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14.04.07 / Nur dank linker Medien berühmt geworden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-07 vom 14. April 2007

"Moment mal!"
Nur dank linker Medien berühmt geworden
von Klaus Rainer Röhl

Am 7. April 1977 wurde Martin Buback von RAF-Mördern erschossen. Vor zwei Wochen wurde eines der letzten noch inhaftierten RAF-Mitglieder vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen. Frau Mohnhaupt wünscht, in Zukunft nicht mehr als Mörderin bezeichnet zu werden. Das veranlaßte die "FAZ" zu fragen, ob Frau Schleyer in Zukunft auch nicht mehr Witwe genannt werden darf. Schon drohen Initiativen für Christian Klar mit Terror.

In welchem Land leben wir eigentlich? Kommt der Terror von 1977 nach 30 Jahren wieder zurück? Stehen die Gespenster der Vergangenheit wieder auf? Wurde die RAF nicht schon vor Jahren von ihren eigenen Mitgliedern aufgelöst? Wir erinnern uns: Ein Gespensterpapier geisterte im Sommer 1998 durch die Redaktionsstuben und Sendeanstalten. Die Terroristengruppe, die 1970 zunächst unter dem Namen Baader-Meinhof-Gruppe bekannt wurde, nach eigenem Verständnis bald die Rote-Armee-Fraktion (RAF) genannt, hatte sich aufgelöst. Das anonyme Bekennerschreiben war offensichtlich echt. Die RAF sei Geschichte geworden, tönt es aus dem Manifest - überdimensional verstärkt durch ein breites Echo in den links-liberalen Medien.

Ich würde das nicht so nennen. Geschichte? Eher ist es eine lange Reihe nicht enden wollender Geschichten. Ziemlich mieser Geschichten. Alles begann damit, daß Baader und Ensslin, zwei verurteilte Warenhausbrandstifter, bei einer angesehenen Journalistin in Berlin mit der Frage auftauchten: "Können wir heute nacht bei dir pennen?" Sie hatten keine Lust gehabt, ihre sehr milde Haftstrafe für die Brandstiftung abzusitzen und waren untergetaucht. So lebte das Pärchen illegal bei der früheren "konkret"-Kolumnistin. Es war Anfang 1970. Die große Studentenbewegung von 1967 war längst zerfallen. Die im ersten Rausch erwartete Veränderung der Verhältnisse war nicht eingetreten. Gerhard Schröder und Joschka Fischer hatten sich, zusammen mit hunderttausend anderen, schon auf den von Dutschke ausgerufenen "Langen und mühevollen Marsch durch die Institutionen" gemacht, ohne zu wissen, daß er bis 1998 dauern würde. Baader und Ensslin zeigten keine Neigung, einen langen Marsch irgendwohin anzutreten. Andreas Baader stammte aus einem Milieu, das es am Rande der Studentenbewegung schon 1967 gegeben hatte und das sich nach deren Zerfall in Berlin wuchernd ausbreitete, namentlich um die anarchistische Untergrundzeitschrift "Agit 883" und die sogenannten "Umherschweifenden Haschrebellen". In diesem Milieu war der oft wie ein Zuhälter auftretende Andreas Baader entschieden der King. Jähzornig, zum Sadismus neigend, oft in Schlägereien verwickelt, wurde er nach seiner Warenhausbrandstiftung zum heimlichen Idol aller zaghaften Pfarrerstöchter. Gudrun Ensslin kam dagegen aus einem rigiden evangelischen Pfarrhaus. Als Publizistin erfolglos, hatte sie sich 1967 im Wahlkampfbüro der Schriftsteller für die SPD engagiert, zu deren erbitterter Gegnerin sie nach der Bildung der Großen Koalition wurde. Wenig bekannt ist, daß sie bereits 1967, am Abend nach der Erschießung von Benno Ohnesorg, vorschlug, eine Polizeistation zu stürmen, um sich zu bewaffnen und zurückzuschießen, ein Motiv, das für die Entstehung und Rechtfertigung der späteren RAF maßgeblich wurde. An Andreas Baader faszinierte sie die brutale Bereitschaft zu körperlicher Gewalt, die den Studenten und Studentinnen von 1967 und 1968 fremd war. Gudrun Ensslin und Andreas Baader hatten, jeder auf seine Weise, die Schwelle zur Gewaltanwendung innerlich längst überschritten, Gudrun Ensslin, weil sie seit dem Tod von Benno Ohnesorg von der Idee des "Zurückschießens" fasziniert blieb, Baader, weil ihm Gewaltanwendung eine tägliche Lebenserfahrung bedeutete - er hätte genausogut auch SA-Mann statt RAF-Mann werden können.

Die gewaltsame Befreiung Baaders, bei der ein Justizangestellter schwer verletzt wurde und nach der die erfolgreiche Fernsehjournalistin ebenfalls in den Untergrund ging, war die Geburtsstunde der Roten-Armee-Fraktion. Eine weitergehende, ausgearbeitete Strategie gab es zu diesem Zeitpunkt nicht, aber nachdem man einmal das Feuer freigegeben hatte, war es bis zu dem Mordbefehl "Auf Bullen kann geschossen werden!" nur ein Schritt, und die Kampfansage der gerade mal sechsköpfigen Terroristengruppe an den gesamten Staat war eigentlich nur der nachgelieferte Überbau und die Rechtfertigung für die leichtfertigen und dilettantischen Banküberfälle, Autodiebstähle, Attentate und auch schon Morde. Nach der Verhaftung der Spitzengruppe wurde die Gefängnisbefreiung zum Selbstzweck der durch Neurekrutierungen aufgestockten RAF der zweiten und dritten Generation.

Die Mitglieder der zweiten und dritten Generation wiesen das gleiche Persönlichkeitsmuster auf. Desperate, übersensible oder überaggressive Kinder aus überwiegend bürgerlichen, aber gestörten Verhältnissen, denen jedoch die Skrupel der ersten Generation fehlten. Wie konnte es geschehen, daß eine asoziale, heterogene Gruppe von psychisch Gestörten mit nur durchschnittlicher Intelligenz, als Illegale eher dilettantisch arbeitend, theoretisch verludert und körperlich heruntergewirtschaftet, jahrzehntelang das Land in eine Art Ausnahmezustand versetzte? Was wäre unter normalen Umständen aus einem solchen Unternehmen geworden? Nichts. Sie hätten ein paar Banküberfälle und Brandstiftungen gemacht und wären, schlecht organisiert, wie sie waren, bald im Gefängnis gelandet - hätten sie nicht ihre Galionsfigur Ulrike Meinhof von Anfang an auch als Geisel mitgeführt. Schutzschild und Ikone in einem und nur sie Anlaß für das Eingreifen zweier bedeutender Kräftegruppen, die nun die Geschehnisse beeinflußten: des linksliberalen Meinungskartells in Hamburg sowie des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS).

Aber woher kam die massive Parteinahme des Hamburger Meinungskartells für die todesmutigen einzelnen, die dem ganzen Staat den Kampf angesagt hatten? Sie kam aus einem schlechten Gewissen der linken und liberalen Journalisten: Die tun etwas - was tun wir? Das war schon in der ganzen Berichterstattung über die 68er zu spüren gewesen, bei diesen großen und wilden Demonstrationen und Gewaltaktionen, denen man aus den sicheren Bürotrakten von "Spiegel", "Stern" und "Zeit" etwas neidisch und etwas bewundernd zugesehen hatte. Das änderte sich auch nicht, als die ersten Toten auf der Strecke lagen. Bei den Medien baute sich eine Schutzzone für die Terroristen auf, die durchaus verwechselt werden konnte mit dem Volk, in dem die chinesischen Kommunisten schwimmen sollten wie der Fisch im Wasser.

Es war aber nicht das Volk, sondern es war die Creme der linksintellektuellen Elite, in der die Kolumnistin und die von ihr mitgebrachten Ganoven untertauchten. Bis dann, sehr viel später, die Stimmung umschlug, die Toten zu viele wurden, und Hilfe und Unterschlupf für die flüchtigen Illegalen oft genug nur noch mit der Knarre in der Hand erzwungen werden konnten - bis alle verhaftet waren.

Doch wer hat denn wirklich damals den Fisch aus dem Wasser gezogen? Ach, es waren nicht Herold und seine Rasterfahndung. Es war das vielgerühmte Volk selbst, das, einmal aufgerufen und durchaus den Unterschied kennend zwischen gemeinem Denunziantentum und gemeinsamer Aufmerksamkeit in höchster Gefahr die Täter entlarvte. Fast alle RAF-Leute wurden durch die Anzeigen aus der Bevölkerung gefaßt; Schleyer könnte heute noch leben, aber ein Hinweis aus der Bevölkerung wurde von selbstvergessenen Polizisten verschlampt. Es folgt noch eine besonders miese Pointe. Es ist die Geschichte von einem die Demokratie aus langer Tradition hassenden DDR-Agentenchef, des 1932 schon des hinterhältigen Mordes an zwei Berliner Polizeibeamten überführten Genossen Mielke. Er schützte die RAF, und Markus Wolf bewunderte die "todesmutigen Genossen".

Am Anfang diente die DDR der Terrorgruppe als Verschiebebahnhof in den Nahen Osten, am Ende als schäbiger kleiner Zufluchtsort für die mutlos gewordenen Mörder - Eisenhüttenstadt mit Krippenplatz, früher Stalinstadt. Gäbe es die DDR noch, hätte sich die RAF nicht auflösen brauchen und müßten sich ihre Mitglieder nicht um Haftentlassung bemühen, sie müßten statt dessen in alle Ewigkeit in Eisenhüttenstadt bleiben und den Sozialismus aufbauen - das wäre Strafe genug.

Ich habe für 2007 einen Vorschlag: "Spiegel" und "Stern", "Frankfurter Rundschau" und "Zeit" sollten redlicher mit ihren Lesern umgehen, statt nur auf deren schnelle Vergeßlichkeit zu spekulieren: Schöne Faksimile-Ausgaben ihrer Blätter könnten den Nachgeborenen überliefern, mit wieviel hochsensiblem Verständnis man damals versucht hatte, die Gedankengänge der Mörder nachzuzeichnen und zu verstehen, Blatt für Blatt und Woche für Woche. Reemtsma aber würde ich vorschlagen, eine neue Wanderausstellung vorzubereiten: "Die Verbrechen der RAF - sind wir alle mitschuldig?" Fälschungssicheres Bildmaterial wäre diesmal vorhanden, und einschlägig erfahrene Mitstreiter arbeiten bereits in seinem Institut.

Foto: Bleistiftzeichnung eines Gerichtszeichners: Sie zeigt die Angeklagten (v. l. n. r.) Jan Carl Raspe, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof am 5. Juni 1975 im Gerichtssaal.


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