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10.03.07 / Ostseestrand / Der Zauber der Kurischen Nehrung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-07 vom 10. März 2007

Ostseestrand
Der Zauber der Kurischen Nehrung
von Wilhelm von Humboldt

Die letzten Tage meiner Reise sind noch recht angenehm gewesen. Drei Tage immer am Ufer des Meeres. Die Kurische Nehrung ist so merkwürdig, daß man sie eigentlich ebenso gut als Spanien und Italien gesehen haben muß, wenn einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen soll. Ein schmaler Strich toten Sandes, an dem das Meer unaufhörlich an einer Seite anwütet, und den an der andern eine ruhige große Wasserfläche, das Haff, bespült. Die ödesten Sandhügel, die schrecklichsten traurigen Kiefern, die ganze Stunden lang, so weit man sehen kann, bloß aus dem Sande, ohne einen einzigen Grashalm emporwachsen, und nur oben durch die Luft zu leben scheinen, eine Stille und Leere selbst von Vögeln auf dem Lande, die dem Brausen des Meeres nicht zu übertäuben gibt, nur einzelne große Möwen, die am Ufer hinschweben. Dann auf einmal, aber freilich selten, eine ordentliche Oase (wie auch in den Landes von Bayonne, wenn du dich erinnerst), hübsche Wiesen, schöne Bäume, ein freundliches Dorf.

So fuhr ich fast 24 Stunden lang, einen Tag und eine mondhelle Nacht, immer mit einem Rade im Wasser. Die See war sehr bewegt, ohne eigentlich zu stürmen. Manchmal ist sie so schlimm, daß neulich die Wellen das Verdeck der Chaise eines Reisenden weggerissen haben.

Von der Nehrung reiste ich weiter der Küste nach bis Pillau. Hier sind die Ufer hoch und das Land innerhalb freundlich und fruchtbar, die grünen Wiesen gehen bis an die Küste an einigen, doch wenigen Stellen. Aber viel Dörfer, Hügel, die man hier schon Berge nennt, und einzelne Baumgruppen, auch einige große und schöne Waldungen von Eichen und Buchen, Nadelholz fast gar nicht.

Ich blieb eine Nacht gerade an der Ecke der Küste in Dirschkeim, wo auf einer Art Vorgebirge eine Art Leuchte für die Seefahrenden ist, um die Klippen zu vermeiden.

Ich ging noch die Nacht allein an den Meeresstrand. Es war schrecklich stürmisch, aber der Mond kam unterbrochen zwischen den schwarzen Wolken hervor. Ich habe bis nach Mitternacht da gestanden. Es war ein sehr großes Schauspiel. Wie innig habe ich da deiner gedacht, holde teure Seele. Wie mich gesehnt durch die empörte Flut hindurch an die Küste hin, wo ich mit dir war. Ich werde die Nacht nie vergessen, sie ist das Größte und Schönste, was ich seit meiner Abreise von dir erlebt habe.

Aber wie eisig, wie dürftig, wie traurig ist dieser Meeresstrand, und selbst dies Meer. Es gibt auch hier echte Strandsteine, und die Prinzessinnen haben sich Perlen zu Halsbändern davon schleifen lassen. Aber wie selten, wie wenige; von dem ganzen, bunten, muschelvollen Strande des Mittelmeeres nicht die mindeste Spur. Ich habe mich todgesucht nach einer kleinen Muschel, wie Caroline eine zum Ohrring hat, aber umsonst. Immer dasselbe einförmige Exemplar einer ganz glatten, kalkartigen, elenden Muschel, und die noch meist zerbrochen. Nur die Wellen sind hier schön, die von der Fremde herkommen und nun anstürmen und wieder zurückdonnern. An dieser Küste findet man auch den meisten Bernstein, den schönsten in der Erde. Aber den meisten bringt die See. Männer gehen hinein und fischen mit Netzen das Seekraut. An diesen hängt er noch weich und verhärtet in der Luft. Wie er entsteht, weiß niemand.


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