens" Peter in ihrem Leben auftaucht und ihr ein, wenn auch sehr zweifelhaftes, Kompliment macht, ist sie darüber so erfreut, daß sie kaum bemerkt, wie sie mit offenen Augen in ihr Unglück läuft.

"Zwei Tage später rief Peter an, weil er mich unbedingt wiedersehen wollte, und wir trafen uns ins einem Londoner Café, wo er mir bei Kuchen und Tee meine große Ähnlichkeit mit ,Ma Jolie' gestand. Ich fühlte mich geschmeichelt. Allerdings war dieses wunderbare Gefühl nur von kurzer Dauer, denn als ich in einem Kunstbuch ihr Bild entdeckte, war ich nicht nur enttäuscht, sondern auch zutiefst irritiert, denn ,Ma Jolie' ist praktisch nicht vorhanden und physisch so sehr in Quadrate, Flächen, Linien und Schattierungen aufgelöst, daß man so gut wie nichts mehr an ihr erkennen kann."

Bald darauf heiratet Jane Peter und zieht mit ihm aufgrund seiner Beförderung nach Berlin. Da er nur selten Zeit für sie hat, bezeichnet sie ihre Ehe der Einfachheit halber als "energiesparend", ohne sich wirklich darüber Gedanken zu machen, ob sie damit glücklich ist. In Fred, dem Besitzer eines nostalgischen Kinos am Ku'damm, findet sie einen Freund und Abwechslung von ihrem tristen Leben. So plätschert Janes Leben energiesparend-langweilig ohne besondere Zwischenfälle dahin.

Doch dann überschlagen sich die Ereignisse plötzlich. Jane begegnet der jetzt mega erfolgreichen Jill Plumhummer, einer ehemaligen, recht überkandidelten Studienkollegin, ihr Vater wird in die Psychiatrie eingewiesen, und ihre sonst so unemotionale Mutter schickt ihr eine bunte Urlaubskarte mit selbstgemalter lächelnder Sonne und Grüßen eines gewissen Hilberts.

Um das Maß voll zu machen, findet sie heraus, daß der "ach so beschäftigte" Peter eine Affäre hat, und begegnet im Kunstmuseum einem Mann, der ihre Gefühle sozusagen Salsa tanzen läßt.

"Und während ich versuche, seinem unwiderstehlichen Blick zu widerstehen, nehme ich mir vor, meine Decidophobie (Angst vor Entscheidung) und meine Allodoxophobie (Angst vor einer Meinung) zu besiegen und sage: ,Ich werde jetzt gehen.' Daniel findet, ich solle noch bleiben ..."

Dank der Verkettung aller Umstände beginnt Jane Terry zum ersten Mal in ihrem Leben, das Leben zu "spüren" und mit jeder gelesenen Zeile wird auch für den Leser der beginnende Prozeß der Veränderung in der Person Jane Terry offensichtlich. Die Veränderung von einer willenlosen Figur, welche sich den Widrigkeiten des Alltags komplett angepaßt und untergeordnet hat, zu einem Menschen, der auch bereit ist, Dinge beziehungsweise Gefühle an sich heranzulassen und somit auch mal das Risiko einer Enttäuschung in Kauf zu nehmen.

Ein ironisches, humorvolles Psychodrama, in dem Ivana Jeissing dem Leser an dem Beispiel der Jane Terry bewußt macht, daß das Glück nicht von sich aus an die Türe klopft, sondern daß man selbst auch Veränderungen zulassen und aktiv handeln muß, um den eigenen und für einen selbst richtigen Weg zu finden. A. Ney

Ivana Jeissing: "Unsichtbar", Diogenes, Zürich 2007, 223 Seiten, 18,90 Euro, Best.-Nr. 6087


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