20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
17.03.07 / Die Lust am Untergang / Über die Ängste der Deutschen und konservative Heilmittel dagegen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-07 vom 17. März 2007

Die Lust am Untergang
Über die Ängste der Deutschen und konservative Heilmittel dagegen

Die Zweifel wachsen, ob der deutsche Sozialstaat auch in Zukunft funktionsfähig bleiben wird. Dies könnte erhebliche Auswirkungen auf unser politisches System haben, denn Demokratie und soziale Marktwirtschaft sind in der Bundesrepublik seit je siamesische Zwillinge. Zuletzt beförderte der hysterische Demographie-Thriller "2030 - Aufstand der Alten" die Befürchtung, bestimmte negative Entwicklungen seien unausweichlich und von den Politikern nicht steuerbar.

"Diese Meinung, die von Demokraten betriebene Politik sei generell in hohem Grade unfähig, kann unter der Voraussetzung sich weiter entwickelnder Enttäuschungen und Ängste zu grundlegender Demokratiefeindlichkeit führen", schreibt Detlef Grieswelle in seinem Buch "Sozialstaat am Scheideweg".

Die "Lust am Untergang" sei in Deutschland weit verbreitet. Die linken Revoluzzer in den 60er Jahren erweckten den Eindruck, in diesem Staate ginge alles den Bach hinunter. Kassandra wurde anschließend zum Symbol für linken Alarmismus und Moralismus. Selbstverständlich war die Bundesrepublik vor 20, 30 oder 40 Jahren weit davon entfernt, ein Paradies zu sein. Doch an die Stelle eines rationalen Diskurses traten häufig Emotionalisierung und Moralisierung in Form der Krisen- und Katastrophenbeschwörung.

Ironisch erklärten die beiden Publizisten Dirk Maxeiner und Michael Miersch 2006 zum "Jahr der ausgebliebenen Katastrophen". Denn die Lust am Beschwören des Weltuntergangs in Form von Umweltzerstörung, Kriegen, Vogelgrippen und anderen Katastrophen hat bis heute nicht abgenommen. Die allermeisten Katastrophen sind zum Glück aber auch nicht eingetroffen.

Auch heute noch bestimmten Krisen-, Niedergangs- und Katastrophenmetaphern in nicht geringem Maße die intellektuellen Debatten unter Schriftstellern, Wissenschaftlern und Journalisten. Dabei stünden nicht mehr die sogenannten Großrisiken, die die Fortexistenz der ganzen Welt in Frage stellten, im Zentrum, "sondern der Blick richtet sich auf zahlreiche Trends des Niedergangs in der Bundesrepublik Deutschland und hier auf defizitäre Entwicklungen vor allem in den sozio-ökonomischen Sektoren wie Wirtschaft, Arbeitswelt, soziale Sicherung, Bildung, Wissenschaft und Technik". Der Glaube an politische Alternativen durch Wahl und Machtwechsel sei gering, bestenfalls erhoffe man sich ein besseres Handling. Pessimismus legte sich wie Mehltau auf das Land: Viele Rentner, Arbeitnehmer, mittelständische Selbständige und jungen Menschen würden von Zukunftsängsten erfaßt.

Grieswelle warnt: "Für die Bürger der Bundesrepublik bedeutet dies, daß jener Staat, den sie als Sozialstaat bejaht haben, nunmehr Gefahr läuft, als Gefahrenquelle abgelehnt zu werden ... Ein heutiger Nostradamus würde höchstwahrscheinlich für die Beschreibung der Zukunft der Bundesrepublik Deutschland in Metaphern der Dekadenz Prophezeiungen machen, aber die wesentlichen Aporien und Gravamina können durch pragmatische politische Vernunft bewältigt werden, es bedarf nicht eines apokalyptischen Niedergangs, damit der Phönix sich aus der Asche erheben kann."

Wie könnte unser Gemeinwesen aber wieder zu neuer Reformlust finden? Dazu brauchen wir - so der Autor - einen Konsens der Gesellschaft in vielen Grundfragen. Grieswelle nennt Beispiele: die Wiederentdeckung und Hochschätzung der Familie als grundlegender Lebensform der Gesellschaft, Eindämmung der Tendenzen zur Ego-Gesellschaft, stärkere Gewichtung von Leistung, Eigeninitiative und Selbständigkeit gegenüber Versorgung, sozialer Verteilung und Betreuung, zunehmende Skepsis gegenüber der Allmacht und Allzuständigkeit des Staates, stärkeres Bewußtsein für soziale Identitäten wie Heimat, Region, Nation als gemeinschaftsstiftende Kräfte, wachsende Bedeutung von Religion und Kirche im öffentlichen Diskurs etc.

Die Alternative: Wenn das Unbehagen an unserer Gesellschaftsform und Kultur anwachse, könne daraus durchaus eine Fundamentalkritik erwachsen mit daraus resultierenden "großen Legitimationsproblemen des Bestehenden und vorrevolutionären Situationen".

Für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft könnte ganz entscheidend sein, so schließt Grieswelle sein lesenswertes Buch, inwieweit die beschriebenen Konsensressourcen zur Verfügung stehen. Ansgar Lange

Detlef Grieswelle: "Sozialstaat am Scheideweg - Notwendigkeit struktureller Reformen", Vektor-Verlag, Grafschaft 2006, 298 Seiten, 28 Euro, Best.-Nr. 6095


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren