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10.03.07 / Eine Karriere in Preußen / Theodor Gottlieb von Hippel bewährte sich als Staatsdiener und schrieb Bücher

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-07 vom 10. März 2007

Eine Karriere in Preußen
Theodor Gottlieb von Hippel bewährte sich als Staatsdiener und schrieb Bücher
von Rüdiger Ruhnau

In einer politisch unruhigen Zeit begann Theodor Gottlieb Hippel (1741-1796) sein Studium der Theologie an der Königsberger Universität. Gerade einmal 17 Jahre alt, mußte der voller kreativer Ideen steckende Jüngling erleben, wie die Russen Ostpreußen eroberten und das Land bis 1763 besetzt hielten. Aber hätte er zu normalen Zeiten, ohne die russische Okkupation, die gleiche Stellung erreichen können?

Mehrfach hatte König Friedrich II. schon im Frieden bekundet, daß die östliche Provinz in einem Mehrfrontenkrieg für Preußen nicht zu halten sei. Friedrich wollte mit Rußland keinen Krieg, er stellte auch keine Ansprüche an die fernöstliche Macht. Eine seiner Hoffnungen war das Ableben der unheilbar kranken Zarin Elisabeth, die einer Allianz mit Österreich beigetreten war mit dem Ziel, Ostpreußen zu erobern. 1757 fiel ein großes russisches Heer in Preußen ein. Bei Groß Jägersdorf, westlich von Insterburg, kam es zur Schlacht mit dem zweieinhalbmal unterlegenen Korps des Feldmarschalls Lehwaldt. Die preußischen Truppen mußten sich zurückziehen. König Friedrich II. war an allen Punkten seines Reiches bedroht, fast überall standen die feindlichen Soldaten schon auf dem Boden seiner Provinzen.

Am 22. Januar 1758 rückte der in Rußland geborene General Wilhelm Graf v. Fermor unter dem Geläut der Kirchenglocken in Königsberg ein. Magistrat sowie die preußischen obersten Landesbehörden (Gerichtshof, Kriegs- und Domänenkammer) leisteten den Huldigungseid auf Zarin Elisabeth. Auch die Universitätsprofessoren wurden vereidigt. Ostpreußen wurde russisches Generalgouvernement, an der Spitze Graf Fermor - er galt bei den Russen als Deutscher - mit Sitz im Schloß.

Mit der Okkupation vollzog sich in Königsberg eine bemerkenswerte Umgestaltung der gesellschaftlichen Lebensformen, die auch für den jungen Hippel von entscheidender Bedeutung wurden. Die Zarin hatte ihre humansten Offiziere mit der Verwaltung des nun russisch gewordenen Ostpreußen betraut. Die Besatzungsoffiziere, meist deutschbaltischer Herkunft, hörten nicht nur fleißig Vorlesungen an der Universität, sie verkehrten auch gerne in den Königsberger Freimaurerlogen. In der "Drei Kronen Loge" lernte Theodor Gottlieb Hippel den in russischen Diensten stehenden Leutnant Hendrick v. Keyser kennen. Beide freundeten sich bald an und als v. Keyser von General Fermor den Auftrag bekam, eine Sammlung schöner Bernstein-Exemplare der Zarin zu überbringen, durfte Hippel den Offizier nach Petersburg begleiten. Leutnant v. Keyser finanzierte auch die 1761 angetretene Reise des Theologiestudenten. Gemeinsam mit Hippel wohnte er in Petersburg im Hause Korffs.

Nikolaus von Korff, über seine Ehefrau mit der Zarin verwandt, war zum Gouverneur von Königsberg ernannt worden. Generalleutnant v. Korff, ein im russischen Dienst stehender Kavalier kurländischer Herkunft, hatte nicht nur das Bernsteingeschenk, die "ostpreußischen Edelsteine", für die Zarin ausgesucht, er stattete auch die beiden Überbringer mit den entsprechenden Empfehlungsschreiben aus. So wundert es nicht, wenn der agile, inzwischen gut russisch sprechende Hippel zu den Petersburger Hofkreisen raschen Zugang fand, mithin Bekanntschaften machte, die seiner späteren Karriere durchaus förderlich waren. Der Aufenthalt in Rußland blieb für ihn das immer haftende große Ereignis.

Wieder in Königsberg, gab Hippel das Studium der Theologie auf. Er widmete sich dem Rechtsstudium, das ihn in die preußische Verwaltungslaufbahn führte. Die Stadt Königsberg beherbergte damals etwa 50000 Einwohner, an der Universität waren etwa 500 Studenten eingeschrieben, darunter erstaunlich viele Studierende aus dem Herzogtum Kurland. Die Stadt hatte sich den Russen kampflos ergeben, dafür erhielt sie alle Freiheiten und Rechte, die ihr auch vorher zustanden.

Dem Kammerpräsidenten von Gumbinnen, Domhardt, war es noch rechtzeitig gelungen, 300000 Taler heimlich wegzuschaffen, was der Kriegskasse Friedrichs des Großen zugute kam. Noch mehr zugute kam dem König der Tod der Zarin. Ihr Nachfolger Zar Peter III., ein Verehrer Friedrichs, verfügte sogleich einen Waffenstillstand. Ende des Jahres 1762 war die Provinz von der Okkupationsarmee befreit. In den Amtsstuben verschwanden die Zarenbilder, dafür hängte man die Porträts des Preußenkönigs auf.

Man sprach vom "Mirakel des Hauses Brandenburg" und meinte die bewundernswerte Energie, mit der sich Preußen im Siebenjährigen Krieg gegen eine erdrückende Allianz behaupten konnte. Friedrich der Große hat jedoch den Ostpreußen nie verziehen, daß sie der Zarin huldigten, er besuchte nie mehr die Krönungsstadt der preußischen Könige.

Theodor Gottlieb von Hippel erwarb den Adelstitel vor dem 29. September 1786. Von diesem Tage existiert ein Brief Kants an Hippel, in welchem der Philosoph den inzwischen 45jährigen Beamten "zur Erhebung in den Adelsstand" beglückwünschte. Hippels Aufstieg in der Verwaltungshierarchie war zwischenzeitlich planmäßig fortgeschritten. Als Junggeselle war er ein willkommener Gast in den Salons geistvoller Damen, besonders im Palais der Gräfin Keyserling, wo Künstler, Gelehrte, Offiziere gerne verkehrten. Die Gräfin, auf Antrag Chodowieckis auch Ehrenmitglied der Preußischen Akademie der Künste, führte ein mit Kunstschätzen angefülltes Haus, das mit Festen und Theateraufführungen über Königsberg hinaus berühmt war. Auch Kant weilte dort öfter, während die Feste Herrn Hippel Gelegenheit boten, dort Studien für seine anonym erschienenen Romane zu machen.

Andere Geselligkeitsmöglichkeiten boten die Königsberger Logen, denen Kaufleute, Beamte, auch Geistliche angehörten. Immanuel Kant dagegen, schon damals hoch geehrt, lehnte die Freimaurerei ab. Obwohl er gerne Geselligkeit pflegte, wollte er nicht, daß man ihm unterstellen könnte, er hätte wegen der möglichen Anknüpfung von Beziehungen die Loge besucht. Bekanntlich liebte der Junggeselle Kant gutes Essen und Trinken, doch seinen persönlichen Umgang suchte er selbst aus. Zu seinen engeren Tischgenossen gehörten der Pfarrer Borowski, Professor Christian Jakob Kraus und der 17 Jahre jüngere Hippel. Kant nannte ihn "meinen vertrauten Freund", beide liebten die freie Natur, sie spazierten manches Mal gemeinsam vor den Toren der Stadt.

1780 wurde Hippel zum Bürgermeister, sechs Jahre später zum Geheimen Kriegsrat und Stadtpräsidenten bestellt. Zu seinen Verwaltungsaufgaben gehörte schon vorher die Reorganisation des Polizeiwesens einschließlich der Feuerwehr. Ebenso oblag ihm die Fürsorgepflicht für die ärmeren Einwohner der Stadt. Aus Kants vertrauterem Umgang mit Hippel in den Jahren 1770 bis 1795 ist ein Brief vom 9. Juli 1784 bekannt, in dem er sich an den "ersten Bürgermeister, Polizeidirektor und Aufseher des Gefängnisses" wendet mit der Bitte, Hippel möge ihm in seinem neu erworbenen Besitztum, dessen Garten an das Criminalgefängnis grenzte, den Genuß ungestörter Ruhe gewähren.

Bei dem freundschaftlichen Verhältnis des Philosophen mit dem Bürgermeister ist anzunehmen, daß Kant über die anonyme Schriftstellerei Hippels informiert gewesen ist. Nach dem Tode Hippels (1796) erschien in dem "Allgemeinen Literarischen Anzeiger" eine öffentliche Aufforderung an Kant, er möge dazu Stellung nehmen, daß er der Verfasser "von dem seligen v. Hippel zugeschriebenen Werke ,Über die Ehe' und der ,Lebensläufe'" sei. Nun muß man wissen, daß die Formen der Liebe und die Zuneigung der Geschlechter bis in das 18. Jahrhundert traditionell durch die Kirche bestimmt waren. Dem Manne als der "Krone der Schöpfung" fiel die Hauptrolle im Verhältnis beider Geschlechter zu. Juristisch war die Frau in der Ehe nicht handlungsfähig, alle Dinge in der Familie konnte der Mann entscheiden. Erst mit dem Zeitalter der Aufklärung, der Heranbildung einer bürgerlichen Gesellschaft änderten sich langsam die Zustände. Kant nahm ebenfalls in einer öffentlichen Erklärung ("Allgemeine Literaturzeitung", Intelligenzblatt, Jg. 1797) zu den Anwürfen Stellung. Er stellte fest, daß er "nicht der Verfasser der anonymischen Werke Hippels sei, weder alleine, noch in Gemeinschaft mit ihm". Die anonymen Schriften Hippels erfreuten sich seinerzeit großer Beliebtheit. Herausgegeben von der Vossischen Buchhandlung Berlin, geschmückt mit den reizvollen Radierungen Chodowieckis, erlebten sie mehrere Auflagen.

Foto: Kant und seine Tischgenossen in Königsberg 1847: Auf dem Gemälde von Emil Dörstling sind Professor Kraus, Polizeidirektor v. Hippel, Kriegsrat Scheffner, Hamann, Borowski sowie die Kaufleute Jacoby und Motherby dargestellt. Das Bild entstand 1892 / 93 im Auftrag des Königsberger Stadtrats Dr. W. Simon, der es der Stadt schenkte.


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