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31.03.07 / Ende vom Preußen-Klischee / Historien-Knaller: Ein Australier räumt mit Vorurteilen auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-07 vom 31. März 2007

Ende vom Preußen-Klischee
Historien-Knaller: Ein Australier räumt mit Vorurteilen auf

Hätte der australisch-britische Historiker Christopher Clark das Buch nicht geschrieben, so müßte es geschrieben werden - und zwar aus britischer Feder. Auf knapp 900 Seiten seiner Historiographie "Preußen. Aufstieg und Niedergang 1600-1947" räumt er mit angelsächsischen Klischee-Vorstellungen über das latent militante Preußen - jene Wurzel des deutschen Übels - auf; Klischees, die in einer pauschalen Verdammung des Staates und letztlich in seiner Zwangsliquidierung vom 25. Februar 1947 durch den Alliierten Kontrollrat mündeten.

Der Historiker Clark glorifiziert Preußen keineswegs, bleibt in seiner Analyse nüchtern, ist dabei aber fest überzeugt: Nicht Preußen ist "der Fluch für das neuzeitliche Deutschland" gewesen, sondern Deutschland war das Verderben für Preußen. "Die Wahrheit ist, daß Preußen ein europäischer Staat war, lange bevor es ein deutscher wurde."

Clark räumt mit vielen allgemein als wahr erachteten Bildern teilweise oder ganz auf: So korrigiert er die Vorstellung vom tyrannischen Landadel in Ostelbien, von der alles durchdringenden Macht des Militärs, von dem allgegenwärtig spürbaren absolutistischen Staat. Die berühmten preußischen Sekundärtugenden sind für den Staat von existentieller Bedeutung. Zu oft hatte Preußen vor dem Abgrund gestanden. Im Dreißigjährigen Krieg, im Siebenjährigen Krieg und während Bonapartes Soldaten ganz Europa niederrangen - all diese Erfahrungen prägten die politische Kultur. Gerechtigkeit erfährt Preußen durch Clark auch gegen Ende seiner Existenz: Preußen ist nicht der Nährboden für den Nationalsozialismus. "Das Preußen der NS-Propaganda stand in spannungsgeladenem Gegensatz zu dem des zivilen und militärischen Widerstandes. Goebbels bediente sich preußischer Motive, um den Primat von Loyalität, Gehorsam und Wille zu betonen", bis zum bitteren Untergang. Für die Widerstandskämpfer "verloren diese Sekundärtugenden aber ihren Wert, wenn man sie von ihren ethischen und religiösen Wurzeln trennte.

Nicht ohne einen Hauch von Zynismus nennt Clark sein vorletztes Kapitel zur Nachkriegszeit bis 1963 "Die Exorzisten".

Clarks Preußengeschichte ist reich an Anekdoten und auch für Laien gut lesbar. Sie hat fast etwas Prosaisches an sich. Der Wert des Buches verdoppelt sich, wenn man weiß, daß ein Brite es geschrieben und die englische Presse es in höchsten Tönen gelobt hat. Das Buch und die Debatte darum belegen: Neben den Deutschen finden auch Angelsachsen zunehmend Distanz zu alten Klischeevorstellungen und nähern sich dem sachlichen Umgang mit der Geschichte an. Unterm Strich: Clarks Preußenhistorie ist trotz seines Respekt einflößenden Umfangs ein wahrer Lichtblick und unbedingt empfehlenswert! Bernhard Knapstein

Christopher Clark: "Preußen - Aufstieg und Niedergang 1600-1947", München 2007, 896 Seiten, 39,95 Euro, Best.-Nr. 6072


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