18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
14.04.07 / Achtung, Aufnahme! / Die Filmstadt Berlin lockt mit Ausstellungen, Vorführungen und Publikationen die Besucher an

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-07 vom 14. April 2007

Achtung, Aufnahme!
Die Filmstadt Berlin lockt mit Ausstellungen, Vorführungen und Publikationen die Besucher an

Nicht nur in Ausstattungsfilmen ist die rekonstruierte historische Robe oder die originalgetreue Uniform prägend für die Gesamtwirkung. Die Kleidung eines Schauspielers muß auf die Rolle zugeschnitten und auf den Leib geschneidert werden. Rollenkonzept, schauspielerische Leistung und die gestalterische Vorstellungskraft der Kostümbildner erschaffen gemeinsam eine Figur.

Mit der Ausstellung "Filmkostüme! Das Unternehmen Theaterkunst" wendet sich das Museum für Film und Fernsehen in Berlin diesem für die Produktion von Kino- und Fernsehfilmen wichtigen gestalterischen Bereich zu. Die Schau begibt sich am Beispiel des Berliner Kostümhauses Theaterkunst auf eine Spurensuche in die vergangenen 100 Jahre der Kostümausstattung. Schon in den 20er Jahren belieferte Theaterkunst Großproduktionen wie Fritz Langs "Metropolis" (1925 / 26) oder Fred Niblos "Ben Hur" (1925). Heute greifen Film- und Fernsehproduktionen auf den mehr als zehn Millionen Stücke umfassenden Fundus zurück.

Durch eine Kombination von Kostüm und Filmszene wird in der Ausstellung die Garderobe zahlreicher deutscher und internationaler Stars wieder "lebendig", darunter Originalkostüme der Theaterkunst, in den Filmen getragen von Mario Adorf, David Bowie, Horst Buchholz, Marlene Dietrich, Heino Ferch, Joseph Fiennes, Corinna Harfouch, Klaus Kinski, Sebastian Koch, Winona Ryder, Romy Schneider, Hanna Schygulla und Barbara Sukowa.

Die 100jährige Geschichte der Firma sowie die Arbeitsbereiche Kostümwerkstatt und -fundus werden in dieser Ausstellung in Szene gesetzt. Sie zeigen den Arbeitsalltag von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Theaterkunst in Vergangenheit und Gegenwart. Am Beispiel einer aktuellen Fernsehproduktion wird ein anschauliches Bild der einzelnen Arbeitsschritte gezeichnet: von der Ideenentwicklung anhand des Drehbuchs, über die Recherche und Beratung im

Fundus, die Anfertigung, die Anprobe bis zum Verpacken der Kostüme für den Transport und zur Betreuung am Set.

Zahlreiche Kostümbildnerinnen und -bildner werden mit einem exemplarischen Kostüm und Skizzen vorgestellt, die unterschiedliche künstlerische Handschriften und Arbeitsweisen erkennen lassen. Von Ali Hubert, der 1919 Ernst Lubitschs Film "Madame Dubarry" ausstattete, bis Gabriele Binder, die 2006 die Kostüme für Florian Henckel von Donnersmarcks oscarpremierten Spielfilm "Das Leben der Anderen" kreierte. Präsentiert werden Kleidungsstücke und

Accessoires, Entwurfszeichnungen und Filmbeispiele, die einen Eindruck von der Arbeit der Kostümbildner mit der Firma Theaterkunst vermitteln.

Die Ausstellung entstand in Kooperation der Deutschen Kinemathek - Museum für Film und Fernsehen mit dem Museum der Arbeit in Hamburg und der Firma Theaterkunst. Begleitend erscheint ein Katalog mit großformatigen farbigen Kostümfotos, Beiträgen zur Firmengeschichte, Interviews mit Mitarbeiterinnen und Kostümbildnerinnen sowie einem Verzeichnis ausgewählter Exponate.

Einem ganz speziellen Film widmet sich eine Ausstellung in der Galerie Kunst-Werke in der Berliner Auguststraße, wo der von Rainer Werner Fassbinder verfilmte Roman Alfred Döblins "Berlin Alexanderplatz" als begehbare Großprojektion zu sehen ist. Jede der 13 Folgen 1980 als Fernsehserie ausgestrahlten Films und der Epilog werden in einem eigenen Raum gezeigt. Die Geschichte um den aussichtslosen Kampf des entlassenen Zuchthäuslers Franz Biberkopf, eine ehrliche Existenz im Moloch Berlin der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts aufzubauen, hat nicht nur Fassbinder beschäftigt. Schon 50 Jahre zuvor hatte Phil Jutzi eine Filmversion der expressionistischen Großstadtsaga gedreht.

In der Rolle des Franz Biberkopf war der geniale Heinrich George zu sehen. Als er, oder besser sein alter Ego Franz Biberkopf vor einem eigens errichteten Bauzaun auf dem Alexanderplatz Krawatten an den Mann bringen will ("Nu uffjepaßt, Damen wie Herren, warum soll der feine Mann Schlipse tragen, und der Prolet trägt keene?"), bildet sich bald eine große Menschenmenge um ihn, doch keiner erkennt den Schauspieler. "Fünf Minuten dauerte der ganze Krawattenspuk", ist später in der "Filmwoche" zu lesen. "Fünf Stunden Warten - für fünf Minuten Drehen -, fünf Minuten Drehen für 60 Sekunden, die später im Film zu sehen und zu hören sind." Diesen berühmten Bauzaun gab es übrigens zweimal: einen direkt am Alexanderplatz, einen zweiten als Kopie in den Babelsberger Studios für die Nahaufnahmen, damit man sich mit der noch jungen Tonfilmtechnik nicht dem Verkehrslärm am Alexanderplatz aussetzen mußte. Auch Straßenpartien, Fassaden, Hausflur-Nischen und dunkle Hinterhofecken wurden in Babelsberg nachgebaut - eine Meisterleistung.

Echt hingegen war zehn Jahre später die Kulisse für den Film "Der Gasmann" mit Heinz Rühmann und Anny Ondra. Der Protagonist lebt in einer kleinen modernen Wohnung im Prenzlauer Berg, genauer gesagt in der Wohnstadt "Carl Legien", die der aus Königsberg stammende Architekt Bruno Taut 1929 / 30

errichtete. Zusammen mit anderen Bauten Tauts steht die Wohnstadt heute auf der Anwärterliste für das

Unesco-Weltkulturerbe. Einer der Filme, die mittlerweile Kultstatus erreicht haben und neben einer mitreißenden Geschichte auch ein Bild der Stadt Berlin bieten, ist der 1961 von Billy Wilder gedrehte Streifen "Eins, Zwei, Drei" mit Horst Buchholz, Lilo Pulver und James Cagney. Just zur Drehzeit wurde die Mauer errichtet und die Filmleute mußten schnell umdisponieren. Wie das geschah und weitere spannende Geschichten um den Drehort Berlin erfährt man in einem amüsant zu lesenden Buch von Markus Münch. ospm

Die Ausstellung "Filmkostüme" ist in der Deutschen Kinemathek, Museum für Film und Fernsehen, Potsdamer Straße 2, 10785 Berlin, dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr zu sehen, Eintritt: 6 / 4,50 Euro, bis 2. September.

Fassbinders "Berlin Alexanderplatz" ist in der Berliner Galerie Kunst-Werke, Auguststraße 69, dienstags bis sonntags von 12 bis 19 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr zu sehen, bis 13. Mai.

Markus Münch: "Drehort Berlin - Wo berühmte Filme entstanden", berlin edition im be.bra Verlag, Berlin 2007, 272 Seiten, 99 Abb., brosch., 19,90 Euro.

Foto: Glanzvoller Auftritt: Nadja Tiller, Hansjörg Felmy und Liselotte Pulver 1959 in dem Film "Die Buddenbrooks" (von links), das Kleid von Nadja Tiller als Gerda Buddenbrook ist in der Berliner Ausstellung zu sehen.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren