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14.04.07 / "... weil Zukunft Herkunft braucht" / Die Ausstellung "Berlin um 1800" in der Alten Nationalgalerie mit Arbeiten bedeutender Architekten des 19. Jahrhunderts

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-07 vom 14. April 2007

"... weil Zukunft Herkunft braucht"
Die Ausstellung "Berlin um 1800" in der Alten Nationalgalerie mit Arbeiten bedeutender Architekten des 19. Jahrhunderts
von Helga Steinberg

Hauptstadt-Touristen und auch Berliner selbst verbinden das klassische Berlin und seine Baukunst, die Zeit eines Schleiermacher, eines Kleist oder der Gebrüder Humboldt meist mit dem Werk Karl Friedrich Schinkels (1781-1841). Dabei stand der bedeutendste Baumeister des 19. Jahrhunderts zu diesem Zeitpunkt erst am Beginn seiner großen Karriere.

Es war im Jahr 1797, als Schinkel auf der Akademieausstellung den Entwurf eines Denkmals für Friedrich den Großen sah. Geschaffen hatte ihn der aus Altdamm bei Stettin stammende Sproß einer Hugenottenfamilie: Friedrich Gilly (1772-1800). Der Sohn des Oberbaurats David Gilly (1748-1808) hatte sich 1794 für die Marienburg und deren Erhalt begeistert und Skizzen angefertigt, die König Friedrich Wilhelm II. von Preußen derart begeisterten, daß er Gilly ein Reisestipendium gewährte.

Der Entwurf des Denkmals für den großen Preußenkönig, das allerdings nicht verwirklicht wurde, beeindruckte Schinkel so sehr, daß er beschloß, Architekt zu werden. Er gehörte zu den ersten Schülern der 1799 gegründeten Berliner Bauakademie, an der Friedrich Gilly als Lehrer wirkte. Vater und Sohn Gilly nahmen den begabten Schinkel darüber hinaus in ihr Architekturbüro auf. Und Friedrich Gilly bestimmte in seinem Testament, Schinkel solle nach seinem Tod alle von ihm begonnenen Projekte vollenden.

"In der kreativen Atmosphäre des ,Berlin um 1800' konnte sich Karl Friedrich Schinkel durch seine Lehrjahre zu einem die Architektur bis in die Gegenwart prägenden Baumeister entwickeln", schreibt Elke Blauert im Katalog zur Ausstellung "Neue Baukunst - Berlin um 1800", die zur Zeit in der Alten Nationalgalerie zu sehen ist. Die Kuratorin der Ausstellung der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin bedauert, daß die meisten Bauten dieser Zeit der Vernichtung anheimgefallen sind. Viele wurden leichtfertig abgerissen, weil ihnen die Standfestigkeit fehlte, andere wieder fielen der Spitzhacke zum Opfer, weil sie einfach nicht mehr zeitgemäß schienen. Die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg taten ihr übriges.

Die baulichen Zeugnisse des Berlin um 1800 sind bis auf wenige erhaltene Bauten verschwunden. Das Brandenburger Tor, 1797 nach Plänen von Carl Gotthard Langhans errichtet und mit Plastiken von Johann Gottfried Schadow verziert, ist das bekannteste Bauwerk aus dieser Zeit. Auch Schloß Bellevue, der heutige Amtssitz des Bundespräsidenten, das Prinzessinnen-Palais und die Tierarzneianstalt von Langhans sind noch erhalten geblieben.

"Die Weichen für Berlins Entwicklung zu einer Metropole stellte Friedrich II", so Elke Blauert. "Im Jahre 1739 begann er, die unter dem Großen Kurfürst Friedrich Wilhelm nach dem Dreißigjährigen Krieg angelegten Befestigungsanlagen niederzulegen und die alten Wassergräben an wichtigen Stellen zu überbrücken und mit Kolonnaden zu versehen. Es entstanden unter Carl Gonthard 1776 die Spittelkolonnaden in der Leipziger Straße sowie 1777 bis 1780 die Königskolonnaden am Wollmarkt, dem späteren Alexanderplatz. Carl Gotthard Langhans baute 1787 bis 1806 die Mohrenstraßenbrücke und Mohrenkolonnaden. Alle genannten Kolonnaden sind heute in veränderter und umgesetzter Form noch vorhanden", berichtet Elke Blauert im ";Museums Journal" (1 / 2007).

Die meisten der anderen Bauten sind verschwunden, die Entwürfe aber sind zum großen Teil erhalten. Die Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin besitzt zum Beispiel die größte Sammlung von frühen Schinkel-Zeichnungen aus der Zeit zwischen 1797 und 1800. Die Entwürfe anderer Baumeister konnten in den 20er und 30er Jahren erworben und durch Ankäufe 1990 ergänzt werden. In der Berliner Ausstellung werden neben den Zeichnungen und Entwürfen auch Gemälde von Schinkel und Caspar David Friedrich sowie Zeichnungen zeitgenössischer Mode aus der Lipperheideschen Sammlung gezeigt, um die Zeiten des Umbruchs in Architektur, Kunst, Literatur und Mode deutlich zu machen. Als Madame de Staël im Jahr 1804 Berlin besuchte, schwärmte sie: "Kein deutscher Schauplatz kommt dem Berlins gleich. Diese im Zentrum Norddeutschlands gelegene Stadt kann beanspruchen, als geistiger Mittelpunkt betrachtet zu werden ... Was an diesem Lande interessieren muß, ist die Bildung, der Geist der Gerechtigkeit und das Gefühl der Unabhängigkeit, dem man bei zahlreichen Angehörigen der Stadt begegnet." Einen Eindruck dieser einzigartigen Atmosphäre, dieser kulturellen Blüte will auch die Ausstellung vermitteln, die zum 50jährigen Bestehen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz veranstaltet wird.

Die Ausstellung "Neue Baukunst - Berlin um 1800" ist in der Alten Nationalgalerie Berlin, Bodestraße 1-3, dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr zu sehen, bis 28. Mai. Zur Ausstellung erschien ein Begleitband im Nicolai-Verlag

Berlin, 240 Seiten, zahlreiche Abb., gebunden mit Schutzumschlag, 29,90 Euro.

Foto: Beeindruckend: Entwurf eines Denkmals für Friedrich den Großen von Friedrich Gilly (1797; Feder in Schwarz, Deckfarben, aquarelliert; im Besitz des Kupferstichkabinetts)


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