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14.04.07 / Wirkungsloses Gesetz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-07 vom 14. April 2007

Wirkungsloses Gesetz
von Harald Fourier

Ein Fahrkarten-Kontrolleur trifft auf einem Fahrgast in der U-Bahn, der keinen Fahrschein vorzeigen kann. Der Schwarzfahrer: "Ich habe einen Fahrschein gekauft, aber zu Hause liegengelassen." "Ach so. Schöne Fahrt noch." Realistisch? Wohl kaum.

Aber gegenüber Bauunternehmern, denen sie Aufträge erteilt, verfährt die Stadt Berlin wirklich so naiv wie der oben geschilderte Kontrolleur. Die Berliner Bauwirtschaft ist großem Kostendruck ausgesetzt. Deswegen griffen viele Firmen schon vor dem Fall der Mauer auf ausländische Billigarbeitskräfte - erst Portugiesen, später Polen - zurück. Dumpinglöhne gelten seitdem als großes Problem. 1999 reagierte der Senat, indem er nach langer Debatte ein Vergabegesetz erließ: Bauaufträge erhält nur, wer auch Tariflöhne bezahlt. Die Gewerkschaften forderten endlich ein "Ende des Lohndumpings" und sahen sich bereits am Ziel.

Jetzt hat der Abgeordnete Volker Thiel (FDP) den Senat gefragt: Was hat das Gesetz eigentlich gebracht? Die Antwort des Senats war ziemlich ernüchternd, nämlich nichts. Jedenfalls nichts Konkretes. "Das Bewußtsein für tarifliche Vergütung ist gestiegen", antwortete Staatssekretärin Helga Dunger-Löper. Geht es auch konkreter? Gibt es zum Beispiel Auswirkungen auf die Lage am Arbeitsmarkt? "Kaum meßbar", so die Antwort. Gibt es denn statistische Erhebungen, die einen positiven Einfluß des Gesetzes belegen? Die Staatssekretärin: "Nein." Und wie wird das ganze kontrolliert? Die Unternehmen müssen lediglich eine Erklärung abgeben, daß sie nach Tarif bezahlen - das war's. Arbeit geschaffen wurde so nur für eine neue Behörde: das Berliner Tarifregister. Hier werden alle Tarifverträge gesammelt und ausgewertet, damit Beamte, die eine Leistung in Auftrag geben, nachschauen können, wie der entsprechende Tarifvertrag aussieht. In einer 34-Seiten-Broschhüre ist alles zusammengefaßt, was Auftraggeber und -nehmer wissen müssen. In der Praxis sieht das jetzt so aus: Dubiose Bauunternehmer kommen jetzt mit einer schlichten Lüge ("Wir bezahlen Tariflohn") durch, während der Ehrliche der Dumme ist, der einen erheblichen Zusatzaufwand mit der dazugehörigen Bürokratie hat. Er muß zum Beispiel bei all seinen Subunternehmern selbständig prüfen, ob auch sie den Tarifvertrag einhalten. Für viele Unternehmer gilt schon deswegen: Hände weg von staatlichen Aufträgen. "Da verbrennst du dir zu schnell die Finger dran", klagt manch einer von ihnen. Gut gemeint ist eben nicht automatisch auch gut.


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