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31.03.07 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13-07 vom 31. März 2007

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

Herr Klaus Glagau benötigt Zeitzeugen, die etwas über den Sterbeort seiner nach Rußland verschleppten Tante aussagen können. Er schreibt: "Wie von einer Zeugin berichtet, verstarb sie an einem Ort im Bezirk ,Molotov', einer großen Stadt im Ural, die heute ,Perm' heißt. Es gibt auch eine genauere Ortsangabe ,Wesewedska'. Ob es sich dabei um eine Kleinstadt, ein Dorf oder den Namen des Lagers handelt, ist nicht bekannt. Diesen Ort suche ich, und niemand kann mir sagen, wo genau er im Bezirk Perm zu finden ist Allen Stellen wie das Rote Kreuz oder die Kriegsgräberfürsorge, die ich angesprochen haben, ist er unbekannt." Ich werde Herrn Glagau raten, sich an die Liga für Russisch-Deutsche Freundschaft in Moskau zu wenden, die vielleicht Auskunft geben könnte, aber zuerst will ich doch unsere Ostpreußische Familie bemühen. Es ist durchaus möglich, daß eine damals Verschleppte, die diese Zeilen liest, auch in dem genannten Ort oder Lager war, oder daß Angehörige darüber Bescheid wissen. Zur Sicherheit gebe ich die Anschrift der Moskauer Institution bekannt, über deren Suchreferat viele Nachfragen nach ehemaligen Gefangenen und Verschleppten laufen und auch geklärt werden konnten: Liga für Russisch-Deutsche Freundschaft, Maraseika-Straße 7/8-27, A/Nr.190, 101 000 Moskau, Rußland, Fax (00 70 95) 2 06 84 67, E-Mail: suchreferat.moskau@telsycom.ru. Aber vielleicht ist ja unsere Ostpreußische Familie schneller, zumal es sich ja um eine Ortsfindung handelt und keine Vermißtensuche. (Klaus Glagau, Nieland 21 in 48157 Münster, Telefon 02 51 / 32 66 41, E-Mail: kl.glagau@t-online.de.)

Ich freue mich immer, wenn ich einen herzlichen Dankesgruß bekomme, und über den von Frau Irmgard Schneiderat besonders. Ich war sehr berührt gewesen von ihrer Bitte, die wir in Folge 8 veröffentlichten. Sie hatte als Kind unter der russischen Besatzungsmacht im nördlichen Ostpreußen Schreckliches erlebt. Trost und Hoffnung hatte ihr ein Evangelisches Gesangbuch gegeben, das sie in einer verlassenen Wohnung in Tilsit fand. Das Buch hat sie bis heute begleitet, aber nun wollte sie es der eigentlichen Besitzerin zurückgeben, deren Name eingetragen ist: Christel Kudßus. Ich hatte geschrieben, daß sie es ruhigen Gewissens behalten sollte, wenn sich die Gesuchte nicht meldet, was anscheinend bis heute nicht geschehen ist, denn ich bekam eine Karte, auf der Frau Schneiderat mir ihren Dank für die Veröffentlichung bekundet: "Sie haben so lieb und einfühlsam meine Not mit dem Büchlein erkannt und den Text so taktvoll verfaßt. Ich bekam sofort Anrufe, die mir auch Mut machten und ein gutes Gewissen, dieses Gesangbuch zu behalten und mein eigen zu nennen. Ich bin so dankbar und froh!" Wir werden wohl noch mehr von Frau Schneiderat hören.

Immer wieder entdecke ich in meiner Familienpost Spuren, die auch meinen Weg gekreuzt haben, irgendwann, irgendwo in meinem langen Leben. Manchmal ist es nur ein Name, eine kleine Anmerkung, eine Ortsbezeichnung - und schon ist die Erinnerung da, holt längst Vergessenes aus der Vergangenheit hervor. Da habe ich das Schreiben des Wirtschaftsjournalisten Dr. Hans-Joachim Lang aus Tübingen vor mir liegen, der sich mit einer historischen Frage an uns wendet. Sie führt aber nur an kurzer Leine in die Vergangenheit meiner Heimatstadt Königsberg zurück, denn es handelt sich um den Königsberger Bankier Walter Simon * 1857 in Königsberg, = 1920 in seiner Heimatstadt. Ein großartiger Mäzen, dem die ostpreußische Metropole viel zu verdanken hatte. Nicht nur den nach ihm benannten, fast sieben Hektar großen Sportplatz auf den Hufen und die Volksschul-Badeanstalt am Oberteich, er bereicherte auch mit vielen Spenden das Kultur- und Bildungswesen der Stadt, das ihm als Stadtrat sehr am Herzen lag Für seine großen Verdienste wurde der Geheime Kommerzienrat Simon 1908 zum Ehrenbürger der Stadt Königsberg ernannt. Das ist in groben Zügen, was allgemein bekannt ist. Aus dem Schreiben von Herrn Dr. Lang kann ich aber nun entnehmen, daß Walter Simon schon während seiner Studienzeit in Tübingen mehrere Stiftungen gegründet hat, darunter eine für Studentinnen, die Medizin oder Naturwissenschaften studieren wollten. In Tübingen ist auch eine Straße nach ihm benannt. Nun möchte Herr Dr. Lang für eine wissenschaftliche Arbeit mehr über das Leben und die Tätigkeit von Walter Simon wissen, als die vorhandenen Biographien hergeben. Deshalb die Frage an unsere Ostpreußische Familie: Wer besitzt dokumentarisches Material über Walter Simon, vor allem über sein Wirken als Mäzen, über seine Familie - Vater Moritz war vom Judentum zum Protestantismus konvertiert -, seinen Lebenskreis, Fotos und andere Abbildungen? Was ist aus seiner eigenen Familie geworden, leben irgendwo noch seine Nachkommen? Der Wissenschafts-Journalist würde sich über jede Information freuen. (Dr. Hans-Joachim Lang, Redaktion "Schwäbisches Tagblatt", Uhlandstraße 2 in 72070 Tübingen, Telefon 0 70 71 / 93 43 26, Fax 0 70 71 / 9 34 49 63 26, E-Mail: lang@tagblatt.de.)

Was mich bei dieser Frage so persönlich berührt hat? Am Morgen nach dem furchtbaren Bombenangriff auf Königsberg am 30. August 1944 ging in unserer, wie durch ein Wunder unversehrten Wohnung in der Nähe des Königstores das Telefon: Mein Vater, der als Patient in einer Klinik lag, meldete sich mit den Worten: Kommt mich doch holen, ich bin auf dem Walter-Simon-Platz. Der Schwerkranke - Lungenkrebs im Endstadium - hatte sich aus der brennenden Klinik geschleppt, war durch den Botanischen Garten zu dem Sportplatz gekrochen, wo Auffanglager errichtet worden waren. Der Anruf vom anderen Ende der brennenden Stadt war wie ein Wunder. Es gelang mir mit Hilfe guter Freunde, meinen Vater zu finden und ihn in das - damals noch sichere - Fuchsberg zu bringen, wo er drei Wochen später in unseren Armen verstarb.

Daß es mir nicht allein so ergeht, beweisen die vielen Zuschriften auf veröffentlichte Fragen und Wünsche, die keine Klärung bringen, aber aufzeigen, wie diese sie berührt haben. Das ist zur Zeit vor allen bei den Leserinnen der Fall, die das in verschiedenen Folgen unserer Kolumne behandelte Thema "Metgethen" aufgerüttelt hat, weil auch sie als Kinder damals die Greuel erlebt haben. So schreibt mir eine Metgetherin, daß sie von Freunden die Seite unserer Zeitung zugesandt bekam - sie ist wohl keine Abonnentin -, auf der ich auf das gerade erschienene Buch von Christel Wels hingewiesen habe: "Die Schilderungen dieses unvergessenen Weges, den die Autorin so freimütig und schonungslos zu Papier bringt, sind bedrückend und schrecklich. Aber alles ist wahr! Manche Abschnitte erscheinen mir wie Vorgänge aus dem eigenen Erleben. Wie oft wünschte ich damals beim Einschlafen, nie mehr zu erwachen. Und ich war zwölf Jahre alt!" Was mich an diesem Brief besonders berührt, sind die Zeilen, in denen sie erklärt, daß sie bisher darüber nie sprechen konnte und selber nicht recht an das Erlebte und Erlittene glauben wollte. "Vielleicht ist es noch nicht zu spät, die Sprachlosigkeit zu überwinden." Nein, liebe Edith, es ist noch nicht zu spät. Und unsere Zeitung bietet dafür ein gutes und verläßliches Forum. Jetzt werden auch die hellhörig, die bisher auf dem Ohr taub waren, die nichts von dem Furchtbaren wissen wollten, das gerade uns Flüchtlinge getroffen hat. Ich spüre das an den Zuschriften auf meinen "offenen Brief an Anita Motzkus", und für diese möchte ich hier meinen Dank sagen.

"Als Zeitzeugin besitzen Sie ein einmaliges und unraubbares Primat", schrieb kürzlich Reinhard Kißro aus Ortrand am Schraden in einem Brief, in dem er mir einen Wunsch vortrug, und es ist wohl verständlich, daß ich mich über diese Formulierung sehr gefreut habe. Das Objekt, um das sich seine Frage dreht, hatte ich noch nicht bearbeitet, als er es mir persönlich zur Ansicht übergab. Das war beim Kultur- und Geschichts-Seminar im Ostheim in Bad Pyrmont für Teilnehmer aus Mitteldeutschland. Ich hatte keine Ahnung, daß Herr Kißro und seine Frau auch zum Teilnehmerkreis gehörten, um so mehr freute ich mich, daß wir seinen Wunsch im persönlichen Gespräch eingehend behandeln konnten. Vor kurzem konnte Herr Kißro ein Unikat erwerben, ein hart gebundenes großformatiges Heft, das den Titel "Ostpreußen / Charakter, / Hans Kuhr" trägt, Erscheinungsjahr 1925. Es umfaßt neben dem künstlerischen Blocksatz 14 Federzeichnungen und ganzseitige Aquarelle. Aus dem Text geht klar hervor, daß der Gesamtschöpfer Hans Kuhr ein "stolzer Ostpreuße und Königsberger" ist. Herr Kißro hat nun versucht, Näheres über den Künstler zu erfahren, aber keine Anthologie, kein Kunstlexikon, kein Archiv gibt etwas her. Es ist anzunehmen, daß Hans Kuhr an der Königsberger Kunstakademie studiert hat. Seine Motive beziehen sich vor allem auf Nordostpreußen, Samlandküste, Kurische Nehrung, Elche, immer wieder die See. Nun also die Fragen: Wer kann etwas über Hans Kuhr aussagen? Wie war seine Ausbildung, sein künstlerisches Schaffen, sein Lebenslauf? Wer besitzt noch Arbeiten des Künstlers oder weiß, wo sich welche befinden? Ist "Hans Kuhr" sein richtiger Name oder ein Pseudonym? Herr Kißro ist bei seinen bisherigen Recherchen mehrmals auf den Familiennamen Kuhr gestoßen, aber es gab keine Verbindung zu dem Maler. (Reinhard Kißro, Große Lamprichte 11 in 01990 Ortrand am Schraden, Telefon 03 57 55 / 5 04 40.)

Übrigens geschah auf diesem Seminar etwas Eigenartiges: Als mir Herr Kißro die alte, aber noch gut erhaltene Original-Broschüre zeigte, fiel ein Zettel heraus, ein Zeitungsausschnitt, zweifellos aus einem sehr alten Ostpreußenblatt. Auf ihm stand das Gedicht "O Erde Dänemarks ...", das die Dichterin im Lager Oxböl geschrieben hatte. Berührte das mich schon eigenartig, weil ich kurz zuvor in meinem Referat auf meine vielen Begegnungen mit Agnes Miegel hingewiesen hatte, so wurde diese Regung noch verstärkt: Im Teilnehmerkreis war eine Ostpreußin, die spontan berichtete, daß sie damals auch in dem Lager gewesen war und auf Agnes Miegels Wunsch dieses, nur auf Zetteln handschriftlich aufgezeichnete Gedicht auf der Maschine abgeschrieben hatte. Eine Zeitzeugin, die wieder einmal beweist: Die Vergangenheit ist nicht vergessen, sie ist noch nicht einmal vergangen!

Und das erhoffen sich auch die Briefschreiber, die Familienforschung betreiben oder betreiben wollen, denn sie sind Neulinge auf dem Gebiet der Ahnenforschung wie Hans-Jürgen Friedel aus Bochum. Er ist erst seit kurzem damit beschäftigt, die väterliche Linie seiner ostpreußischen Vorfahren zurückzuverfolgen, und ist nun an einen toten Punkt gekommen, der die Zeit zwischen 1920 und 1945 in Adlig Neuendorf betrifft. Nach diesem Ort ist schon öfter bei uns gefragt worden, so daß Herr Friedel sicherlich Auskünfte aus unserem Leserkreis erhalten wird. Aus dem adligen Gut Neuendorf, das bis zum Alten Pregel reichte, wurde nach der Eingemeindung zu Königsberg 1939 der Wohnbezirk Neuendorf. Jürgen Friedels Vater, Hans-Heinrich Friedel, wurde zwar 1929 in Kirschappen geboren, kam aber früh zu seiner Großmutter Auguste Friedel nach Adlig Neuendorf und wuchs bei der Witwe auf. 1936 wurde er dort eingeschult - Lehrer Kretschmann - und 1943 oder 1944 in der alten Gutskirche konfirmiert. Als Angehöriger der 1/2 KW verließ er die Heimat vom Fliegerhorst Neuhausen / Tiergarten aus. Die Friedels müssen eine alte Neuendorfer Familie gewesen sein, denn nicht nur Hans-Jürgens Urgroßeltern lebten dort - Eduard Friedel, = 1925, Auguste Friedel, geborene Seek, * 1871 in Trömpau - sondern auch weitere Verwandte wie Therese Westphal geborene Friedel, Bertha Namnick geborene Friedel und Johanna Bruckmann, geborene Friedel. Nun hofft der Nachfahre, etwas über seine Familie und den Ort zu erfahren. Er ist auch an alten Aufnahmen von Adlig Neuendorf interessiert, um seine Familienchronik so informativ wie möglich zu gestalten. Helfen wir ihm dabei! (Hans-Jürgen Friedel, Gaußstraße 1 in 44879 Bochum, Telefon 02 34 / 9 41 22 48, E-Mail: friedel.juergen@t-online.de.)

Eure Ruth Geede

Foto: Federzeichnung aus dem 1925 erschienenen Heft "Ostpreußen / Charakter, / Hans Kuhr": Wer etwas über den "stolzen Ostpreußen und Königsberger" Hans Kuhr weiß, wende sich an Reinhard Kißro, Große Lamprichte 11 in 01990 Ortrand am Schraden, Telefon (03 57 55) 5 04 40.


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