24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
31.03.07 / Und die Krise schwelt weiter / Demonstrationen auch am ungarischen Nationalfeiertag

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-07 vom 31. März 2007

Und die Krise schwelt weiter
Demonstrationen auch am ungarischen Nationalfeiertag
von R. G. Kerschhofer

Als es im Herbst zu teils gewalttätigen Demonstrationen und zu einem an alte Zeiten erinnernden "Einschreiten" der ungarischen Polizei kam, war das für die Weltöffentlichkeit einigermaßen überraschend. Es paßte nicht ins Bild vom glücklichen neuen EU-Mitglied, es paßte nicht zu dem, was Europas Politiker ihren Untertanen - und manche vielleicht sogar sich selber vormachen. Und dank Nahost war Ungarn ohnehin bald wieder aus den Schlagzeilen verschwunden, sehr zur Freude auch der ungarischen Machthaber.

Aber die Spannungen waren damit nicht vorbei. Im Gegenteil, denn die von der Regierung voriges Jahr eingeleiteten Reformmaßnahmen - vor allem drastische Erhöhungen von Gebühren und Kürzungen von Sozialleistungen - werden aus zwei Gründen als besondere Härten empfunden: Einerseits hätten sie viel früher eingeleitet werden müssen - sowohl die seit 2002 regierende Linksregierung als auch davor die "Bürgerlichen" hatten sich aus wahltaktischen Gründen davor gedrückt. Andererseits stehen die Belastungen im krassen Gegensatz zum wachsenden Reichtum der Wendekommunisten und Privatisierungs-Profiteure.

Die Oppositionspartei Fidesz des früheren Ministerpräsidenten Orbán trachtet verständlicherweise, die Mißstimmung auszunützen, und hofft, den Sturz der Regierung durch Demonstrationen herbeiführen zu können. Aber die Regierung läßt sich nicht beeindrucken - und sie braucht auch keinen Druck aus Europa zu fürchten, weil die ständigen Demonstrationen im Ausland meistens völlig unbeachtet bleiben. Meistens, aber nicht immer: Am Rande der Großdemonstration, die Fidesz am 15. März, dem ungarischen Nationalfeiertag, organisiert hatte, kam es zu kleineren Ausschreitungen - für die man selbstverständlich "Rechtsextremisten" und "Antisemiten" verantwortlich machte.

Doch die Sache ist nicht so simpel. Die Randalierer kommen meist aus der Fußball-Szene - wo Politik und Ideologie Fremdwörter sind. Was nicht ausschließt, daß man unverblümt beim Namen nennt, was Anstoß erregt. Viel interessanter ist aber, daß schon eine Woche vor dem Demonstrationstermin die Polizei vor Ausschreitungen und der ungarische Ministerpräsident Gyurcsány vor "wachsendem Antisemitismus" gewarnt hatte. Antisemitismusvorwürfe gegen Fidesz selbst wären insofern eine Unterstellung, als Juden in den Führungsgremien der Partei keineswegs unterrepräsentiert sind. Also wirft Gyurcsány Fidesz vor, sich nicht genügend von "Rechtsextremismus" und "Antisemitismus" zu distanzieren. Umgekehrt weiß man bei Fidesz, daß die Demonstrationen gegen die ungarische Regierung von europäischen Medien ignoriert werden - außer es treten dabei "Antisemiten" in Erscheinung, denn darüber wird immer berichtet. Allerdings nützen solche Meldungen erst recht der Regierung.

Der 15. März ist ungarischer Nationalfeiertag, weil er an den Beginn des Aufstands gegen die Habsburger 1848 erinnern soll, und jeder Ungar weiß auch, daß diese Erhebung 1849 von russischen Truppen niedergeschlagen wurde. Und das ist heute ein geeigneter emotionaler Anknüpfungspunkt für die Opposition, Gyurcsány einen "Pakt mit Putin" vorzuwerfen. Tatsächlich hat sich Ungarns Premier in jüngerer Zeit mehrmals mit dem russischen Präsidenten getroffen. Es ging allerdings - zumindest offiziell - um Energiefragen. Ungarn ist zu 80 Prozent von russischem oder über russische Leitungen transportiertem Erdgas abhängig. Gyurcsány hofft auch, bei Verlängerung der von Gazprom betriebenen "Blue Stream"-Pipeline zum Zug zu kommen und Ungarn zu einer Art Schaltstelle für den Weiterexport nach Westen zu machen.

Andererseits bestärken solche Treffen die Bevölkerung in der Überzeugung, daß die alten KP- und Geheimdienstseilschaften überall weiter intakt sind, grenzüberschreitend. Und man weiß ohnehin, daß sich aus ihren Reihen die Privatisierungs-Profiteure rekrutieren - wenngleich man die ungarischen Oligarchen nicht Oligarchen nennt.

Aber welche Schlüsse zieht man wohl daraus, wenn die ungarische Fluglinie Malév soeben an den russischen Oligarchen Boris Abramowitsch privatisiert wurde? (Nicht zu verwechseln mit dem Chelsea-Eigentümer Roman Abramowitsch.)

Ein anderes Beispiel ist der einstige KP-Minister Kapolyi, der als Importeur von billigem Oststrom zum Milliardär wurde. Und da ist natürlich Ministerpräsident Gyurcsány selbst - vormals KP-Jugendführer und heute einer der reichsten Männer in Ungarn.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren