25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
31.03.07 / Viel Theorie für die Praxis / Am 1. April tritt die erste Stufe der Gesundheitsreform in Kraft, doch eigentlich ändert sich nichts

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-07 vom 31. März 2007

Viel Theorie für die Praxis
Am 1. April tritt die erste Stufe der Gesundheitsreform in Kraft, doch eigentlich ändert sich nichts
von Rebecca Bellano

Es wurde so lange gefeilscht, daß am Ende kaum noch ein Bürger einen Überblick darüber hatte, was die Große Koalition eigentlich beschlossen hat. Selbst den Abgeordneten fiel es schwer, sich mit dem Kompromiß des Kompromisses vom Kompromiß anzufreunden, doch die Parteichefs hatten beschlossen, daß die Gesundheitsreform das "Meisterstück von Schwarz-Rot" werden sollte. Also wurde Mitte Februar dank strengster Anmahnung der Parteidisziplin durchgewunken, was vielen auf dem Magen lag. Am 1. April tritt nun die erste Stufe der Gesundheitsreform in Kraft, doch statt die Bürger nun zu informieren, was das für sie bedeutet, herrscht bei den Krankenkassen Schweigen.

"Es ist nicht unsere Aufgabe, die Gesundheitsreform zu verkaufen. Das ist Sache des Gesundheitsministeriums", heißt es beim Bundesverband der AOK. Aber auch die anderen gesetzlichen Krankenkassen überlassen ihre Versicherten der allgemeinen Verunsicherung - und dem salbungsvollen Eigenlob der Bundesgesundheitsministerin. Ulla Schmidt und ihr Ministerium bieten dem Interessierten zwar unter www.die-gesundheitsreform.de viele schöne Worte, doch was das alles für ihn persönlich bedeutet, erfährt er nicht.

Die Barmer, die sich selbst als Deutschlands größte Krankenversicherung bezeichnet, bietet ihren Kunden nur einige kurze Schlagworte: verbesserte Behandlung schwerer Krankheiten in spezialisierten Krankenhäusern, Anspruch auf Palliativversorgung, mehr Unterstützung für Kinderhospize, verbesserte Reha für Ältere, Verpflichtung der gesetzlichen Kassen alle von der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts (Stiko) empfohlenen Schutzimpfungen zu bezahlen und Übernahme von Mutter-Kind-Kuren.

Während die Barmer sich wenigstens halbherzig der Gesundheitsreform annimmt, erklärt die DAK die bisherige Zurückhaltung mit sonst unbekannter Offenheit. "Die Krankenkassen sind keine großen Freunde der Gesundheitsreform", so DAK-Pressesprecher Rüdiger Scharf. Das, was sich wirklich ändere, gehe in die falsche Richtung, alles andere seien keine wirklichen Neuerungen. So würden beispielsweise die meisten Kassen schon längst die von der Stiko empfohlenen Impfungen zahlen, also: "Willkommen im Club".

Eine wirkliche Änderung sind also offenbar nur die verschiedenen Wahltarife, die die Kassen ab dem 1. April anbieten können, wobei die Betonung auf "können" liegt, da die meisten Kassen ihre Modelle noch von Versicherungsmathematikern berechnen lassen oder sie zumindest noch nicht vom jeweiligen Verwaltungsrat bestätigt bekommen haben. Bei der Barmer steht die Ausgestaltung der 18 neuen Tarife zwar schon fest, auch sind die Mitarbeiter darauf vorbereitet, doch allzu offensiv an den Markt wird damit nicht gegangen. Erst mal abwarten, was die Mitbewerber machen, lautet offenbar das Motto, und da die noch nicht so weit sind, heißt die Devise "Ball flach halten". Wobei auch hier anzumerken ist, daß ähnliche Tarife wie das sogenannte Hausarzt-Modell von der DAK schon seit längerem auf dem Markt sind. Letztlich ist nur die Beitragsrückerstattung neu, denn diese war bis jetzt vom Gesetzgeber ausgeschlossen worden, nun allerdings gibt es Tarife, die es gesunden Patienten ermöglichen, daß sie, wenn sie gar nicht zum Arzt gehen oder in Vorkasse treten, am Ende des Jahres sogar Geld von ihrer Kassen zurückerhalten. Doch statt der vom Gesundheitsministerium angekündigten Transparenz läßt ein Blick auf die in Arbeit befindlichen Tarife eher vermuten, daß das Angebot unübersichtlicher wird, schließlich hat allein die Barmer schon 18 verschiedene Modelle, die DAK droht nur mit unwesentlich weniger, jede der 18 regionalen Innungskrankenkassen (IKK) entwirft eigene. Bei den IKK läßt man sich bewußt Zeit, schließlich hat der Gesetzgeber vorgesehen, daß sich der Versicherte für mindestens drei Jahre an einen Tarif bindet, da muß man sauber kalkulieren. Doch dies sei nicht einfach, schließlich würde am 1. Januar 2009 der Gesundheitsfonds in Kraft treten, doch wie dieser genau aussieht, sei noch völlig unbekannt, so Gabriele Prissok, Pressereferentin beim IKK-Bundesverband. Kein Wunder also, daß sich die Kassen bedeckt halten, schließlich ist es verantwortungslos, seine Versicherten in Tarife zu treiben, die mit unbekannten Komponenten errechnet wurden.

Überhaupt ist der 1. April als Stichtag für die erste Stufe der Gesundheitsreform für Gabriele Prissok nur ein theoretischer Termin. So würde beispielsweise aus der angekündigten Leistung der Impfungen nichts, da der Gemeinsame Bundesausschuß zur Verabschiedung der Gesundheitsreform, bestehend aus Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern und Krankenkassen in Deutschland, die Stiko-Empfehlungen erstmal bewerten muß. Ähnlich sieht es bei vielen anderen Bereichen aus. Viele organisatorische Abläufe seien noch nicht mal diskutiert worden, da die Gremien erst in den nächsten Wochen und Monaten tagen.

Foto: Vorsorge: Eigentlich sollen die Kassen ab jetzt alle vom Robert-Koch-Institut empfohlenen Impfungen bezahlen.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren