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07.04.07 / Wie Bokellen per Mail erreichbar wurde / Die Haushalte des Dorfes haben nicht nur keinen Internet-, sondern auch keinen Wasseranschluß

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-07 vom 07. April 2007

Wie Bokellen per Mail erreichbar wurde
Die Haushalte des Dorfes haben nicht nur keinen Internet-, sondern auch keinen Wasseranschluß

Frunzenskoe" nennen die Russen das im Kreis Gerdauen gelegene Dorf Bokellen zu Ehren des russischen Offiziers Frunzens. Die Bahnstation liegt genau in der Mitte der Strecke Insterburg-Gerdauen, wobei die Russen von "Cernjachovsk" und "Zeleznodoroznyi" sprechen. Cernjachovsk war ein bei Insterburg Ende Januar 1945 gefallener Panzergeneral der Roten Armee und "Zeleznodoroznyi" heißt übersetzt Eisenbahnerstadt.

Inzwischen wurde sogar eine Internetverbindung zu den Bewohnern von Bokellen aufgebaut, um schneller mehr über diesen Ort zu erfahren, sah sich doch der LO-Kulturreferent in Neuss Volker Ludwig vor der Aufgabe, über diesen Ort, wie er sich heute darstellt, einen Bericht zu schreiben, ohne dort hinzufahren. Um es gleich zu sagen, es gibt in Bokellen keinen Internetanschluß, es funktioniert trotzdem.

Zunächst wurde die Adresse der russischen Bürgermeisterin dieses Ortes recherchiert. Diese wurde dann in russischer Sprache mit Fragen zum Ort und zu seinen Bewohnern mehrfach auch unter Angabe der eigenen E-Mail-Adresse angeschrieben, zuletzt mit Amtshilfe einer deutschen stellvertretenden Bürgermeisterin. Welcher Brief nun wann angekommen war, läßt sich noch nicht sagen, zumal die Übersetzungen russisch-deutsch-russisch mühselig waren. Jedoch war Ende Mai 2006 kein Brief, sondern unerwartet eine in kyrillischen Buchstaben verfaßte E-Mail angekommen. Nach der Übersetzung dieser Mail wurde der Übertragungsweg klar:

Die russische Bürgermeisterin hatte den Brief an ihren Stellvertreter weitergeleitet, der seit seiner Geburt 1950 in Bokellen lebt. Dieser, schon immer an der Vergangenheit seines Geburtsorts interessiert, beantwortete alle Fragen. Seine Antworten gingen telefonisch an seine Tochter nach Königsberg, die dort mit einem Dozenten der Kant-Universität verheiratet ist. Diese Familie mit Internetanschluß leitete die Antworten dann in die Bundesrepublik Deutschland weiter.

Das Manuskript mit alten und aktuellen Karten und Fotos über den Ort Bokellen gestern und heute wurde mit Hilfe dieser Internetverbindung schnell vollendet. Der Bericht über Bokellen steht exemplarisch für die Entwicklung jedes Dorfes ab 1945 im Königsberger Gebiet. Eine Begleit-CD mit 160 kommentierten Fotos rund um den Ort Bokellen und ein ausführlicher aktueller Bericht ist erstellt und verfügbar.

Ein erschütterndes Ergebnis dieser unkonventionellen Internetrecherche soll hier nicht vorenthalten werden: Auf die Frage, ob es in Bokellen auch heute noch wie in der Vorkriegszeit fließend Wasser gibt, kam die Antwort, daß der Transformator für die elektrische Pumpe des Wasserturms von Bokellen Mitte der 90er Jahre von einer der damals marodierenden Banden gestohlen worden ist. Seitdem sind die Bewohner von Bokellen wieder und immer noch auf das manuelle Schöpfen von Brunnenwasser angewiesen. So ist es im Dorf Bokellen, Kreis Gerdauen, Regierungsbezirk Königsberg heute. V. L.


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