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24.03.07 / Streng, aber fair / Jugendrichterin über ihren Beruf und das Fernsehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-07 vom 24. März 2007

Streng, aber fair
Jugendrichterin über ihren Beruf und das Fernsehen

Ruth Herz, bekannt aus der Fernsehserie "Das Jugendgericht", war nicht nur eine der ersten Richterinnen im Fernsehen, sondern auch in der Bundesrepublik Deutschland. Sie wurde als Tochter eines jüdischen Rechtsanwalts, der 1933 nach erteiltem Berufsverbot von Breslau nach Palästina emigrierte, im Staat Israel geboren. Ihre israelische Mutter gehörte einer der Gründerfamilien der Stadt Tel Aviv an, wo Ruth Herz und ihr Bruder aufwuchsen. Erst 1950 entschieden die Eltern, nach Deutschland zurückzukehren, weil der Vater wieder in seinem Beruf als Anwalt tätig sein wollte.

Die Autorin hatte zunächst Orientierungsschwierigkeiten und beschreibt ihre Kindheit im Nachkriegsdeutschland als steinigen Weg. Ihr ausgeprägter Gerechtigkeitssinn ließ sie in die Fußstapfen ihres Vaters treten. Sie studierte Rechtswissenschaften in Genf, München und Köln, wo sie 1974 zur Richterin vereidigt wurde. Sie verfaßte zahlreiche Publikationen zum Jugendstrafrecht und zur Kriminologie, vertrat die Bundesrepublik im Europarat als Expertin für Jugendstrafrecht und erhielt für die Einführung des Täter-Opfer-Ausgleichs das Bundesverdienstkreuz.

Weil Ruth Herz gerne neue Wege ausprobiert, verließ sie für vier Jahre die gewohnte Atmosphäre des Gerichtssaals für die Kameras der Fernsehstudios. Ihr Anliegen war es, das Jugendstrafrecht beziehungsweise die Entscheidungen des Gerichts einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dabei war es ihr wichtig, sowohl die Hintergründe für Straftaten offenzulegen, als auch die Persönlichkeit der Menschen, die diese begangen hatten, zu beleuchten. In ihrer ausgeglichenen und offenen Art gab sie den jugendlichen Angeklagten ein Gefühl von Würde.

Die Autorin beantwortet die oft erhobene Forderung nach härteren Strafen für jugendliche Straftäter mit der Mahnung zu mehr Bedacht, da drakonische Maßnahmen selten die Ursache für Zuwiderhandlungen gegen Recht und Ordnung bekämpfen könnten. Sie plädiert für einen veränderten Umgang der Gesellschaft mit Jugendlichen, weil die Gesellschaft selbst sich verändert habe. Die Jugendlichen von heute seien nicht schlechter oder krimineller als die früherer Generationen. Die Richterin macht allerdings unmißverständlich klar, daß dies kein Freischein für kriminelle Handlungen sei. Alle Menschen, die in Deutschland leben, müßten die Gesetze des Landes achten.

Als Beispiel nennt Ruth Herz den Fall eines türkischen Jugendlichen, der seiner Schwester aus traditionellen Gründen die Beziehung zu einem Deutschen verbieten wollte; er schlug den Mann krankenhausreif und wurde mit entsprechend harter Strafe belegt. Er erhielt die Auflage, sich über die deutsche Gesellschaft zu informieren und sich künftig an deren Regeln zu halten.

Neben einem biografischen Abriß schildert Ruth Herz in dem Buch "Recht persönlich" ihren anfänglichen Enthusiasmus als Fernsehrichterin, der zunehmend der Enttäuschung wich. Was ihr zunächst nicht bewußt war, ist die Bedeutung von Einschaltquoten. Nachdem die ersten Gerichtssendungen im Privatfernsehen erfolgreich waren, folgten bald Konkurrenzsendungen. Waren die behandelten Fälle anfangs noch sehr realistisch dargestellt - die Angeklagten und Zeugen werden von Laiendarstellern gespielt, nur die Richter und Staatsanwälte waren echt - folgten immer spektakulärere Fälle, um die Einschaltquote zu steigern. Die Laienschauspieler übertrafen sich oft selbst in dramatischen und übertriebenen Darbietungen. Ruth Herz mußte feststellen, daß sie sich von ihrem Motiv, die Sendung mitzugestalten, immer weiter entfernte, sie keinerlei Einfluß auf die Inhalte hatte. Dies bestärkte sie in dem Entschluß, aufzuhören und sich neuen Aufgaben zu widmen.

Heute lebt und forscht Ruth Herz in Köln und im israelischen Tel Aviv. Michaela Wagner

Ruth Herz: "Recht persönlich - Eine Jugendrichterin erzählt", C.H. Beck Verlag, 156 Seiten, 25 Abb., geb., 16,90 Euro, Best.-Nr. 6105


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