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17.03.07 / Gedenken an einen Tiefgläubigen / In Berlin wurde der 100. Geburtstag des NS-Widerstandskämpfers Helmuth James Graf von Moltke festlich begangen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-07 vom 17. März 2007

Gedenken an einen Tiefgläubigen
In Berlin wurde der 100. Geburtstag des NS-Widerstandskämpfers Helmuth James Graf von Moltke festlich begangen
von Herbert Ammon

Das Jahr 2007 steht im Zeichen der Erinnerung an Helmuth James Graf von Moltke, geboren am 11. März 1907 in Kreisau / Niederschlesien, nach einer Gerichtsfarce vor Freislers "Volksgerichtshof" als NS-Widerstandskämpfer verurteilt und hingerichtet am 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee. Am vergangenen Sonntag, Moltkes 100. Geburtstag, wurde des Namensgebers des "Kreisauer Kreises" mit einem ökumenischen Gottesdienst im Französischen Dom sowie einem Festkonzert im Konzerthaus am Gendarmenmarkt gedacht.

In beiden Festakten stand die Persönlichkeit des Großneffen des siegreichen Feldherrn der Deutschen Einigungskriege Helmuth Karl Bernhard Graf von Moltke als geistiger Wegbereiters des heutigen, friedlich geeinten Europas im Vordergrund. Der Gottesdienst wurde dank Ritus - ehrwürdige Choräle samt ungekürztem apostolischen Glaubensbekenntnis - und Predigten zu einem eindrucksvollen Erlebnis.

Der hannoveranischen Landesbischöfin Margot Käßmann ging es um aktuelle Bezüge des Vermächtnisses des Christen und Europäers Moltke. Sie mahnte den fehlenden Gottesbezug in der anscheinend noch nicht beerdigten europäischen Verfassung an und warnte vor den Gespenstern der Vergangenheit in Gestalt der NPD.

In eindringlichen Sätzen beschwor der Oppelner Erzbischof Alfons Nossol - er zelebrierte anno 1990 den deutsch-polnischen Versöhnungsgottesdienst in Kreisau - das Bild des christlichen deutschen Widerstands. Er wandte sich gegen die fortwirkende "Kultur des Todes", zitierte den fast vergessenen Dichter Reinhold Schneider, der forderte, das "Töten zu töten", und dessen Warnung vor dem Gericht: Allein den Betern kann es noch gelingen / Das Schwert ob unseren Häuptern aufzuhalten / Und diese Welt den richtenden Gewalten / Durch ein geheiligt Leben abzuringen. Nicht zufällig betonte Nossol die Bedeutung seiner schlesischen Heimatregion für den christlichen Widerstand. Er erinnerte an Peter Yorck von Wartenburg und dessen Gut bei Öls sowie an den in Breslau geborenen Märtyrer Dietrich Bonhoeffer.

Der vom Stiftungsrat der Freya-von-Moltke-Stifung für das Neue Kreisau veranstaltete Festakt mit Konzert trug eminent politischen Charakter. Bundeskanzlerin Merkel interpretierte die Kreisauer Friedenskonzepte als Blaupause für Gegenwart und Zukunft der EU.

Als Fürsprecher des europäischen Verfassungsvertrages trat der frühere polnische Außenminister und heutige Europa-Parlamentarier Bronislaw Geremek hervor.

Was an seiner Rede bewegte, war die Annäherung von Polen seiner Generation, insbesondere der katholischen Intelligenz, an das Bild und die Realität des "anderen Deutschland", geprägt von Moltke, Stauffenberg - sein 100. Geburtstag jährt sich am 15. November - und Bonhoeffer.

Die 96jährige Freya von Moltke, trat vor das mehr als 100köpfige "Junge Klangforum Mitte Europa" - ein Ensemble von deutschen, polnischen und tschechischen Musikern -, um mit mächtiger Stimme ihrer Freude über den Geist der Versöhnung zum Ausdruck zu bringen.

Gustav Mahlers 2. Sinfonie c-Mol, dirigiert von Christoph Altstädt, versetzte das Publikum, darunter Richard von Weizsäcker, in erhebende Festtagsstimmung. Die Organisatoren müssen sich fragen lassen, ob anstelle des hochromantischen, pantheistisch inspirierten Werkes die Johannespassion von Johann Sebastian Bach dem Gedenken des tief gläubigen Christen Moltke nicht angemessener gewesen wäre.

 

Der "Kreisauer Kreis"

Ab 1940 fanden auf dem niederschlesischen Gut Kreisau von Helmuth James Graf von Moltke, aber auch in Berlin und München regelmäßige Treffen des später von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) so benannten "Kreisauer Kreises" statt. Auf ihnen wurden Konzepte für eine grundlegende staatliche, wirtschaftliche und soziale Neugestaltung Deutschlands nach dem Sturz der NS-Diktatur erörtert.

Der "Kreisauer Kreis", der sich zum Zentrum des bürgerlich- zivilen Widerstands entwickelte und zu dessen führenden Köpfen neben Moltke vor allem Peter Yorck Graf von Wartenburg und Adam von Trott zu Solz gehörten, war keine festgefügte politische Vereinigung. Er bestand aus ungefähr 20 Aktiven und ebenso vielen Sympathisanten und vereinte Sozialdemokraten wie Carlo Mierendorff, Julius Leber und Adolf Reichwein, Jesuitenpater wie Alfred Delp und von christlichem Reformwillen beeinflußte Angehörige beider großen Konfessionen wie Theodor Steltzer (1885-1967), Eugen Gerstenmaier und Hans Lukaschek (1885-1960). Gemeinsam war ihnen die ablehnende Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus und der Wille, eine Neuordnung für Deutschland nach dem Ende des NS-Regimes zu entwickeln. dhm


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