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31.03.07 / "Möglichst nah an Deutschlands Seite" / Interview mit Ognen Pribicevic, Botschafter der Republik Serbien in Berlin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-07 vom 31. März 2007

"Möglichst nah an Deutschlands Seite"
Interview mit Ognen Pribicevic, Botschafter der Republik Serbien in Berlin

Exzellenz, was erwarten Sie von Ihrer Präsentation auf der Leipziger Buchmesse 2007?

Pribicevic: Wir gehören keinem Staatenbund mehr an, präsentieren uns also erstmalig als nationale Ausstellung. Wir halten das für den ersten Schritt, um die deutsche Öffentlichkeit besser mit unserer Literatur vertraut zu machen. Natürlich kennen Deutsche einige unserer Autoren bereits, zumal mancher von ihnen gerade in Leipzig ist. Wir wünschen uns möglichst viele Übersetzungen ins Deutsche, wollen aber auch mehr Kooperation mit Deutschen, um deutsche Literatur serbischen Lesern nahezubringen. Literatur und Sprache! Hierbei leiden wir noch unter den 90er Jahren, als bei uns Milosevic regierte, während sich ganz Europa integrierte. Serbien blieb zurück, es hat eine ganze Periode verloren, gerade mit Blick auf Sprachenkenntnis. In letzter Zeit sind wir, auch ich persönlich, bemüht, möglichst viele Jugendliche aus Serbien in deutsche Fortbildungsprogramme zu bringen, wofür wir von der deutschen Bundesregierung grünes Licht haben. Wir haben den Zoran-Djindjic-Fonds und andere, über die wir das organisieren können. Ständig besuchen 20, 30 junge Serben hier Kurse, kommen nach sechs Monaten mit soliden Deutschkenntnissen zurück und finden leicht Jobs bei serbischen oder deutschen Firmen. Das ist doch eine gute Perspektive, die wir auf dieser Messe weiter festigen wollen.

Hundert oder mehr Jahre gab es für die internationale Wissenschaft nur die gemeinsame Sprache der Serben, Kroaten, Bosnier, das "Serbokroatische". Jetzt haben wir das Kroatische und das Bosnische. Stört diese "Spaltung" Ihre kulturellen Bemühungen?

Pribicevic: Für uns ist nur wichtig, daß diese Sprachen einander ähnlich und nahe sind. Verstanden haben wir uns immer, und in letzter Zeit mildern sich die Folgen der 90er Jahre. Es gibt doch keine sprachlichen Barrieren, und wie jeder seine Sprache nennt, ist nicht so wesentlich. Im Maße unserer gemeinsamen Annäherung an europäische Integrationen werden sich auch trennende Elemente vermindern: In der Familie europäischer Völker finden wir wieder zusammen - etwa wie die sprachlich auch verwandten Skandinavier.

Nach dem Urteil der Weltbank ist Serbien schon seit drei Jahren "Primus unter den Transitionsländern". Seit letztem Herbst ist Serbien Mitglied der "Partnerschaft für den Frieden". Glauben Sie, daß die Deutschen das Serbien nach Milosevic vollauf zur Kenntnis genommen haben?

Pribicevic: Die allgemeine Kenntnis Serbiens ist noch unvollständig. Ich gehörte seit 1986 der Opposition gegen Milosevic an und weiß, wie sehr uns seine Herrschaft geschadet hat. Tausendmal habe ich früher gesagt, das sei das schlimmste Regime, was Serbien je gehabt hat, seine Folgen für Ansehen und Einfluß Serbiens seien verheerend. Ganz sind sie immer noch nicht überwunden, gerade in deutschen Medien betrachtet man uns noch vielfach kritisch und übersieht unsere Anstrengungen und Erfolge. Wir sind ein kleines Land, haben aber manches, was wir Deutschland stolz zeigen können. Im letzten Jahr hat Deutschland bei uns mehr investiert als die ganzen Jahre zuvor zusammen - vier Milliarden Euro 2006! Für Deutsche ist das Kleingeld, für uns aber eine Riesensumme. Wir haben eine Fülle neuer Gesetze, die Serbien der EU näher bringen - im Justizwesen, in der Ökonomie, dem Schutz des Eigentums, des Kapitaltransfers ...

Nicht zu vergessen die radikale Reform Ihrer Armee!

Pribicevic: Natürlich, und wie Sie sagten, ist unsere Mitgliedschaft im Nato-Programm Partnership for peace (PfP) der Beweis dafür. Ich kann nur sagen - weil ich es vom deutschen Auswärtigen Amt immer höre -, daß man hier unsere Administration als fähig und flexibel schätzt. Gerade ökonomisch kommen wir sehr gut aus, und hätten wir das Problem des Generals Mladic vom Hals, wäre es noch besser. Gegenwärtig wird bei uns eine neue Regierung gebildet, und ich erwarte, daß sie dieses Problem als Priorität behandelt. Danach können wir mit den Verhandlungen zum Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zur EU fortfahren, die leider seit einem Jahr auf Eis liegen. Dann hat Serbien weit größere Möglichkeiten, besonders wenn sich mein Credo durchsetzt, Serbien so nahe wie möglich an die Seite Deutschlands zu bringen. Damit liege ich Belgrad permanent in den Ohren. Wenn es gelingt, wird Serbien weit größere Möglichkeiten haben, und die Deutschen werden auch unsere touristischen Vorzüge entdecken, nachdem sie bereits Stammgäste auf unseren berühmten Musik- und Theater-Festivals sind.

Das Interview führte PAZ-Mitarbeiter Wolf Oschlies.


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