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31.03.07 / "Die richtigen Feinde muß man haben" / "Verbrecherisch": Ehren-Berliner Wolf Biermann liest Klaus Wowereit wegen Bündnis mit der PDS die Leviten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-07 vom 31. März 2007

"Die richtigen Feinde muß man haben"
"Verbrecherisch": Ehren-Berliner Wolf Biermann liest Klaus Wowereit wegen Bündnis mit der PDS die Leviten
von Christian Dorn

Als Wolf Biermann kurz nach der deutschen Einheit versucht hatte, wieder nach Berlin zurückzukehren, sei ihm dies "schmerzhaft und auf lehrreiche Weise" mißlungen, bekennt der inzwischen 70jährige Dichter und Liedermacher, als er am vergangenen Montag zum 115. Ehrenbürger Berlins ernannt wird. Denn in seiner vormaligen Wohnung in der Chausseestraße 131 wohnt bis heute der damalige Pressesprecher der PDS und heutige Kulturchef des "Neuen Deutschland", Hanno Harnisch, der auch Inoffizieller Mitarbeiter (IM) des MfS gewesen war.

Insgesamt waren es über 200 IMs gewesen, "die sich rührend um mich kümmerten", bemerkt Biermann in seiner Dankesrede rückblickend mit bitterer Ironie. Doch zu dieser später.

Hier im Großen Saal des Roten Rathauses wird Wolf Biermann wieder "eingebürgert", 31 Jahre nach seiner eben hier beschlossenen Ausbürgerung, die allgemein als der Anfang vom Ende der DDR gilt.

Daß die Wieder-Einbürgerung im Umkehrschluß den Anfang vom Ende der rot-roten Koalition bedeuten möge, dieser Vorstellung gab der Geehrte in den letzten Tagen neue Nahrung. Um deutliche Worte nicht verlegen, hatte er während seines Auftritts auf der Leipziger Buchmesse das rot-rote Regierungsbündnis als "verbrecherisch" bezeichnet. Daß "die SPD mit der PDS ins Bett" gehe, fügte Biermann an, werde sich wohl bald schon ändern. Nun, Biermanns Wort in das Ohr des Berliner Wählers.

Berlins Regierender Bürgermeister, der von Biermann gescholtene Klaus Wowereit (SPD), versucht, jener "merkwürdigen Erwartungshaltung im Saal", die auf einen "Skandal" lauere, die Spannung zu nehmen. Als er Biermanns Äußerung von der "verbrecherischen" Koalition "mit allem Nachdruck" zurückwies, erfolgt vereinzeltes Klatschen. Da - mit Ausnahme von Wirtschaftssenator Harald Wolf und dem ehemaligen Kultursenator Thomas Flierl - keine Genossen von der PDS auszumachen sind, kam der Beifall wohl von jenen linken Sozialdemokraten, die Biermanns Kritik bis heute nicht verdaut haben. Wie richtig der zu Ehrende damit aber liegt, bringt - wohl unbeabsichtigt - Wowereit selbst zur Sprache, als er Biermann in seiner Rede bescheinigt, dieser könne "in einem einzigen Vers eine ganze Welt aufschreien lassen oder eine Diktatur beerdigen". Trotz seines inzwischen grauen Bartes habe "dieser Wolf doch Zähne, und die trägt er im Gesicht. Und manchmal beißt er auch zu und freut sich über die Reaktion."

Und die läßt nicht lange auf sich warten. Zunächst zeigt sich Biermann noch gerührt von den Worten des Regierenden: "Das hat mir gefallen, was Sie gesagt haben", Wowereit sei eigentlich "richtig", doch schon wendet Biermann das Blatt indem er anfügt, Wowereit solle "nicht mein falscher Feind sein". Denn: "Wenn man nur die richtigen Freunde und Feinde hat, dann kommt man gut durch." Und es kommt noch dicker: Die Ehrenbürgerwürde, so Biermann, verdanke er "echten Sozialdemokraten" wie Richard Schröder oder dem "linken Rechten" Uwe Lehmann-Brauns (CDU, Vizepräsident des Abgeordnetenhauses), von dem der Vorschlag zur Ehrenbürgerschaft Biermanns ursprünglich ausgegangen war.

Sarkastisch dankt Biermann der Stimmenthaltung der PDS als "Kader krampfiger Geschlossenheit" - sie seien seine "richtigen Feinde geblieben" und hätten damit einen "Akt politischer Aufklärung geleistet".

Natürlich, so Biermann mit Blick zu Wowereit, halte er ihn nicht für einen Verbrecher, sonst würde er hier nicht neben ihm sitzen, so tief würde er nicht sinken. Dennoch sei es ihm unerklärlich: "Ich weiß nicht, was Sie dazu getrieben hat." Aber Biermann weiß sicher genau, was er meint, als er den Regierenden darauf folgend mit dem früher in Ost-Berlin gültigen Titel "Herr Oberbürgermeister" anredet. Der überfüllte Saal, bevölkert von unzähligen Weggefährten Biermanns, kichert.

Daß sich die SPD "mit den Erben der DDR-Nomenklatura so tief eingelassen" habe, "das tut mir weh". Dann holt Biermann zum vermeintlich vernichtenden Schlag aus: "Das Wort ,verbrecherisch' war viel zu verharmlosend: Es war ein Fehler!" Und schließlich relativiert er die Auszeichnung: Weil er so verwöhnt sei, könne ihn diese höchste Auszeichnung Berlins nicht aus der Fassung bringen. Das passiere vielmehr durch ein Gedicht seiner Tochter Molly (6 Jahre). Neben ihr ist auch Biermanns ältester Sohn zugegen, er heißt Benjamin (50 Jahre).

Biermann, noch einmal persönlich angesprochen auf die historische Dimension, ob - so wie die Ausbürgerung der Anfang vom Ende der DDR war - die Ehrenbürgerschaft das Ende von Rot-Rot befördern könne, gibt sich gegenüber der PAZ dann doch bescheiden: "Ich bin ja nicht größenwahnsinnig." Aber er müsse "die Liason natürlich für falsch halten, wenn die traditionsreiche SPD" sich auf einen solchen Irrweg begebe. Es sei eben viel schlimmer als ein Verbrechen, es sei - ein Fehler.


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