18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
24.03.07 / In einer ganz anderen Welt / Die "Gruppe Homann" besuchte den russisch und den litauisch verwalteten Teil Ostpreußens

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-07 vom 24. März 2007

In einer ganz anderen Welt
Die "Gruppe Homann" besuchte den russisch und den litauisch verwalteten Teil Ostpreußens
von Wolfgang Gäbler

Seit die Möglichkeit besteht wieder ins nördliche Ostpreußen zu reisen, tut dies Reinhard Homann aus Waiblingen bei Stuttgart jedes Jahr - nichts Außergewöhliches eigentlich für einen Königsberger. Doch das Besondere an seinen Reisen ist, daß es ihm gelang, seine im Schwabenland geborenen vier Kinder als ständige Begleiter zu gewinnen. Mittlerweile reisen mit ihm sogar schon die Enkel in seine Heimatstadt.

Reinhard Homann wurde 1920 in Königberg geboren, war also bei Kriegsausbruch bereits fast 20 Jahre alt. Daher kennt er seine Vaterstadt und deren Umgebung sehr genau. Das wissen auch einige seiner Bekannten und Ostpreußenfreunde, die sich der Familie angeschlossen haben - alle zusammen bilden die "Gruppe Homann".

Diesmal war die Gruppe mit 13 Personen für zehn Tage im nördlichen Ostpreußen und unternahm mit einem Kleinbus Tagesreisen durch den russisch und den litauisch verwalteten Teil. Nach der weitgehend problemlosen Anreise, teils mit der Bahn, teils mit dem Flugzeug, traf man sich im Hotel Moskwa gegenüber dem Königsberger Zoo.

Am ersten Tag stand die obligatorische Führung durch die Stadt auf dem Programm. Die leitete natürlich Homann senior persönlich. Vom Hotel ging's zur Luisenkirche, über die ehemaligen Friedhöfe, auf denen auch seine Vorfahren bestattet wurden, vorbei an der Bastion Sternwarte, durch die ehemalige Wohnstraße der Familie weiter zur Doppelbrücke am Hafen. Die letzte Station dieser Stadtführung ist immer der Dom. Diesmal wurde der Fußmarsch allerdings durch heftigen Regen unterbrochen. Mit Taxen rettete sich die Gruppe ins Stadtmuseum, das in der ehemaligen Stadthalle am Schloßteich untergebracht ist. Hier besichtigte man Teile der Prussia-Ausstellung und konnte viel Ergänzendes zur Stadtgeschichte in Augenschein nehmen. Interessant waren vor allem das Modell der alten Kneiphofbebauung und die Modelle für die Planung zur Neubebauung der Gegend unterhalb des Schloßteiches. Bis auf das Wiedererstehen des Stadtschlosses sollte aber vieles von den dargestellten modernen Bauten besser Plan bleiben. Alles in allem kann der Besuch in diesem Museum empfohlen werden, allerdings sind die Exponate leider nur in Russisch erläutert.

Tags darauf begannen die Rundfahrten mit dem Besuch einer rußlanddeutschen Familie in der Nähe von Preußisch Eylau. Wenn die Homann-Gruppe kommt, dann gibt es bei Fischers immer ein prächtiges Gartenfest, mit allem, was die russische Küche und Brennkunst Gutes zu bieten hat. Abends führte der Rückweg noch durch Tharau. Erfreut stellte man hier fest, daß die Ännchen-Kirche nun wieder ein fast vollständiges Dach hat. Der weitere Verfall scheint gestoppt. Wie ein Einheimischer berichtete, sind auch gelegentlich Bautrupps zu Gange, um die Mauern auszubessern, solange eben Geld aus der Bundesrepublik Deutschland fließt.

Am nächsten Tag wurde schon am frühen Morgen das BMW-Werk besichtigt. Der technische Werkleiter ließ es sich nicht nehmen, die Gruppe selber zu führen. Die Bayern beschäftigen etwa 200 russische Mitarbeiter, die hier Limousinen der Dreier, Fünfer und Siebener Reihe montieren. Die Teile und Aggregate dazu, die ja wesentlich schwieriger herzustellen sind, kommen allerdings bis auf die letzte Schraube aus der Bundesrepublik, ebenso die schon lackierte Karosserie. Im Mittel werden 20 Autos pro Tag zusammengebaut, die ausschließlich der russische Markt abnimmt. Das Werk ist in einer Halle auf dem Gelände der ehemaligen Schichau-Werft im Hafen untergebracht. BMW ist immer gern bereit, solche Besichtigungen durchzuführen.

Die Fahrt durch das nördliche Ostpreußen führte die Gruppe weiter nach Insterburg, wo sie im Hotel Zum Bären logierte. Auf dem Weg dorthin überzeugte man sich vom Fortschritt der Renovierungsarbeiten an der Arnauer Kirche. Die hat jetzt wieder ein Ziegeldach in Originalform, mit einem für russische Verhältnisse ungewöhnlichen Dachstuhl aus Holz. Den hat übrigens das Insterburger Sägewerk des Stuttgarter Unternehmers Bandsleben erstellt. Demnächst soll mit der Sicherung der wertvollen Fresken im Innenraum begonnen werden.

Von Insterburg aus bereiste die Gruppe an den folgenden Tagen das wieder funktionsfähige Gestüt in Georgenburg sowie die Orte Nemmersdorf, Gumbinnen, Trakehnen, Amtshagen, Angerapp und Breitenstein. Eine Tagestour führte in die Rominter Heide. Bei der Suche des Standortes des ehemaligen kaiserlichen Jagdschloß befand man sich plötzlich unmittelbar neben dem Grenzzaun, der heute Ostpreußen teilt. Es war für die Gruppe ein bedrückender Moment, den sie erst beim freundlichen Anblick des in der Sonne liegenden Wystiter Sees verwand. Höchst angetan waren sie auch vom neueingerichteten Soldatenfriedhof in Insterburg. Hier hat die Kriegsgräberführsorge sehr gute Arbeit geleistet.

Für fast alle Reisenden war das nächste Ziel neu; es ging durchs Memelland nach Memel hinauf. Beim Grenzübertritt in Tilsit hatte die Gruppe Glück. Die Abfertigung und Fahrt über die beeindruckende Luisenbrücke dauerte nur etwa eine Stunde. Es hätte schneller gehen können, wenn alle Businsassen Bundes- und damit EU-Bürger gewesen waren, aber der Busfahrer war Russe und wurde genauer kontrolliert.

Zunächst ging die Fahrt bis nach Tauroggen, wo die Gruppe das Denkmal für die gleichnamige Konvention aus dem Jahre 1812 aufsuchte, ein Zeugnis gelungener deutsch-russischer Zusammenarbeit an einem heute fast vergessener Ort. Dem schloß sich die Besichtigung des beeindruckenden Denkmals für die Wolfskinder bei Mikiten an. Nächste Station war Heidekrug. Bei der hier eingelegten Kaffeepause bemerkten alle, daß sie mittlerweile in einer ganz anderen Welt angekommen waren. Saubere Straßen, ordentliche Häuser, Straßenrestaurants und vor allem zuversichtlicher blickende Menschen hoben sich deutliche vom noch immer weitgehend tristen russischen Teil erfreulich ab. In der Abendsonne erreichten man das Windenburger Eck am Kurischen Haff. Der weite Blick hinüber zur Nehrung und der frische Wind taten allen sehr wohl.

In Memel gab es am darauf folgenden Tag eine ausgiebige Stadtführung. Mit staunenden Augen besichtigte man dabei das Hauptpostgebäude, das den Krieg fast unbeschädigt überstanden hat. Mächtig geärgert hat die Gruppe dagegen das neue Mahnmal nahe der Börsenbrücke, denn mit ihm erhebt Litauen unverhohlen Anspruch auf das nördliche Ostpreußen. Nachmittags besuchte man eine deutsche Schule. Die Rektorin selbst stand der Gruppe trotz Sommerferien Rede und Antwort. In perfektem Deutsch erklärte sie, daß man in Litauen eine erfreulich hohe Nachfrage nach Deutschunterricht feststellen könne. Weniger zufrieden sei man allerdings mit den aus der Bundesrepublik kommenden Lehrern. Denen ermangle es oft am nötigen Idealismus für ihren Beruf und besonders für die Aufgaben an ihrer Schule. So werde in Litauen von den Lehrern erwartet, daß sie auch während der Ferien an der Schule sind, um den Unterricht vorzubereiten. Deutsche Lehrkräfte zögen es jedoch vor, schon am ersten Ferientag in den Urlaub abzutauchen.

Einige Kilometer nördlich von Memel liegt "Nimmersatt - wo das Deutsche Reich sein Ende hat". Dieses einstmals bekannte Dörfchen ist mittlerweile in das litauische Bad Polangen eingemeindet, das am späten Nachmittag auch noch besucht wurde. Die Gruppe nutzte die Gelegenheit zu einem Spaziergang am dortigen Ufer der Ostsee.

Das gute Wetter erlaubte es, das Abendessen in einem Straßenrestaurant am Theaterplatz in Memel einzunehmen. Die Reisenden saßen einige Stunden vor dem Lokal, bis es dunkel geworden war, und genossen den Anblick des Simon-Dach-Brunnens mit der Ännchenfigur und die angenehme Atmosphäre der Memeler Altstadt.

Wer wünscht sich nicht eine Fahrt über die Kurische Nehrung bei Sonnenschein? Morgens, bei Fahrtbeginn sah es auch noch danach aus, doch schon in Nidden hatte die Gruppe ein kräftiger Dauerregen eingeholt. Dieser Reisetag fiel sozusagen ins Wasser, daher ist auch nichts darüber zu berichten, außer, daß man am Abend wieder wohlbehalten Königsberg erreichte.

Bis zum Rückflug blieben noch zwei Tage. Die nutzte die Gruppe für eine ausgiebige Dombesichtigung. Dabei hatte sie das Glück mitzuerleben, wie die neue Orgel ausprobiert wurde. Ein Besuch des evangelischen Gemeindezentrums im Stadtteil Amalienau gehört bei der Gruppe Homann immer dazu. Hier hatten die Gruppenmitglieder Gelegenheit zu interessanten ergänzenden Gesprächen, unter anderem mit dem Probst, Heye Osterwald.

Überrascht waren alle über eine neue Ausstellung zu den Ausgrabungen am Schloß, die seit Kurzem besichtigt werden kann. So ist neben dem Fundament des Hauptturmes auch ein riesiger Keller unter dem Krönungssaal vollständig von seiner Befüllung befreit. Weitere Arbeiten sind im Gange.

Vor dem Schloß lief uns der Gruppe zufällig ein alter Bekannter über den Weg, Professor Wladimir Gilmanow. Umgeben von einigen Filmleuten hatte er es recht eilig, so konnten die Gruppenmitglieder nur wenige Minuten mit ihm über sein laufendes Projekt reden. Dabei erfuhren sie, daß er gerade fürs lokale Fernsehen einen Film erstellte mit dem Titel "Abschied vom deutschen Königsberg". In der Tat tut sich in der Stadt einiges. Viele, teils recht große Baustellen geben Zeugnis davon. Viele Straßen sind schon ausgebessert, beim Messegelände kündigt ein Plakat eine neue Halle an, die sich in Planung befindet. Der alte Hansaplatz, jetzt "Siegesplatz", wurde im Zuge der Jubiläumsfeier neu und modern gestaltet, die orthodoxe Kathedrale ist zwischenzeitlich ebenfalls fertiggestellt. Hier bewegt sich was, offensichtlich entfaltet die Sonderwirtschaftszone doch ihre Wirkung. Dies erkennt man auch an der reduzierten Arbeitslosigkeit.

Allerdings macht das Umland der Stadt noch weitgehend den gewohnt tristen Eindruck. Die Leninstatue ist zwar vom Siegesplatz in der Hauptstadt verschwunden, Duplikate davon können jedoch draußen auf dem Lande noch allenthalben besichtigt werden. Das alte Denken steckt doch noch tief in den Köpfen. Auch bringt der wirtschaftliche Aufschwung nicht für jeden etwas, gerade bei ältern Menschen ist die Armut noch deutlich zu sehen.

Was meinte wohl Gilmanow mit dem Filmtitel? Die Gruppe hat noch lange darüber gesprochen. Sicher werden die Neu- und Umbauten nach russischem Geschmack der Stadt künftig ein stärkeres russisches Gepräge geben, doch ist in der Stadt noch viel deutsche Bausubstanz erhalten. Auch wird der fast fertig gestellte Dom immer ein sicheres Zeugnis für eine andere Epoche sein und bleiben - und wenn das Schloß noch dazu käme ... Auf jeden Fall wird sich die Gruppe Homann in einigen Jahren in Königsberg wieder umsehen, für sie bleibt Sie auch in russischer Hand eine deutsche Stadt!

Foto: Reinhard Homann (links) mit Angehörigen seiner Gruppe: Nach der Landung auf dem Königsberger Flugplatz


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren